Popcorn & Rollenwechsel

Welpenschutz

von
Das Gesetz des Blockbusters: Kindern darf nichts geschehen. Und dadurch geht viel Potential zu Grunde.

Was ist die größte Sünde, die zahllose Blockbuster begehen? Ist es ein zu dummer Plot? Zu viele Computereffekte? Zu laute Musik? Nein… eine der hartnäckigsten Blockbuster-Seuchen ist der Welpenschutz. Denn ein teures Hollywood-Machwerk darf nicht zu anstößig sein, sonst gehen einem ja potentielle Kunden flöten. Darunter die überfürsorgliche Familienmutter. Damit die nicht ausrastet, werden Kinder in Blockbustern häufig wie rohe Eier behandelt. Auf Kosten der Spannung.

Kinder in Filmen finde ich ja nicht per se anstrengend. Es gibt talentierte Kinderschauspieler und gut geschriebene Kinderrollen. Aber für jeden Haley Joel Osment in «The Sixth Sense» gibt es einen Jonathan Ke Quan in «Indiana Jones und der Tempel des Todes». Seiner quäkenden, dauernd schreienden Figur Short Round könnte ich ein ums andere Mal in die Backe kloppen. Hinzu noch dieser blonde Schreihals von einer Frau, und die Ohren des Publikums finden gar keine Ruhe mehr. Zweifelsfrei der nervigste «Indiana Jones»-Film. Wie viel schöner wäre er nur, wenn Indys kleiner Begleiter ins Gras beißen würde. Eine trügerische Hoffnung, selbst wenn man den Film erstmals sieht. Denn Kinder sterben einfach nicht!

Wie treue Leserinnen und Leser zum Beispiel aus früheren Kolumnen erahnen konnten, bin ich Fan von «Fluch der Karibik». Würde ich, in meiner Rolle als Fan, etwas an dem Film ändern? Unbedingt! In der Szene, in der die verfluchte Piratenmannschaft von Captain Barbossa in Port Royal einfällt, wo sie für Angst, Schrecken und Zerstörung sorgt, gibt es nämlich zwei kurze Einstellungen. Zunächst sieht man unter all den panischen Bewohnern der Hafenstadt ein kleines Kind, das nach seiner Mama schreit. Umschnitt auf einen umfallenden Turm. Der Film möchte Spannung aufbauen, etablieren, dass diese Piraten (anders als der muntere Captain Jack Sparrow) erbarmungslos sind, dass in «Fluch der Karibik» alles passieren kann. Und dann… wird das Kind vor dem einstürzenden Holzturm gerettet. Zu mutig wollte der Film dann doch nicht sein. Man hätte natürlich direkt auf das wimmernde Kind verzichten können, statt seine gerade erst aufgebaute raue Ausstrahlung zu zerstören, aber auf die Idee kam im Schneideraum wohl leider niemand.

Ein besonders eklatantes Beispiel für diesen nervigen Welpenschutz bietet aber eine der Urmuttern des modernen Blockbusters: «Jurassic Park». Relativ früh im Film werden zwei Kinder von einem T-Rex angegriffen. Es ist ein ikonischer, äußerst packender Filmmoment und die beiden Kinder machen unmögliches durch. Statt aber die Gelegenheit zu nutzen und eine der beiden Figuren umzubringen, lässt Spielberg beide mit dem Schrecken davonkommen. Was erhält der Zuschauer dadurch? Er muss sich grauenvolle Kinderwitze anhören („Wie heißt ein blinder Dinosaurier?“ -„Sehnixosaurus!“). Was verliert er dadurch? Den Glauben, dass sich «Jurassic Park» wirklich erschreckende, überraschende Dinge traut.

Man könnte endlose Beispiele durchkauen, und am Ende bleiben nur Fragen übrig: Wieso werden fiktionale Kinderleben häufig so vorsichtig behandelt? Wenn ein Filmkind stirbt, werden Kinder schon noch keinen viel größeren Schock erleben, als wenn drei, vier Erwachsene von Dinos zerfleischt werden. Überhaupt, was suchen die kleinen Knirpse eigentlich bei solchen Filmen im Publikum? Und was Erwachsene angeht… Okay, wenn ein Schurke nicht vor Kindern halt macht, nehmen sie ihn schneller ernst. Aber ist das nicht Sinn der Sache?

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