83rd OSCAR ®

Oscar-Kommentar: Das kommt mir bekannt vor...

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Die Gewinner stehen fest, die Oscar-Nacht ist gelaufen. Was überraschte, was enttäuschte? Ein Fazit über die Show und die frisch gebackenen Oscar-Preisträger.

„The same procedure as last year?“ –„The same procedure as (almost) every year!“

Kann man mittels des Silvester-Klassikers «Dinner for One» die 83. Verleihung der Academy Awards beschreiben? Die Antwort liegt in diesem Falle nicht im Auge des Betrachters, sondern in dessen Vorbereitung. Griff man bei seiner Oscar-Prognose auf die Auszeichnungen der verschiedenen Filmcrew-Gewerkschaften zurück, so war es dieses Jahr sehr vorhersagbar. Sehr zum Ärger aller, die in ihrem kleinen Wettspiel auf Überraschungen setzten. Und dennoch waren die diesjährigen Oscars, auf dem Papier, durchaus erstaunlich. «The King‘s Speech» gewann vier Oscars, namentlich die Trophäen für den besten Hauptdarsteller, das beste Original-Drehbuch, die beste Regie sowie den besten Film. Damit lag er allerdings gleichauf mit «Inception» – der in den Technikkategorien abräumte sowie für sein Original-Drehbuch nominiert wurde. In den Augen der Academy also ein technischer Meilenstein mit einer guten, klugen Story. Und dennoch keiner Regie-Nominierung wert. Durchaus ungewöhnlich. Nur nicht spektakulär genug, um für Schlagzeilen zu sorgen.

Der einstige Favorit, David Finchers «The Social Network» über die Gründung des Webportals Facebook, ging immerhin mit drei Statuetten nach Hause. Neben die vier Golden Globes für Musik, Drehbuch, Regie und den besten Film gesellen sich Oscars für den besten Schnitt, die beste Musik und das beste adaptierte Drehbuch. In der Oscar-Statistik folgen außerdem der von der Kritik eher verachtete «Alice in Wunderland» (für die besten Kostüme sowie das beste Szenenbild), «Toy Story 3» (bester Song und bester Animationsfilm) und, mit beiden Nebendarstellerpreisen in der Tasche, «The Fighter», ein biographisches Drama über den Lieblingssport der Academy, das Boxen.

Somit führte sich während der großen Preisverleihung die Schizophrenie fort, die man bereits http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=47300&p3=]bei Betrachtung der Nominierungen bemerken konnte. Einerseits gewann, wie so oft, der große Favorit einen Löwenanteil der wichtigsten Preise. Und dieser Favorit passt in den Kram jener, die gerne über die Academy und ihren archetypischen Geschmack lästern: Es gewann ein dramatischer, doch nicht finster gezeichneter, Historienfilm mit einer inspirierenden Moral und starkem Fokus auf die Schauspielerei. Außerdem war Harvey Weinstein am Film beteiligt, der Oscar-Promoter vor dem Herren. «The King‘s Speech» war nicht der mutigste, innovativste oder wegweisendste Film des Kinojahres. Nicht einmal unter den Nominierten. Anders als bei «Shakespeare in Love», dessen Sieg gegenüber «Der Soldat James Ryan» einer der Running Gags unter Oscar-Fans geworden ist, ist «The King‘s Speech» dennoch ein Gewinner, mit dem die meisten leben können. Es ist ein rundum gelungener, in sich nahezu makelloser, einfühlsamer und positiv unaufgeregter Film. Bloß halt keine cineastische Pionierleistung, egal in welcher Hinsicht.

Damit kommt die Schizophrenie dieses Oscar-Jahres stärker ins Spiel: Christopher Nolans «Inception» erhielt gleich viele Goldjungen, wie der (laut der Academy) beste Film des Jahres. Und einen mehr als vergangenes Jahr noch «Avatar». Hype-Backlash im Internet hin oder her, die kostspielige und mit intellektuellen Themen kokettierende Produktion «Inception» ist im von Fortsetzungen, Comicverfilmungen und Remakes dominierten Hollywood eine wagemutige Ausnahmeerscheinung. Ihre Publikumsresonanz und all ihr Kritikerlob bewiesen, dass diese beide Seiten der Filmrezeption weiterhin zu vereinen sind. Oscar-typisch, könnten Zyniker sagen, blieben ihr die ruhmreichsten Preise versagt. Zu viel Action, zu verschachtelt in ihrer Thematik, zu sehr Genrekino. Dennoch erhielt «Inception», um es nochmals zu betonen, immerhin vier Oscars, darunter auch für die beste Kamera.

Somit ist Christopher Nolans Stamm-Kameramann Wally Pfister (Bild) erfolgreicher, als der berühmte Regisseur. Und er übertrumpfte mit seinen hypnotischen, gleichermaßen intimen wie bombastischen Bildern die zurückhaltende Kamera in «The King‘s Speech» sowie die lebende Legende Roger Deakins (nominiert für «True Grit»). Die Sound- und Effekt-Oscars für «Inception» sind vielleicht stereotype Entscheidungen, doch der Kamera-Oscar ist ein kleiner Pionierschritt. Ebenso wie der Preis für das Szenenbild von «Alice im Wunderland», denn der Hauptanteil der Sets in Tim Burtons Milliardenerfolg entstand am Computer. Dass vergangenes Jahr bereits «Avatar» einen Academy Award in dieser Kategorie gewann, konnte man als Entlohnung für seine technischen Neuentwicklungen abtun. Als Knochen, der dem erfolgreichsten Film aller Zeiten zugeworfen wird. Oder als Teil des Paktes zwischen James Cameron und dem Teufel (wie sonst kann man die zwei erfolgreichsten Filme aller Zeiten machen?).

Dass «Alice im Wunderland» es Camerons Megaproduktion gleichtut, beweist, dass digitale Weltenbildung endgültig von der Academy akzeptiert wird. Sofern die Hauptdarsteller weiterhin real sind. Bis ein komplett computeranimierter Film diesen Oscar gewinnt, wird’s sicher noch etwas dauern… Ein weiterer untypischer Zug der diesjährigen Oscars: «The Social Network» gewann für den besten Schnitt. Somit erlebte die Filmwelt dieses Jahr die absolute Ausnahmesituation, das weder der „Bester Film“-Gewinner, noch ein innovativer Actionfilm ausgezeichnet wurden. Gleichzeitig war es wieder vorhersehbar, und somit typisch: Finchers Film erhielt zuvor den Gewerkschaftspreis der Filmcutter. Nahezu immer decken sich die Gewinner beider Auszeichnungen. Und «The Social Network» sorgte noch für eine weitere ambivalente Oscar-Entscheidung: Trent Reznors und Atticus Ross’ Filmmusik für das Facebook-Drama war progressiv, experimentell und die (kunstvoll) unharmonischste Wahl, die die Academy hätte treffen können. War sie somit überraschend? Nein, nicht wirklich. Das wäre ein Sieg von Daft Punk für «Tron: Legacy» gewesen, bloß wurden sie nicht nominiert. Auch John Powells «Drachenzähmen leicht gemacht» hätte überrascht, Ross & Atticus hingegen hatten zuviel Hype, um zu schocken.

Die Darstellerkategorien waren wiederum ein Ebenbild der Screen Actors Guild Awards. Und somit gleichermaßen langweilig, wie besonders. Denn ja, Natalie Portmanns Oscar konnte man schon vergangenes Jahr erahnen. Aber es bleibt nicht nur ein verdienter Sieg, sondern auch eine Auszeichnung für die Hauptrolle in einem Genremix aus Psychodrama, Horror und Thriller. Nicht unbedingt Großvaters Oscarfilm Nummero Uno.

Trotz allem: Mögen die diesjährigen Gewinner der Academy Awards, auf dem Papier, hie und da ein wenig überraschen, so waren die Oscars 2011, live betrachtet, steif und unspektakulär. Wie nahezu jede Preisverleihung, nur mit einer größeren Fallhöhe. Die Hauptschuld daran dürfte dem Rahmen des großen Abends zukommen. Die Oscarnacht sollte dieses Jahr ein übergreifendes Thema verliehen bekommen. Ein erstaunliches digitales Set, so wurde versprochen, sollte die Zuschauer auf eine Reise durch die Geschichte des Films begleiten. Wer die Pressemitteilung nicht las, wird davon nichts bemerkt haben. Der rote Faden blieb der bloße Gedanke an einen solchen. Kopflos wurden vor einigen Kategorien kurze Clips aus vergangenen Oscar-Gewinnerfilmen im Hintergrund der Showbühne gezeigt, begleitet von knappen Filmmusik-Medleys. Es bestand Potential, dadurch eine Dramaturgie zu erstellen, den Zuschauern die Relevanz vermeintlicher Randkategorien zu erläutern. Aber nach Tom Hanks' Laudatio für das beste Szenenbild und die beste Kamera (die darauf einging, wie dieses Handwerk das Gesicht eines cineastischen Meilensteins prägen kann), ging diese Idee vollkommen unter. Für's Protokoll: Hanks war der erste Laudator der Show.

Die Moderatoren James Franco und Anne Hathaway waren erschreckend blass, und wenn sie kurz in den Vordergrund rückten, entstanden Momente, die die seit Jahren nachlassenden MTV Movie Awards wieder nach vorne katapultiert hätten. Für die Academy Awards war Hathaways inoffizielle Fortsetzung ihres Duetts mit dem früheren Oscar-Moderator Hugh Jackman zu krampfhaft auf jugendlich getrimmt. Ebenso wie die einfallsreiche, doch viel zu ausgedehnte «Inception»-Parodie zu Beginn der Show. Highlight blieb deswegen Kirk Douglas, der sich schlichtweg weigerte, nach seiner Laudatio einfach die beste Nebendarstellerin zu verkünden. Stattdessen lieferte er immer mehr Gags nach. Gags in dem Stil, wie sie der Moderation gut getan hätten: Improvisierte, pointierte Reaktionen auf die anwesenden Stars.

Durch die uninspiriert abgespulte Show gingen die zuweilen durchaus bemerkenswerten Entscheidungen der Academy vollkommen unter. Und dies ist ein tragischer Fehler für die seit Jahren um Zuschauer kämpfenden Oscars. Wenn man schon als Filmfan, der sich den manchmal dezenten Kuriositäten der diesjährigen Trophäenübergabe bewusst ist, die große Oscarnacht unkommentiert mitnimmt, wie soll da der Gelegenheitszuschauer reagieren? Was beim Filmfan eine wohlwollende Gleichgültigkeit auslöst, wird für die meisten eher in Langeweile umkippen.

Kurzum: Nachvollziehbare Oscar-Siege, vermasselte Show. Und irgendwie möchte man meinen, dass es schon letztes Jahr so war. Oder sogar fast jedes Jahr?

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