Popcorn & Rollenwechsel

The King's F*ck

von
Demnächst kehrt der mehrfache Oscar-Gewinner «The King‘s Speech» verstümmelt in die US-Kinos zurück.

Vergangene Woche gab die Weinstein Company endlich einen US-Kinostart für den vierfach Oscar-prämierten «The King‘s Speech» bekannt. Ab dem 1. April lässt sich das Drama mit Colin Firth in der Rolle seines Lebens auch auf den US-amerikanischen Leinwänden bestaunen.

Sind Sie stutzig geworden? Nun, diese Verwunderung ist gerechtfertigt. Denn «The King‘s Speech» lief bereits letztes Jahr in den US-Kinos an. Woher sollte auch sonst die Oscar-Nominierung herrühren? 2010 startete allerdings eine ungekürzte Fassung von «The King‘s Speech» in den Kinos. Ab dem 1. April wird eine gekürzte Version auf 1.000 US-Leinwänden laufen – und zwar ausschließlich diese Fassung. Das generell absolut harmlose Drama kam in seiner intakten Fassung nämlich nicht ohne ein paar, dramaturgisch äußerst relevante, Schimpfwörter aus, weshalb es ursprünglich ein R-Rating erhielt. Dies bedeutet, dass Jugendliche unter 17 Jahren «The King‘s Speech» nur in Begleitung ihrer Eltern sehen durften, um so vor dem bösen F-Wort beschützt werden zu können, dass sie außerhalb dieses Films wohl niemals zu Ohren bekommen werden. Die geschnittene Fassung erhielt ein PG-13-Rating, piept in einer gleichermaßen komischen wie bewegenden Szene einige Wörter weg. Damit untergräbt diese verwässerte Version von «The King‘s Speech» die Wirkung des Films, macht sich selber lächerlich. Wie der Herzog von York seine inneren Zwänge und sein belastendes Stottern durch wildes Gefluche für einen kurzen Moment ablegen kann, wird in der neuen Filmfassung vom Geräusch der Zensur übertönt.

Diese Entscheidung stellt ein neues Tief hinsichtlich der US-Jugendfreigaben dar. Es war schon lächerlich genug, dass «The King‘s Speech» wegen einiger Schimpfwörter eine höhere Freigabe erhielt, jedoch ist die amerikanische Empfindlichkeit gegenüber Flüchen bereits altbekannt. Dass aber ein Oscar-prämierter Film in einer wichtigen Sequenz durch Pieptöne entstellt wird, damit Dreizehnjährige sich den Film ohne elterliche Begleitung ansehen können, ist haarsträubend. Die wenigen Jugendliche, die sich für solch ein Historiendrama interessieren, hätten sich «The King‘s Speech» auch mit ihren Eltern ansehen können. Den Film für einen so verschwindend geringen Markt zu beschneiden, und sei es auch nur auf der Tonspur, und dann als Verleih so dreist zu sein, die Originalfassung aus dem Umlauf zu nehmen, grenzt letztlich an tolldreistem Wahnsinn.

Man kann nur hoffen, dass die gekürzte Fassung von «The King‘s Speech» ein katastrophaler Flopp wird. Sollte dieses Modell nämlich Schule machen, werden uns nach zahmen Actionfilmen (schon «Stirb langsam» machte in seinem letzte Teil den Sprung vom blutigen R-Rating zum blutleeren PG-13) nun auch entdramatisierte Dramen erwarten. Wenn das Publikum solche Filme nicht ablehnt, wieso sollten Studios dann freiwillig die potentielle Reichweite ihrer Filme einschränken und ein R-Rating noch zulassen? Für die Geschäftsführung ist der Fall klar, für den Zuschauer jedoch auch: Würde in «The King‘s Speech» nicht geflucht, sondern ein Kinderreim aufgesagt, wäre die betroffene Szene nur halb so stark. Manchmal ist ein Schimpfwort nun mal nicht nur ein Schimpfwort, sondern in all seiner Vulgarität auch ein unverblümtes Mittel, Wut und Frustration zu verbalisieren. Flüche können künstlerisch wertvoll sein. Das ist kein Novum, aber «The King‘s Speech» erinnerte uns in einer preiswürdigen Art und Weise daran. Und deswegen muss diese vom Studio durchgeführte Selbstzensur eine Ausnahme bleiben.

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