Thomas Gottschalk verabschiedet sich von «Wetten, dass..?» - und die Medienbranche versinkt im Selbst(M)itleid.
Ein Sturm ungläubigen Erstauens fegte in der vergangenen Woche durch die Wohnzimmer gutbürgerlicher Feuilletons und abgehobener Boulevardmedien, sich gegenseitig mit nachrufähnlichen Lobliedern auf einen der zur Zeit vielleicht größten deutschen Entertainer übertreffend: Thomas Gottschalk, der 24 Jahre lang «Wetten, dass..?» moderierte, wird nach dem Sommerspecial aus Mallorca aufhören und die Show an einen noch nicht näher bekannten Nachfolger abgeben. Schon früh übte er sich im Mediengeschäft: Während seines Lehramtsstudiums der Geschichte und Germanistik arbeitete Gottschalk als freier Mitarbeiter beim Bayrischen Rundfunk; später holte ihn Frank Elstner zum deutschen Rundfunkprogramm von Radio Luxemburg, wo er eine gemeinsame Sendung mit Günther Jauch moderierte. Im Fernsehen wurde Gottschalk mit der Show «Na sowas!» bekannt, für die er die «Goldene Kamera» erhielt. Nebenbei moderierte und kommentierte er Events wie den Eurovision Song Contest. Im Privatfernsehen machte er drei Jahre lang mit seiner «Gottschalk Late Night» bei RTL von sich reden, die Ursprung für heutige Late Night-Formate in Deutschland war. Neben zahlreichen Auftritten in Spielfilmen war der Moderator und Enterainer später ausschließlich im ZDF zu sehen, wo er neben «Wetten, dass..?» vor allem in großen Shows wie Jahresrückblicken oder Spendensendungen zu sehen ist.
Mit seinem Abschied von «Wetten, dass..?» hatten viele nach dem Unfall von Samuel Koch im vergangenen Jahr gerechnet. Wahrscheinlich hätte es für Gottschalk auch gar keinen besseren Zeitpunkt gegeben, das einstige Flaggschiff öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung als aufrichtiger Kapitän zu verlassen, bevor er mit ihm auf lange Sicht in den Fluten der Belanglosigkeit untergegangen wäre. Das wissen auch seine Kritiker – und sind nur deshalb betroffen, weil der majestätische Abgang Gottschalks keinen Anlass gibt, nachzutreten. Die Quote, die Gäste, die Wetten, ein aufgedeckter Lapsus hier, ein Skandälchen dort, gepaart mit einem Absatz über die doch so unkonventionelle Garderobe des Moderators – das alles konnten seine Kritiker Gottschalk nach jeder Ausgabe von «Wetten, dass..?» fein gebündelt und mit einer gehörigen Prise Häme übersät an den Kopf werfen. Was sie fürchten ist nicht der Untergang der öffentlich-rechtlichen Fernsehunterhaltung oder gar das berufliche Ende Gottschalks – was sie fürchten, ist der Exitus ihrer Relevanz, wenn das ZDF kein allumfassendes Samstagabendkonzept mit markantem Obmann mehr anbietet. Der einzige Sieger dieser heuchlerischen Medienshow, die vor allem sich selbst bemitleidet, ist dabei Thomas Gottschalk. «Im Gegensatz zu Peter Alexander konnte ich die Nachrufe auf mich selbst lesen», feixte er bei «Maybritt Illner» - und darf sich seines Platzes in der Fernsehgeschichte noch zu Lebzeiten sicher sein.