ProSieben plant ein neues Casting-Format, in dem es nur um die Stimme gehen soll, und verschiebt deswegen «Popstars». Julian Miller kommentiert.
Trotz der guten Quoten der letzten Staffel wird «Popstars» in diesem Jahr nicht mehr auf die deutschen Bildschirme zurückkehren und frühestens 2012 fortgesetzt werden. Grund dafür ist der Einkauf eines neuen Casting-Formats, bei dem ProSieben wohl auf noch bessere Quoten hofft. Gänzlich unbegründet ist das wahrscheinlich nicht.
Die Prämisse von «The Voice of Germany», wie die neue Show heißen soll, ist dabei so einfach wie genial. Wie üblich wird man die Kandidaten bei Massencastings suchen; neu an der Sache ist jedoch, dass die Juroren dabei mit dem Rücken zur Bühne sitzen werden. Das Gesicht der Musiker bekommen sie erst nach ihrer ersten Wertung zu sehen. Ausschlaggebend über Weiterkommen und Nachhausefahren der Teilnehmer soll allein die Stimme sein. Kein Gezappel. Kein Herumgeheule. Keine tragische Vergangenheit. Kein ellenlanges Strafregister.
Wow.
In der Tat könnte die Sendung der Versuch sein, ein wenig Würde in die deutsche Casting-Community zu bringen. Neben Stefan Raabs «Unser Star für Oslo» wäre es eines der wenigen Formate im deutschen Fernsehen, in dem man sich primär auf gesangliches Können und Bühnenpräsenz einschießen will. Es bleibt dabei zu hoffen, dass man bei «The Voice of Germany» anders als bei «Popstars» oder «Deutschland sucht den Superstar» nicht auf die schnellen Schlagzeilen der Boulevardpresse aus sein und wirklich die Stimme als Maxime heranziehen wird. John de Mols Ankündigung bezüglich des neuen Formats stimmt immerhin optimistisch. Die Sendung werde „keine Bühne für Freaks oder Möchtegern-Sternchen“ sein: „Wir suchen keine pubertierenden 16-jährigen Teenies, die sich für Justin Timberlake halten, aber keinen geraden Ton singen können. Nur die Besten der Besten schaffen es in die 'Blind Auditions'. Man kö̈nnte sagen: «The Voice of Germany» beginnt da, wo «Deutschland sucht den Superstar» aufhört."
Bleibt man dem Konzept treu und konzentriert sich wie angekündigt auf die Stimme, während man das effekthascherische Yellow-Press-Gefuchtel weglässt, ließe sich eventuell auch ein Künstler finden, dessen Halbwertszeit länger ist als durchschnittlich ein Jahr. LaVive, die Band, die aus der letzten Inkarnation der «Popstars»-Heulsusencasterei hervorging, schaffte es ja nicht einmal, drei Monate lang zusammen im Musikbusiness zu bleiben. Jetzt gehen die Mitgliederinnen wieder zur Schule oder arbeiten in einem Friseursalon. Und sind in einigen Jahren vielleicht im Dschungelcamp anzutreffen, wenn sie bis dahin die Skandalnudeln geben und ab und an auf Veranstaltungen eingeladen werden, auf denen sie ihr Privatleben kamerareif ausschlachten können. All das könnte uns und den Kandidaten bei «The Voice of Germany» erspart bleiben, wenn man sich an die lobenswerten Töne hält, die man jetzt anschlägt.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächste Woche wieder der Kreis.