Hingeschaut

«Eurovision Total»: Late Night Light

von
Matthias Opdenhövel vertritt Raab im «TV Total»-Spin-Off «Eurovision Total» – und bezaubert durch wenig.

Es war eine einzigartige Kooperation zwischen ProSieben und der ARD, aus der im vergangenen Jahr nicht nur die Castingshow «Unser Star für Oslo», sondern auch Lena Meyer-Landruth als überraschende Siegerin des «Eurovision Song Contest» hervorging. Rasch wurde der sonst nur bei Weltmeisterschaften aus dem Keller gezerrte Nationalstolz entstaubt – es durfte wieder Flagge gezeigt werden: Schließlich waren wir Lena, hatten nach 28 Jahren unseren zweiten «ESC»-Titel in der Tasche, den Wettbewerb damit nach Deutschland geholt und «Ein bisschen Frieden» mit dem jahrelang so verpönten europäischen Liederwettbewerb geschlossen. Als dann Lenas Mentor, Macher und Songschreiber Stefan Raab, der Schrecken der Late Night, im Anschluss an den Sieg auch noch verkündete, dass die quirlige Hannoveranerin in diesem Jahr ihren Titel selbst verteidigen solle, war das Sangesmärchen perfekt.

Am Samstagabend ist es dann endlich soweit: Deutschlands Ehre und der Deutschen Nationalstolz steht auf dem Spiel, denn wirklich einverstanden sind nach einem Jahr nur noch die wenigsten mit Raabs Coup, Lena nochmals antreten zu lassen. Die große Euphorie ist entschwunden, ein leidlich meckerndes Deutschland gibt sich unter lautem Grummeln der Kritiker die spürbar zwanghafte Ehre, den größten europäischen Wettbewerb im eigenen Lande auszurichten. Vom, naja, historischen Ausmaß ist dabei nicht viel zu spüren – und das, obwohl in der ARD und bei ProSieben der «Eurovision Song Contest» primäres Thema ist. Im ARD-«Morgenmagazin» und der eigens zusammengezimmerten Sendung «Show für Deutschland», auf ProSieben bei «taff», dem zweifelhaften Boulevardmagazin mit Schminktipps, und dem einwöchigen «TV Total»-Ableger «Eurovision Total» gilt es, den Deutschen die verdient gewonnene Wettbewerbsaustragung schmackhaft zu machen.

Die Phantomfröhlichkeit im Rahmen des «Eurovision Song Contest» wurde in der ARD zum Moderations- und Informationsdesaster, und auch ProSieben stellt sich wenig besser an. Matthias Opdenhövel, die moderierende Allzweckwaffe aller Raab-Events, gibt sich bei «Eurovision Total» eine Woche lang ein Stelldichein mit der «talk talk talk»-enden Sonja Kraus und «TV Total»-Praktikant Elton. Was bei «Schlag den Raab», dem «TV Total Turmspringen» oder der «Stock Car Crash Challenge» ganz hervorragend passt, weil sich Opdenhövel und Raab in harmonischer Hassliebe Kontra geben und es außer Regeln, Einleitungsmoderationen und Spielständen für den Moderator wenig zu tun gibt, Kraus als Boxenluder und Elton mal als peinlicher Versager, mal als strahlender Sieger zugegen sind, geht bei «Eurovision Total» daneben: Opdenhövel präsentiert sich als unsicherer Bubi, der ohne Raab kaum weiß, wohin. Da es außerdem ungefähr wenig bis gar nichts Neues zu berichten gibt, packt Opdenhövel am laufenden Band seine nicht vorhandenen Kleinkunstfähigkeiten aus, die nach dem dritten Witz anfangen zu nerven.

Das mag auch am dezimierten Studio direkt in der Düsseldorf-Arena liegen, in dem ein ebenso dezimiertes Publikum und die nur mit vier Personen angereisten Heavy Tones keine wirkliche Stimmung vermitteln können. Der Inhalt ist dann auch bloß Routine: Kraus auf dem roten Teppich, Lena im Hotelzimmer, Elton auf einer Party, eine kurze Vorstellung der beteiligten Länder am ersten Halbfinale, der Auftritt der Österreicherin Nadine Beiler und eine typisch «TV Total»‘sche Umfrage unter den Düsseldorfern, was sie vom «ESC» halten. Und so wird die Sendung auch erst dann wirklich spannend, als Raab nach den Proben noch kurz im Studio vorbeischaut. Durch seine Moderationstätigkeit zur Objektivität verpflichtet, war ein spannendes Gespräch zwar kaum möglich, aber schon durch die bloße Präsenz des deutlich ausgelaugten Moderators wurde «Eurovision Total» das, was es sein sollte: Eine halbwegs unterhaltsame und atmosphärische Einstimmung auf den «Eurovision Song Contest» – und die hat Deutschland dringend nötig.

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