Die Kritiker

«Tatort: Leben gegen Leben»

von

Story


Das Hamburger LKA verfolgt seit geraumer Zeit die Spuren einer Organhändlerbande. Der versierte verdeckte Ermittler Cenk Batu wurde als Fahrer in die Organisation eingeschleust, hat aber bisher nur einfache Botengänge absolviert und keine Hintermänner identifizieren können. Da er die ihm übertragenen Aufgaben gewissenhaft ausführt, bekommt er den Auftrag, ein Mädchen aus einem Versteck abzuholen. Die 14-jährige Amelie kann während der Fahrt allerdings fliehen und Batu steht vor einem schweren Gewissenskonflikt: Er muss sich zwischen dem Leben des Mädchens und seinem Auftrag entscheiden, denn Batus Vorgesetzter Uwe Kohnau will die lange und teure Operation auf keinen Fall beenden, um Amelie zu schützen. Die Organhändler üben zusätzlichen Druck aus, weil reiche Kunden bereits auf bestimmte Organe warten.

Darsteller


Mehmet Kurtulus («Gegen die Wand», «Nackt») ist Cenk Batu
Peter Jordan (Theaterschauspieler) ist Uwe Kohnau
Michelle Barthel («Der zehnte Sommer», «Keine Angst») ist Amelie Helmann
Stephan Bissmeier («Verschwende deine Jugend», «Liebe am Fjord») ist Robert Feldmann
Godehard Giese («1. Mai», «2012») ist Martin Tremmel
Bibiana Beglau («Die Stille nach dem Schuss», «Unter dem Eis») ist Sarahs Mutter
Arnd Klawitter («Nach Fünf im Wald», «Die Sturmflut») ist Sarahs Vater
Rosa Lenz («Die Kinder von Blankenese», «Inga Lindström») ist Sarah

Kritik


Der überarbeitete Hamburger «Tatort» mit Cenk Batu als verdecktem Ermittler gehört seit nunmehr einem Jahr zu einer der innovativsten Neuerungen im Kommissarenrepertoire des beliebten Sonntagabendformats. In Verbindung mit dem Credo, auch unpopulären und schwierigen Themen eine Plattform zumindest in Spielfilmen zu geben, ist auch der aktuelle Fall des äußerst wandelbaren LKA-Mannes Batu ein gelungenes Feuerwerk aus brisanter Thematik, tollem Schauspiel und der wichtigen sowie eh wenig thematisiertem Problematik des kriminellen Organhandels, der auch in Europa ein zunehmendes Problem darstellt.

Ganz ohne Stereotypen und ganz ohne Gut-Böse-Schemata zeichnet der Krimi ein trauriges Bild einer Gesellschaft, in der wohlhabende Kunden jedwede Sittlichkeit für ein Leben verkaufen – weil sie es sich leisten können. Doch Cenk Batu ist nicht nur den verzweifelten Kunden auf der Spur, die illegal Organe kaufen, sondern vor allem auch der skrupellosen Händlerbande, die in mafiaähnlichen Strukturen arbeitet, Kinder aus Deutschland und Osteuropa verschleppt und in mobilen Operationssälen Leben verkauft. Subtil aggressiv ist dabei das Schauspiel der Drahtzieher, die Batu erst kameradschaftlich in ihre Kreise aufgenommen haben, bei den ersten Anzeichen des Misstrauens allerdings deutlich machen, dass er entweder für oder gegen sie arbeitet – der letztere Fall würde den Tod bedeuten.

Großartig ist auch das Spiel von Michelle Barthel, die mit Bravour die Rolle der entlaufenen Amelie verkörpert, deren Organe an die reichen Eltern der kranken Altersgenossin Sarah verkauft wurden und die bereits auf die Operation warten. Frustrierend ist die Gleichgültigkeit von Amelies Vater, dem das Schicksal seiner Tochter egal ist; beunruhigend die Erkenntnis, dass die Organkunden keineswegs moralisch verkommene Snobs sind, sondern besorgte Eltern wie Tausende andere auch; nachdenklich macht der Umstand, wie mit Moral jongliert und gespielt wird, um das eigene Handeln zu rechtfertigen. Cenk Batu, im neusten Fall mit Schnurrbart, Goldkette und 80er-Jahre-Chick vertreten, wird von Mehmet Kurtulus mit einer Brillanz gespielt, die der Vehemenz des Themas angemessen ist und die psychische und physische Grenzsituation des Ermittlers deutlich visualisiert.

Erneut hat es Mehmet Kurtulus hierbei geschafft, seine Figur in einen anderen Kontext zu stellen, sie charakterlich weiterzuentwickeln und den immer präsenten Konflikt zwischen Moral, Recht und Auftrag sowie die Annäherung an Amelie in einer wahrlich unkitschigen, dennoch rührenden Art abzubilden. Routiniert, aber hochspannend inszenierte Regisseur und Drehbuchautor Nils Willbrandt dann auch «Leben gegen Leben», der wie die anderen Hamburger «Tatort»-Fälle mit aufwendigen Szenen in abgewrackten Bauernhäusern, auf einsamen Landstraßen, in herrschaftlichen Villen und in der verkommenen Ermittlerwohnung daherkommt. Ohne Spitzfindigkeiten, dramatische Ende oder reißerische Vergeltungsschläge wurde einer der spannendsten «Tatort»-Fälle der letzten Monate inszeniert, der auch außerhalb seines lockeren Serienrahmens mehr als bestehen kann und jeden Krimi- und Thrillerfan beglückt.

Das Erste zeigt «Tatort – Leben gegen Leben» am Sonntag, den 27. Februar 2011 , um 20:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/47990
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