Manuel Weis, Chefredakteur Quotenmeter.de
„Taken by a stranger“ ist also der Song, mit dem Lena Meyer-Landrut die Mission “Titelverteidigung” bestreiten soll. Allein die Tatsache, dass sich nicht wie erwartet halb Deutschland darüber unterhält, ob der gewählte Song nun gut oder doch nicht so gut ist, zeigt, dass alles andere als ein Grand Prix-Fieber ausgebrochen ist. Zuschauerzahlen und Reaktionen auf das Finale zeigen, dass das Interesse deutlich geringer als 2010 ist. Und wenn das schon in Deutschland der Fall ist, wieso soll sich das dann im Ausland anders verhalten? „Taken by a stranger“ ist ein guter, interessanter Song und wohl der beste, der zur Auswahl stand. Vermutlich ist er aber nicht ungewöhnlich genug. Die Titelverteidigung wird man jedenfalls damit nicht erreichen, ein Platz unter den Top 10 aber wohl schon. Und das hätte man bis zum Mai vergangenen Jahres ja noch als Erfolg gefeiert.
Sidney Schering, Kolumnist
Stefan Raab bezeichnete „Taken By a Stranger“ während des Finales von «Unser Song für Deutschland» als moderne Version von 'Peter und der Wolf'. Wie der letztjährige Eurovision-Revolutionär und diesjährige Teilverantwortliche für einen sterbenslangweiligen Vorentscheid auf diese Idee kommt, bleibt mir unerklärlich. Das minimalistische Ambient-Stück klingt viel eher nach einer modernisierten Vertonung eines Film noir. Mit seiner kühlen Elektroatmosphäre und bewusst schrägen Klängen stach 'Taken By a Stranger' erfreulich aus dem ermüdenden Einheitsbrei von «Unser Song für Deutschland» heraus. Und genau deswegen fällt eine objektive Beurteilung ungeheuerlich schwer: Ist er seit dem ersten Halbfinale nur deswegen der Publikumsfavorit, weil er uns eine Pause von dem ganzen „Lalalala Aaahhhaaa Lala“ des Vorentscheids gönnte? Oder ist „Taken By a Stranger“ wirklich so hervorragend? Nun, auf jeden Fall ist es ein auffälliges Lied, dem es gelingt, Lenas distinktiven Stil zu nehmen, der Sängerin treu zu bleiben, und dennoch zu neuen Horizonten aufzubrechen. Das schaffte kein anderes der Lieder, die zur Wahl standen. Ein Glücksfall für den Songwettbewerb: Bricht Lena zu sehr aus ihrem Schema aus, geht sie mangels Authentizität (und Qualität) unter. Wiederholt sie „Satellite“ 1:1, verliert sie sich unter den ganzen Lena-Klonen, die in Düsseldorf auftreten werden. Ein erneuter Sieg wird’s bestimmt nicht, dafür ist „Taken By a Stranger“ nicht eingängig oder emotional genug. Aber wenn man sich traut, eine einfallsreiche und ansehnliche Bühnenshow auszutüfteln (was Raabs Schützlinge ja bislang vermieden), könnte eventuell sogar ein denkwürdiger Auftritt drin sein. Mehr, als man angesichts «Unser Song für Deutschland» erwarten dürfte.
Jan Schlüter, Redakteur Quotenmeter.de
„Taken By A Stranger“ hat sich schon in der allerersten Show als Favorit herauskristallisiert und wurde letztlich wohl mit Abstand zum deutschen Song für den Grand Prix gewählt. Und tatsächlich vermittelt das Lied schon beim ersten Hören eine irrational anmutende Faszination – nicht viele Musikstücke schaffen es, sich sofort beim Rezipienten ins Ohr zu spielen. Dabei erinnert „Taken By A Stranger“ an die verrucht-boshaftige Atmosphäre eines „Smooth Criminal“ von Michael Jackson, bleibt aber von den Beats und den Lyrics mit ihrer Aussage unvergleichbar damit. Auch mit „Satellite“ hat Lenas neuer «ESC»-Song nichts mehr zu tun. Er ist eine langsame, einprägsame und musikalisch relativ zurückhaltende Nummer, die sich dadurch auszeichnen wird, dass sie kein gewöhnlicher Popsong ist. Lediglich der Wohlfühl-Charakter fehlt, den Lena eigentlich vermitteln soll. Ob auch das europäische Publikum großen Gefallen am Song finden wird, lässt sich wie immer nur blind raten; sehr gute Chancen auf eine Top-Ten-Platzierung dürfte man aber sicherlich haben.
Timo Niemeier, Redakteur Quotenmeter.de
Mit „Taken by a Stranger“ hat sich das deutsche Publikum einen ziemlich außergewöhnlichen Titel für den «Eurovision Song Contest» im eigenen Land ausgesucht. Dies wurde schon in der finalen Auswahlsendung am Freitag im Ersten festgestellt. Dennoch sollte kein Gedanke an ein schlechtes Abschneiden verschwendet werden. Denn schon im vergangenen Jahr gab es bei „Satellite“ zunächst etliche Unkenrufe. Wirklich eingängig war auch dieses Lied nach dem ersten Mal hören nicht – dennoch hat Lena es geschafft. Dieses Jahr steht aber nicht das Abschneiden der 19-Jährigen im Vordergrund, sondern das ganze Spektakel des «Eurovision Song Contests», der zum ersten Mal seit knapp 30 Jahren wieder in Deutschland veranstaltet wird. Senderverantwortliche, Zuschauer und Fans tun gut daran, das Ereignis an sich zu genießen und keine zu hohen Erwartungen an Lena zu stellen. Alles was sie in diesem Jahr erreicht, kann nur ein Bonus zu Oslo sein. Sollte es ihr wieder gelingen, das Publikum mit ihrer einzigartigen Art und Weise auf ihre Seite zu ziehen, ist schon viel gewonnen. Und wer weiß, vielleicht gelingt ihr ja doch der ganz große Coup. Durch einem Song, der vermutlich erneut aus dem Teilnehmerfeld herausstechen wird, kann Lena auch in diesem Jahr wieder mit viel Aufmerksamkeit rechnen. Oder wie Stefan Raab sagen würde: „Vom ersten bis zum letzten Platz ist für uns alles drin.“
Glenn Riedmeier, Kolumnist
Deutschland hat gewählt! Lena Meyer-Landrut verteidigt nun wenig überraschend ihren Titel mit dem Song "Taken by a Stranger". Die Songcontest-Vorauswahl hat in den vergangenen Wochen für viel Kritik und Unmut in der Presse gesorgt. Die ganze Show sei lediglich eine Promo-Veranstaltung für Lenas neues Album, und ohnehin gehe einem die Hannoveranerin mittlerweile nur noch auf die Nerven. Nun ja, die Quoten von «Unser Song für Deutschland» waren wirklich nicht sensationell, dennoch stieg Lenas zweites Album auf Anhieb auf Platz 1 der deutschen Charts ein. Insofern gibt es anscheinend dennoch genügend Menschen, die Lena nach wie vor gut leiden können und ihr für den 14. Mai die Daumen drücken. So wie Lena vor einem Jahr schon ziemlich früh als Siegerin von «Unser Star für Oslo» feststand, so vorhersehbar war in diesem Jahr der Gewinnertitel "Taken by a Stranger". Und tatsächlich hat der Song das gewisse Etwas. Er klingt ungewohnt, mysteriös, gleichzeitig mitreißend und wird vor allem aus dem Song Contest-Einerlei hervorstechen. Eine Platzierung innerhalb der Top 10 der Endausscheidung halte ich für sehr wahrscheinlich, wobei es selbstverständlich auch darauf ankommt, wie im Rest von Europa der erneute Antritt von Lena aufgefasst wird. Sollte das Unerwartete wirklich eintreten und Lena zum zweiten Mal den Sieg für Deutschland nach Hause holen, könnte man die Kritiker endgültig mundtot machen und Stefan Raab zum Kaiser krönen.