Rund 60 Millionen Europäer verfolgten das Finale des Eurovision Song Contests, welches live aus der Esprit Düsseldorf-Arena gesendet wurde. Anke Engelke, Stefan Raab und Judith Rakers führten durch die vierstündige Show, in der Lena Zehnte wurde. Die beiden Halbfinals wurden noch einmal deutlich von der Hauptshow überboten, für die sich ganz Europa bedankte. Vor allem die Gesangseinlage von Raab zu Beginn machte einiges her und stimmte auf eine tolle Show ein.
Die gebürtige Hannoveranerin Lena Meyer-Landrut sang beim Eurovision Song Contest das Lied „Taken by a Stranger“, welches von Gus Seyffert, Nicole Morier und Monica Birkenes geschrieben wurde. Federführend für die Entstehungsgeschichte war Gus Seyffert, der derzeit in Los Angeles lebt und arbeitet. Binnen eines Tages wurde der Song kreiert, mit dem Lena dieses Jahr beim Eurovision Song Contest antrat. Im Übrigen ist das erst das dritte Mal, dass ein Künstler nach seinem Sieg im Folgejahr wieder auf die Eurovisionsbühne zurückkehrte.
Die Favoriten
Mit 221 Punkten setzten sich Ell & Nikki mit ihrem Song „Running Scared“ durch, im kommenden Jahr findet der größte musikalische Wettbewerb in Aserbaidschan statt. Italien erreichte mit 189 Zählern den zweiten Rang, der schwedische Song „Popular“ bekam 185 Punkte und einen dritten Platz.
Der finnische Beitrag „Da Da Dam“ von Paradise Oskar ging unter, letztlich blieb nur der 21. Platz übrig. Er komponierte das Lied selbst und schickte seinen Beitrag auf „Gut Glück“ zum nationalen Vorentscheid ein – und gewann. Die dänische Band „A Friend in London“ bewegte sich mit „New Tomorrow“ auf Spuren der früheren Band „Pur“ und setzte sich im zweiten Halbfinale durch. Schließlich reichte es nicht für den Sieg, aber für den fünften Platz. Die verrückte Band Jedward blieb hinter den Erwartungen zurück. Nur der achte Platz wurde am Samstagabend eingefahren.
Der schweizerische Beitrag erinnert zumindest zu Liedbeginn an Colbie Caillat mit „Bubbly“ – die Europäer fanden den musikalischen Beitrag nicht gut. Anna Rossinelli landete mit „In Love For a While“ auf einem hinteren Platz.
Die isländische Band namens „Sigurjón’s Friends“ wollte mit Sänger Sigurjón „Sjonni“ Brink beim Eurovision Song Contest teilnehmen, jedoch verstarb dieser im Vorfeld des nationalen Vorentscheids. Eine kurzfristige Änderung innerhalb des Teams brachte die Gruppe eine Runde weiter, in Düsseldorf holten sie sich den 21. Platz. Der serbische Titel „Čaroban“, der bei YouTube auch in englischer Sprache die Runde macht, ergatterte mit Sängerin Nina nur einen der letzten Ränge. Im Übrigen ist in der Originalversion mehr Schwung als in der internationalen Version. Zwar verstand kaum ein Zuschauer den Inhalt des Liedes, gefeiert hat das Publikum aber dennoch.
Vor Ort
Der Medienrummel vor Ort war gigantisch: Unzählige Journalisten tummelten sich bereits am frühen Nachmittag im großen Pressezentrum, welches in einer Sporthalle untergebracht wurde. Direkt nebendran stehen zwei Catering-Zelte, eines für die Crew, ein anderes für die Journalisten, sowie das mobile Stadion von Fortuna Düsseldorf. Mehrere hunderte, wenn nicht sogar tausende Laptops hat die EBU den Journalisten kostenlos zur Verfügung gestellt. Neben einem ausgewogenen Essen im Zelt wurden die Leute von der Presse mit einer Kaffee-Bar und kostenlosen Äpfeln verwöhnt.
Die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Esprit-Arena waren verschärft. Das Gelände wurde weitläufig abgeriegelt und von der Security kontrolliert, auch die Polizei war vor Ort und sorgte für Sicherheit. Angesichts von Europas größter Fernsehshow nachvollziehbar. Von der medialen Seite war das Event bestens vorbereitet.
Zwischen der Generalprobe, in der im Übrigen Moderatorin Anke Engelke das Siegerlied von 2010 trällerte, und dem Einlass musste die Presse draußen bleiben. Die Sponsoren und Verantwortlichen waren sehr unter Druck und wollten sich nicht mit den Journalisten auseinander setzen. Für Stefan Raab war der letzte Testlauf anscheinend etwas nervig, so machte er am Ende Unsinn und begrüßte die Zuschauer zu einer neuen Ausgabe der WOK-Weltmeisterschaft.
Das Medienecho der internationalen Presse war gespalten: Einige Kollegen aus dem Ausland sahen für Lena nur geringe Sieg-Chancen. „Zwar hat sie eine charismatische und erfrischende Persönlichkeit, aber das Lied ist zu eigenartig“, erzählte ein slowenischer Journalist. Auch die Angestellten des TV-Senders „Georgia Public Broadcasting“ (GPB) fanden die deutsche Titelverteidigerin symphatisch, dennoch glaubten sie nicht an einen Lena-Sieg.
Auf der anderen Seite gab es viele positive Stimmen: „Immer mehr Menschen trauen Lena den Sieg zu“, erzählte ein spanischer Zeitungsredakteur im Vorfeld. „Sie sticht aus dem Feld hinaus, ihre außergewöhnliche Performance und die gelungene Bühnenshow könnten ihr zum Sieg verhelfen“. Auch das Duo Ell/Nikki aus Aserbaidschan wurde zuvor als Top-Favorit gehandelt. „Da die Türkei nicht dabei ist, rechne ich damit, dass viele Türken für Ell und Nikki anrufen werden“, so der spanische Redakteur weiter. Andere Stimmen bekräftigten diese Meinung. Als großer Favorit wurden die irischen Vertreter Jedward mit „Lipstick“ gehandelt.
Der finnische Journalist Juha Veli Jokinen von der Zeitung „Iltalehti“ lobte Lena als eine „der besten jungen Künstlerinnen Europas“, er traute ihr eine Top 5-Platzierung zu. Auch sein Landsmann Paradise Oskar habe Chancen auf eine gute Platzierung, so der Redakteur, „Oskar wirkt sehr natürlich und schreibt alle seine Songs selbst. Das kommt bei den Leuten gut an.“ Eine andere finnische Redakteurin des TV-Senders YLE verriet uns, dass Oskars Gitarre deutlich älter ist als der Künstler selbst.
Nicht nur die Fans, auch die Journalisten jubelten ihren Landesvertretern zu. Besonders stachen die Russen hervor, bei ihnen versammelten sich zahlreiche Kollegen. Die Sicherheitsleute konnten das Filmen in der Halle nicht verhindern, dies war zuvor untersagt worden. Die moldawischen Pressevertreter tanzten bei „Zdob si Zdub“ mit, die deutschen Journalisten klatschten nach Lenas Auftritt. Die ausländische Presse, auch Vertreter von Georgien und Ukraine, nahmen Flaggen zum Jubeln mit. Viele russische Journalisten trugen ein T-Shirt mit dem Gesicht ihres Künstlers, sogar ein Plakat vom russischen Eurovision Song Contest 2009 hissten die Kollegen.
Hintergrund
Knapp über zehn Millionen Menschen werden in ganz Europa zum Hörer gegriffen haben – Tendenz steigend. 2005 beteiligten sich nur sechseinhalb Millionen Menschen, bereits ein Jahr später sprangen die Anrufzahlen auf acht Millionen. Wie viele es in diesem Jahr sein werden, wird wohl erst in wenigen Wochen bekannt werden. Ähnlich verhält es sich mit den Einschaltquoten, die leicht rückläufig sind. 2008 sahen 64 Millionen Europäer zu, 2009 waren es 73 Millionen, aber 2010 nur noch 59 Millionen Menschen. Das erste Halbfinale unterhielt zwischen 18 und 23 Millionen Menschen, das zweite erfreute zwischen 18 und 27 Millionen Leute. Im Pressezentrum, welches direkt neben der Esprit Arena liegt, sind 2.200 Journalisten untergebracht, zwei hiervon stellt das Online-Fernsehmagazin Quotenmeter.de.
Die Eurovision-Woche wurde noch nicht einmal vor zehn Jahren eingeführt. Im Jahr 2004 beschloss die Europäische Rundfunkunion (EBU), dass der Gesangswettbewerb zu lang dauert und startete somit ein erstes Halbfinale. Als die Teilnehmerzahl im Jahr 2008 auf 43 Länder stieg, wurde ein zweites Halbfinale eingerichtet – 2011 nahmen erneut so viele Länder wie vor drei Jahren teil.
2011 ist vor allem das Land der zurückkehrenden Interpreten. Neben Lena Meyer-Landrut waren sieben weitere Künstler erneut auf die Bühne zu sehen. Dino Merlin trat bereits 1999 auf, ein Jahr zuvor siegte Dana International. Jedoch schied der Beitrag aus Israel bereits im Halbfinale aus. Gunnar Ólafsson trat nun mit seinen isländischen Kollegen für Island an, war schon 2001 Mitglied einer anderen teilnehmenden Band. Vlatko Ilievski (2005 Mitglied bei Martin Vučić) und „Twiins“ (2008 Begleitgesang von Tereza Kerndlová) scheiterten im Halbfinale, „Zdob și Zdub“ für Moldawien und Sophio Toroshelidze für Georgien versuchten den Titel zu holen.