RTL II brachte am Dienstagabend eine neue Show unter die Leute – die ganze traurige Wahrheit.
Es ist schon beängstigend, welche Macht offensichtlicher Schund im deutschen Fernsehen besitzt; es ist beklemmend zu wissen, dass ein Millionenpublikum regelmäßig Formate wie «Deutschland sucht den Superstar», «Ich bin ein Star, holt mich hier raus» oder «Germany‘s Next Topmodel» schaut, ohne die Realität der diffamierenden Kommerzialisierung und Ausschlachtung der oft mittellosen, in prominenteren Fällen zusätzlich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit leidenden Kandidaten zu realisieren oder genau aus diesem Grund einschaltet; es ist traurig, dass Moderatoren wie Dieter Bohlen oder Heidi Klum zu Personae Gratae der Medienlandschaft stilisiert werden – was aber RTL II seit nunmehr einer Woche in seiner dienstäglichen Primetime als den "wahrscheinlich härtesten Gesangswettbewerb der Welt" anpreist, übertrifft all das noch.
Denn das fruchtlose Ergebnis, ein innovatives Format zu kreieren, sieht aus wie Trash, hört sich nach Trash an und riecht nach Trash: Man müsste auf seinen Fernseher einschlagen, könnte man ihn nicht einfach ausschalten, sobald das neue Format «Sing! Wenn Du kannst» auf dem Schirm auftaucht. Der Sendung gewordene Schund, der mit einer verstörenden Laufzeit von fast drei Stunden eine zermürbend lange und erschreckend schlechte Vorstellung abliefert, ist alles andere als gutes Fernsehen. In einer Mischung aus Spielshow und Gesangswettbewerb treten zwölf Personen an, ihre Selbstwürde zu veräußern – offiziell wird das auf der offensichtlich wenig auf Qualität achtenden Senderseite dann so dargestellt: "Um den härtesten Gesangswettbewerb der Welt zu überstehen, müssen die Kandidaten den „Tanz auf dem Vulkan“ meistern oder während ihrer Darbietung gegen eine Windmaschine ansingen."
Im Klartext ist das eine euphemistische Beschreibung für eine Show, in der Dicke auf dem Laufband keuchen, Dünne in Fatsuits in den Ring steigen müssen oder Arglose in Eiswasser getaucht werden, dabei ein Lied singen und am Ende wahllos in die nächste Runde gewählt werden. Wer trotz der Widrigkeiten die bessere Gesangseinlage abgeliefert hat, entscheidet eine dreiköpfige Jury nach Muttergefühlen, Lust und Laune, Instinkt oder vielleicht aufgrund einer gar höheren Determination, die dem gemeinen und dummen Zuschauer nicht ersichtlich wird. Zu denen, die sich an ihren Kandidaten austoben dürfen, zählen Janine Kunze (setzt sich bei Panel-Shows gerne mal vor einen Bluescreen, um wenigstens noch ein paar Minuten Aufmerksamkeit zu erhaschen) und Anastasia Zampounidis (war mal bei VIVA und hat den Absprung ins börsennotierte Privatfernsehen nicht geschafft), für die Expertenmeinung ist Laith Al-Deen zuständig, dessen Musik... – aber das ist ja Geschmacksache. Moderieren darf den Nagel im Sarg der deutschen Fernsehunterhaltung Sonja Zietlow, die mit dem Dschungel-Camp Schlagzeilen machte.
Vor diesem billigen Set verkommen die Kandidaten vor einem Publikum ohne Schamgrenze, das auf Zietlows Schrei «Sing!» ein höhnisches «Wenn Du kannst!» auf Zuschauer und Sänger loslässt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Verantwortlichen nach den ersten zwei Sendungen aufgrund der mangelnden Quoten eines der beschämendsten Formate des deutschen Fernsehens alsbald auf dem Friedhof der Geächteten gerechterweise verrotten lassen. Bonmot am Rande: Gewinnen konnte der beste Sänger am Ende der Show ein hässliches Auto. Passt ja.