360 Grad

Amerika, du hast es besser!

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Der Ruf von US-Serien hat sich gewandelt: Vom Kitsch zur Qualität. Julian Miller analysiert die Auswirkungen, die auch das deutsche Fernsehen betreffen.

«Dallas», «Dynasty», «Knight Rider» und «Melrose Place». Das waren noch Mitte der 90er Jahre einige der markantesten Dramaserien, mit denen man das amerikanische Fernsehen assoziierte – zumindest in Deutschland. Seichte und an den Haaren herbeigezogene Plots, maßlos überzeichnete Charaktere, kitschige Scores und ein triefender Pathos waren die Norm und gehörten in der amerikanischen TV-Kultur gewissermaßen zum guten Ton.

Ungefähr ein Jahrzehnt später hatte sich das Blatt gewendet. Heute überzeugen Serien aus den Vereinigten Staaten durch qualitativ hochwertige Drehbücher, hervorragende szenische Umsetzungen und insbesondere durch neue, kuriose Ideen. «Lost», «Mad Men» und «The Sopranos» sind hier nur einige Namen. Auch 3sat erkannte mittlerweile diese Trendwende und nahm das innovative «In Treatment» in sein Programm auf – mit Erfolg, denn die Einschaltquoten sind in der zweiten Staffel nun rundum zufriedenstellend.

Glaubt man Christoph Waltz, so werden in Amerika Filme wie Kunst gemacht und wie Ware verkauft, während es sich in Deutschland genau andersrum verhält. Natürlich ist das eine sehr verallgemeinerte Aussage, doch ihre Quintessenz stimmt wohl und lässt sich auch auf das Fernsehen übertragen. Denn hierzulande begnügen sich Autoren und Produzenten zum größten Teil mit dem Bedienen von Zielgruppen, der Maßschneiderung von Konzepten für ein Publikum, das entweder Hansi Hinterseer oder Taylor Swift ganz toll findet. Auf dieses Niveau schreibt man sich dann herunter. Die Arbeitsbedingungen für widerwillige Autoren lassen sich dann nicht selten mit „Fresse halten und schreiben“ umreißen. Dem Rest des Publikums, das sich durch diese minderwertige Qualität nicht angesprochen fühlen kann, wird mit wenigen Ausnahmen einfach ins Gesicht gespuckt. Es lässt sich darüber streiten, ob finanzielle Interessen oder schlicht und ergreifend eine massive Inkompetenz nahezu aller Beteiligten für dieses Bild verantwortlich sind; traurig ist es auf jeden Fall.

Natürlich finden sich auch im US-Fernsehen vollkommen bodenlose Produktionen. Doch die Anzahl der Perlen, denen man dort beim Zappen begegnet, ist beeindruckend und um ein Vielfaches höher als das, was man in der deutschen TV-Landschaft zu sehen bekommt. Zwar wird auf der anderen Seite des Atlantiks ebenfalls ein Massenpublikum bedient; doch man belässt es nicht ausschließlich dabei. Das beweist die große Menge an Genreproduktionen.

Allein durch die höheren Budgets lässt sich die maßgeblich bessere Qualität des US-Fernsehens nicht erklären; auch wenn es sich deutsche Produzenten verständlicherweise immer gerne so einfach machen. Um ein «In Treatment» herzustellen, brauch man nicht sonderlich viel: einen Raum, zwei Schauspieler und das nötige Filmequipment. Finanziell sollte das also auch von einer deutschen Produktionsfirma zu stemmen sein. Wenn es hierzulande an etwas fehlt, dann an einem Drehbuch, das gut genug ist, um ein derartiges Konzept zu tragen. Und natürlich an dem dazugehörigen Mut und dem Willen zum Unkonventionellen, dessen Mangel sich durch den ganzen deutschen Fiction-Bereich zieht. Erschwerend hinzu kommt noch, dass es in Deutschland – anders als in den USA – keine wirkliche Indie-Szene gibt, die jenseits des Low-Budget-Rahmens zu operieren im Stande wäre, wodurch die mangelnde Innovationsbereitschaft der großen Produktionsfirmen nicht ausgeglichen werden kann. Man bleibt stattdessen beim «Landarzt», bei «Pfarrer Braun» und größtenteils langweiligen Fernsehfilmen ohne Anspruch oder Niveau, und importiert stattdessen lieber fleißig vor sich hin. Amerika, du hast es besser. Nicht nur im Fernsehen.

360 Grad macht eine Woche Pause und meldet sich am 8. April mit einer neuen Ausgabe zurück. Plus-Abonnenten können sie bereits am 7. April ab 20.00 Uhr lesen.

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