In Sachen Ägypten-Berichterstattung saßen die Zuschauer von ARD und ZDF weder in der ersten noch in der zweiten Reihe.
Diese Bilder gingen um die Welt: Wütende Demonstranten, die mit Steinen oder Leuchtkörpern werfen, zunehmende Gewaltszene und ein aufmarschiertes, zum Kampf bereites Militär sowie gellende Proteste auf den Straßen. Ägyptens Hauptstadt Kairo versank im Chaos und Live-Bilder der Nachrichtenstationen BBC und CNN gingen über den ganzen Globus. Wirklich um den ganzen? Nur die beiden großen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in Deutschland hatten den Trubel-Bildern aus Nordafrika erfolgreich Widerstand geleistet. Natürlich sollte der Zuschauer, der monatlich seine Gebühren abdrückt, in den Randnotizen der «Tagesschau», «Tagesthemen» oder «heute»-Sendungen dennoch erfahren, was auf dem Kontinent los ist, wer Präsident Mubarak ist und warum sein Volk plötzlich so sauer auf ihn ist. Als die Lage auch für Journalisten immer gefährlicher wurde und eine ausführliche Berichterstattung mit vernünftigen Live-Bilder fast unmöglich wurde, da verzichteten ARD und ZDF sogar auf Archiv-Bilder – stattdessen gab es «Rosen Rosen» und eine ganz moderne Kochshow, während zum Beispiel der Nachrichtensender n-tv sich der Bilder von den Kollegen von BBC und CNN bediente und mit Antonia Rados sogar eine RTL-Reporterin vor Ort hatte, die am Nachmittag auch die kurzen RTL-News versorgte. Für die am Thema interessierten Deutschen, die unter Umständen vielleicht sogar Freunde, Bekannte oder Familie in Ägypten haben, gab es gar keine Alternative, um sich über das aktuelle Geschehen in Nordafrika zu informieren: Nur ein deutschsprachiger Nachrichtensender und zwei internationale TV-Stationen zeigten die Bilder aus Ägypten, als die Lage eskalierte. Einige wohl zeitgeschichtlich relevante Momente an einem Nachmittag in Ägypten – und die großen TV-Sender in Deutschland waren nicht dabei.
Denn ARD und ZDF sind ja Vollprogramme, keine Nachrichtenkanäle, mag jetzt als Einwand kommen. Aber was ist mit der Informationspflicht der ARD- und ZDF-Journalisten? Okay, berichtet haben sie ja dann doch noch. Plötzlich konnten der Vorabend und die Primetime verändert und umgestaltet werden. Es gab - überspitzt gesagt - plötzlich Sondersendungen, Brennpunkte, gesonderte Brennpunkte und nicht zuletzt noch Extra-Sonder-Brennpunkte zum Thema. Am Ende kam man der journalistischen Aufgabe noch nach - wenn auch mit später Einsicht. Da störte es nicht einmal, dass man als Vollprogramm am späten Abend noch Talk-Shows senden wollte, die sich aufgrund von Dokumentationen verschoben. Da störte es nicht, dass die SOKOs etwas später ermitteln mussten. Auch an den Tagen nach der großen Kehrwende in Ägypten, als die Proteste gewalttätiger wurden und das Chaos in der Hauptstadt ausbrach, hatte man nun die Zeichen der Zeit erkannt und berichtete fast rund um die Uhr in den «Tagesschau»-, «Tagesthemen»- und «heute»- sowie «heute-journal»-Sendungen. Beinahe jede Stunde konnte man bei ARD und ZDF etwas über Ägypten erfahren. Letztlich bekam der Zuschauer also doch noch etwas für seine Gebühren geboten. Aber vielleicht wollten die Menschen das alles ja auch gar nicht sehen? Vielleicht hatten die ARD- und ZDF-Verantwortlichen auch alles richtig gemacht? Zugegeben, dass ich nicht die ganze Rede von Mubarak zu sehen bekam, - diesem Umstand weine ich auch keine Krokodilsträne nach. Aber dass noch Unmengen an Wasser den Nil hinunter fließen konnten, ehe ich überhaupt erste Bilder – oder gar Töne – von seiner nicht unbedeutenden Rede zu sehen oder zu hören bekam, ließ mich dann doch stutzig werden, denn immerhin hatten ausländische Sender genügend Material zusammengestellt, während man in Deutschland nur zuschaute. Und immerhin waren die Worte Mubaraks der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Weil ARD und ZDF hier schon falsche Prioritäten setzten, wurden sie am darauffolgenden Nachmittag auf dem falschen Fuß erwischt. Das ist auch dem Zuschauer nicht entgangen, der sich lieber direkt bei den Nachrichtenkanälen wie n-tv oder N24 informierte.
Doch zahlt er nicht auch für die Vollprogramme, die bei dramatischen, zeitgeschichtlichen Ereignissen ihr Alltagsprogramm unterbrechen und brandaktuell in einem «Brennpunkt» & Co. berichten? Will der gebührenzahlende Zuschauer nicht auch hier für sein Geld in den vordersten Reihen sitzen? Im Fall der Entwicklungen in Ägyptens Hauptstadt saß er weder in der ersten noch in der zweiten Reihe. Dass es in den folgenden Tagen nicht noch die letzte Reihe wurde, dafür sorgten die späten Erkenntnisse der ARD- und ZDF-Verantwortlichen, dass sie in diesem Punkt vielleicht doch etwas versäumt hatten – trotz Vollprogramm- Status. Denn die «Roten Rosen» hätten sicher auch an anderen Tagen regnen können – und das nachmittägliche Kochstudio hätte sicher auch in der nächsten Woche noch Leckereien gezaubert. Nur die Unruhen in Ägypten wollten eben nicht bis zur «Tagesschau» um Acht oder dem «heute-journal» um Viertel vor Zehn warten. Verdammt Axt! Nächstes Mal richten sich die Revolutionen in fernen Ländern gefälligst bitte nach dem Sendeplan der Öffentlich-Rechtlichen – immerhin kriegen das königliche Hochzeiten und Gesangswettbewerbe in Europa auch hin. Und da sind die „Öffis“ dann auch von Beginn an live dabei. Solange alles nach Plan läuft. Manche Mühlen mahlen eben langsamer.
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf – jeden Dienstag! Nur bei Quotenmeter.de!