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Sechs deutsche Sender übertragen aus London, wenn Prinz William seiner Kate Middleton das Ja-Wort gibt. Eine Übersicht des TV-Overkills sowie einige Streitpunkte zum Medienereignis.
Doch ist eine Übertragung auf sechs Sender in Deutschland gleichzeitig wirklich nötig? Schon im Vorfeld gibt es Kritik – zumindest für die Öffentlich-Rechtlichen. Die doppelte Prinzenhochzeit zu Lasten von Gebührengeldern der TV-Zuschauer ist den Politikern ein Dorn im Auge. Eigentlich gelte die Abmachung, dass ARD und ZDF im Falle von Großereignissen nicht parallel übertragen, sondern sich in der Berichterstattung abwechseln, kommen kritische Stimmen aus der Politik. Dies ist am Freitag nicht der Fall, wenn William und Kate heiraten. Dass die beiden öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF ihr komplettes Programm auf das Boulevard-Ereignis ausgerichtet haben, stößt somit auch auf Unmut. Die Sender übertragen beide mit dem Sendesignal der BBC parallel – nur mit den jeweils sendereigenen Moderatorenteams. Einen Unterschied bei den Bildern wird es also nicht geben – höchstens in dem, was die Moderatoren und Experten so von sich geben oder wie man mit dem Medienereignis umgeht. Allzu groß mag dieser Unterschied nicht sein. Doch gerade dieser feine Unterschied kommt die öffentlich-rechtlichen Sender doppelt teuer, weil eben beide übertragen. ARD-Vorsitzende Monika Piel wird in der „Süddeutschen Zeitung“ dazu wie folgt zitiert: Die Übertragung würde nicht „mehr als normales Programm“ kosten und seine eine „kostengünstigste Live-Übertragung, da royale Hochzeiten in der Regel mehrere Stunden dauern und enorm viel Publikum finden“. Außerdem sei eine solche Doppelübertragung selten: „In den vergangenen zehn Jahren ganze drei Mal“, bekräftigt Piel.
Die Doppelübertragungen kratzen aber an der Glaubwürdigkeit beim gebührenfinanzierten Fernsehen. Denn: Auf Programmvielfalt verzichtet man offensichtlich. In die gleiche Kerbe stößt nämlich auch Bundestagspräsident Lammert, der in der „Süddeutschen Zeitung“ sagt: „Wenn es denn noch einer Antwort auf die Frage bedurft hätte, ob für die Programmgestaltung auch der Öffentlich-Rechtlichen nichts vorrangiger ist als die Quote, dann ist sie mit dieser Doppelübertragung beantwortet.“ Denn tagsüber generieren ARD und ZDF kaum hohe Einschaltquoten, was vor dem Hintergrund, dass beide unbedingt das Zuschauermagnet der Live-Übertragung von der Prinzenhochzeit in ihrem Programm haben wollte. Eine abwechselnde Übertragung der beiden öffentlich-rechtlichen Kanäle – wie man sich auch bei Länderspielen abspricht - hätte dennoch ausgereicht und dem desinteressierten Zuschauer eine Alternative geboten.
Im Punkto Alternative könnte derweil ProSieben gute Karten haben, das sein normales Freitag-Programm durchzieht. Mit den US-Sitcoms von «How I Met Your Mother» bis «Scrubs» könnten die weniger interessierten jungen Zuschauer gelockt werden. Schließlich sind auch die beiden Privatsender RTL und Sat.1 zeitgleich in London auf Sendung. Doch auch der Wettstreit der Medien rund um das „Hochzeits-Fieber“, das fast schon anhand zu vieler Hintergrundberichte und Analysen (auch im Vorfeld) zum Medien-Wahn geworden ist, erntet nicht nur positive Stimmen von Royal-Interessierten. Der „Overkill“ mache sich gerade in den letzten Wochen bemerkbar. Viele Menschen reagieren mittlerweile genervt auf das Stichwort „William & Kate“. Für viele Deutsche könnte der schönste Tag im Leben des Prinzenpaars ruhig schon vorbei sein.
„Gibt es hier eigentlich jemanden, den es interessiert, dass ein Enkelsohn mit großen Zähnen eine schmallippige Schrippe heiratet“, fragt beispielsweise Autorin Renée Zucker im rbb-Radio etwas zynisch. Auch in den gängigen Late-Night-Shows wird der Medien-„Overkill“ zur royalen Hochzeit in England satirisch beäugt. Dass ARD, ZDF, RTL, Sat.1, n-tv und N24 übertragen ist schlichtweg zu viel, so der Tenor. Medienexpertin Joan Bleicher von der Universität Hamburg hält das alles aber laut „Süddeutscher Zeitung“ für normal: „Was glauben Sie, wie viele sich da Urlaub nehmen oder auf der Arbeit heimlich gucken oder auf dem Handy. Ich denke, das ist so ein Prestigeobjekt“, sagt sie und fügt an: „Es ist natürlich ein Medienereignis und wird auch als solches inszeniert.“ Nun – William und Kate wird das alles herzlich egal sein – denn für sie ist es die „Traumhochzeit des Jahres“.