Eine entgleiste Trickfilmproduktion und die anschließende Schlammschlacht beschäftigen nun das US-Justizsystem.
Man hört und liest es immer wieder: Die Geschichten, die sich hinter den Filmkulissen abspielen, seien angeblich viel besser, als viele Hollywoodproduktionen. Um diese These zu beweisen, muss man nicht einmal lange in der Anekdotenkiste kramen. Denn ein äußerst bizarrer Streit macht derzeit Schlagzeilen in Hollywoods Branchenzeitschriften: Ein Animationshaus verklagt ein Hollywoodstudio, weil es sich weigert, einen Computertrickfilm zu produzieren. Die Studiobosse wiederum werfen den klagenden Filmemachern hinterlistige Sabotage vor.
Die Klage des Produzenten Brian Inerfeld und des Regisseurs Tony Leech («Die Rotkäppchenverschwörung») wurde ursprünglich in New York eingereicht, soll nun aber auf Wunsch der Angeklagten, Bob und Harvey Weinstein, an anderer Stelle bearbeitet werden. Die Weinsteins nennen den Rechtsstreit frivol, irrelevant und voller unnötiger persönlicher Angriffe. Der Staate New York müsse sich damit nicht befassen – in Kalifornien sei dieser Zwist viel besser aufgehoben. Zudem hätten die Richter dort viel mehr Ahnung vom Kino.
Aber worum geht es denn nun in diesem mehrere Millionen schweren Rechtsstreit?
Wie im (sehr unterhaltsam zu lesenden) 60-seitigen Klagedokument nachzulesen ist, behaupten Leech und Inerfeld, die Weinsteins hätten ihre Trickproduktion «Escape from Earth» durch schiere Inkompetenz zum Scheitern verurteilt. Der Film sollte von den Weinsteins finanziert und vertrieben werden, aber nach über 17 Drehbuchentwürfen stünde die Produktion mit mehr als 200 angestellten Animatoren noch immer still. Laut Leech und Inerfeld hätten die Weinsteins Kevin Bacon 25.000 Dollar dafür bezahlt, keine Sprechrolle in dem Film anzunehmen und der «Toy Story»-Produzent Ralph Guggenheim wurde von Weinstein gefeuert, weil er angeblich keine Ahnung habe. Außerdem soll Harvey Weinstein Gespräche mit Inerfeld gemieden haben. Seine vermeintliche Begründung: Er nehme nur Telefonate von Barack Obama an. Dennoch zahlten die Weinsteins den Filmemachern eine halbe Million Dollar Schweigegeld, sollten sie mit ihrer Klage bis nach den Academy Awards warten. Der Anlass: Harvey Weinstein befürchtete, dass sein «The King‘s Speech» aus Antipathie wertvolle Stimmen verlieren könnte.
Die Schlammschlacht geht letztlich sogar so weit, dass im offiziellen Klagedokument der Filmemacher haarklein nacherzählt wird, wie der Diabetiker Harvey Weinstein während einer Testaufführung Süßigkeiten vom Boden nascht, statt sich die Storyreel anzusehen. In der jüngsten Stellungnahme, in der Weinstein auch eine Verlegung des Rechtsstreits nach Kalifornien fordert, schlägt er dafür zurück: Er bezeichnet den Produzenten Inerfeld als irrationalen Streitpartner, was er damit bestätigt, dass er vor kurzem unflätig über die Auseinandersetzung mit den Weinsteins sprach. Angeblich sagte Inerfeld: „Ich verklage gerade einen Freund, und ich werde ihn zerschmettern, in sein Haus ziehen, sein Auto fahren und seine Frau f*cken, und seine Anwälte auch!“ Wie THR berichtet, entstammt dieses Zitat einem anonymen Forenbeitrag auf einer Webseite für Motorradfahrer.
Es gab Gerüchte, die Erfolgskomödie «Hangover» sei eine leicht dramatisierte Verarbeitung der Partyeskapaden eines Warner-Bros-Produzenten. In dem Fall wünsche ich mir und der Filmlandschaft, dass sich demnächst ein findiger Autor dransetzt, und aus dem Streit um «Escape from Earth» eine Justizdrama-Parodie macht. Eine bessere Komödie kann man sich kaum ausdenken.