Die offiziellen Besucherzahlen des Kinojahres 2010 sind endlich da. Unser Kolumnist kommentiert das Trauerspiel.
Vergangene Woche wurden die offiziellen Jahreszahlen der Filmförderungsanstalt veröffentlicht. Und wie schon längst befürchtet wurde, musste die hiesige Kinobranche 2010 ein gewaltiges Minus verkraften. Der deutsche Kinomarkt spricht von einer erneuten Krise, der Besucherrückgang betrug 2010 erschreckende 13,5 %. Oder in reellen Zahlen: Letztes Jahr gingen fast 20 Millionen weniger Leute ins Kino, als noch 2009. Dass diese 126,6 Millionen Kinobesuche einen Umsatz von 920,4 Millionen Euro generierten, macht einen dann allerdings stutzig. In Euro gerechnet, lag 2010 nämlich bloß 5,7% unter dem Vorjahr.
Wie das möglich ist? Recht einfach: Der enorme Besucherrückgang wurde von gestiegenen Eintrittspreisen abgefedert. In Zeiten des sich immer breiter machenden 3D-Kinos stieg 2010 der durchschnittliche Preis eines Kinotickets um erschreckende 9%. 7,27 Euro muss man für eine Durchschnittskarte mittlerweile blechen, und gerade Familien sehen sich dadurch gezwungen, ihre 3D-Kinobesuche doppelt und dreifach zu überdenken.
Der womöglich größte Ausrutscher des Kinomarkts 2010 war das Ausbleiben des deutschen Films. Die für deutsche Produktionen getätigten Kinobesuche halbierten sich beinahe, sanken von 39,9 Millionen im Vorjahr auf nur noch 20,9 Millionen. Wenn man es so betrachten will, machte der weg gebrochene Markt für den deutschen Film schon ganz allein das Besucherminus 2010 aus. Der erfolgreichste deutsche Film, «Friendship!», lockte gerade einmal 1,6 Millionen Neugierige an. Erhoffte Hits wie «Otto‘s Eleven» und «Goethe!» scheiterten bereits an der Millionen-Marke. Zum Glück hat Til Schweigers «Kokowääh» mit ca. 1,8 Millionen Besuchern bereits jetzt die Statistik für 2011 ausgebessert.
Wie sollte man auf die FFA-Zahlen reagieren? Zunächst einmal, immer schön an einen gewissen Reiseführer für die Galaxis denken: Keine Panik. 2010 war das schlechteste Kinojahr seit 2007. Das zeigt schon mal, dass der heutige Kinomarkt stets das Potential hat, sich wieder aufzurappeln. Allerdings war 2010 das drittschlechteste Jahr seit dem wirklich miesen Jahrgang 1992. Ausruhen darf man sich also genauso wenig. Eine attraktive Imagekampagne für das Kino sollte angedacht werden, was von den Kinobetreibern natürlich unterstützt werden sollte. Statt einer halben Stunde Werbung inklusive anschließender Trailer muss der werbehassende Kinobesucher bei Laune gehalten werden.
Seitens der Verleiher ist hingegen Mut gefragt. 2010 wäre ohne Fußball-WM sicherlich besser verlaufen. Da man den regelmäßigen Fußballtrubel aber nicht abschaffen kann, muss man sich wieder trauen, gegen ihn anzusteuern. Letztes Jahr stellte sich der Kinobetrieb tot, während das runde Leder über den Rasen schoss. Das kann ja nicht Sinn der Übung sein. Nicht jeder potentielle Kinogänger sieht sich jedes einzelne Spiel an. Das Kino muss eine Alternative bieten. Dass man seine US-Megablockbuster nicht verschießen will, ist ja verständlich. Aber die WM-Zeit wäre doch ideal für prestigeträchtigere, attraktive Filme aus der zweiten Reihe. Oder für Wiederaufführungen großer Klassiker. Die werden nicht unbedingt für ein ausverkauftes Haus sorgen, aber wenn «Spiel mir das Lied vom Tod» für 100.000 Fußballabtrünnige in den Kinos sorgt, dann hat er wenigstens für 100.000 zusätzliche Besucher gesorgt. Gegen Fußball brauchen die Kinos jeden Besucher, die sie kriegen können.
2011 fing mit «Black Swan» und «Kokowääh» bereits ganz gut an. Der Männerfußball veranstaltet dieses Jahr auch keinen großen Zirkus, die Fortsetzungen des Jahres sind viel versprechender, als jene von 2010. Vielleicht regelt sich die vermeintliche Kinokrise wieder von selbst. Schön wär’s, nur hoffen wir, dass die Stolpersteine auf dem deutschen Kinomarkt deswegen nicht einfach vergessen werden.