Hingeschaut

«Die Wochenshow»: Zurück in die Vergangenheit

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Nach neun Jahren Pause hat Sat.1 «Die Wochenshow» zurückgebracht. Nach den modernen Auswüchen der letzten Staffel zeigt sich die Neuauflage erstaunlich retro.

Was tun, wenn die neuen Ideen allesamt beim Publikum durchfallen und die wirklich guten Ideen irgendwie immer bloß bei der Konkurrenz landen? Bei Sat.1 heißt das neue Rezept: Zurück in die Vergangenheit - zur Jahrtausendwende, als Sat.1 einige nachhaltige Erfolge im Showbereich aufweisen konnte. Daher kehrt im Herbst die «Harald Schmidt Show» zurück. Und eben auch «Die Wochenshow», deren erste Ausgabe nach einer neunjährigen Pause am Freitagabend über die Bildschirme flimmerte.

Das Unternehmen dürfte beim "Reboot" dabei ganz andere Herausforderungen als etwa die «Harald Schmidt Show» aufgeworfen haben. Während Schmidt einfach dort weitermachen können wird, wo er einst aufhörte, musste für «Die Wochenshow» Aufbauarbeit geleistet werden. Denn das einstige Prestige-Format lief 2002 nicht einfach mangels Interesses aus, sondern wurde vor allem im letzten Jahr geradezu kaputtkorrigiert. Ein großer Umbruch von der Nachrichtenparodie Richtung Sketch-Comedy á la «Samstag Nacht», eine massive Aufstockung des Cast durch vier neue Comedians. Statt das Format wiederzuleben gaben die Neuerungen der Sendung den Gnadenschuss. Daher stand bei der Neuauflage die Frage im Raum: Besinnt sich Sat.1 auf die Stärken des Formats und erkennt die Fehler, die einst begangen wurden oder versucht man erneut, das Genre Nachrichten-Parodie in das Gewand moderner Sketch-Comedy zu packen wie 2008 mit den ebenso schlechten wie erfolglosen «Sketch News»?

Die gute Nachricht an alle Fans der ersten Stunden konnte die erste Ausgabe 2011 zu Beginn gar nicht deutlich genug präsentieren: Sat.1 will die originale «Wochenshow» aus ihren erfolgreichen Zeiten zurück. Eine nachsynchroniserte Angela Merkel freut sich über die Rückkehr der Sendung, Ingolf Lück begrüßt das Publikum und präsentiert "die Themen der Woche": kurze Videoclips, die ihre Komik aus pointierten Voice-over-Sprüchen beziehen. Das Intro und das Studio sind weit entfernt von der pompösen Selbstinszenierung der letzten Staffel und geben sich halbwegs seriös, die Musik ist dezent bis belanglos.

Tatsächlich wirkt die Neuauflage noch retroesker als «Die Wochenshow» zu ihren besten Zeiten. Der Hintergrund, vor dem Ingolf Lück an seinem Nachrichtentisch sitzt, ist soweit von der digitalen Moderne entfernt, dass man ihn eher einer Hommage an das DDR-Fernsehen zuordnen würde als einem modernen News-Studio, was gerade bei einer Nachrichtenparodie recht befremdlich und billig wirkt. Auch sonst lässt sich an der Umsetzung schwer entscheiden, ob die neue Ausgabe in diesem Jahr oder im letzten Jahrtausend entstand. Das Tempo zuweilen ziemlich langsam, die Inszenierung wirkt regelrecht behäbig, eine Stunde wirkt hier einfach zu lang. Die Castingshow-Parodie "The Next Osama Bin Laden" zieht sich über gefühlte zehn Minuten - viel zu viel für einen Sketch, der schon an seiner Vorhersehbarkeit scheitert und höchstens noch ein Schmunzeln entlocken kann, zumal sich Vergleiche zu «switch reloaded» aufdrängen, gegen die er ziemlich blass ausfällt. Viel wäre getan, würde man die Einspieler flotter schneiden und die musikalische Unterstützung aus der Ecke gedämpfter Fahrstuhlmusik holen. Unverständlich auch, dass die so einprägsame Intromusik des Originals bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und abgeschwächt wurde.

Dabei machen das Comedykonzept und die Gags eigentlich einen ganz guten Eindruck. Die Macher haben nicht nur versucht, die Quintessenz der alten «Wochenshow» zurückzubringen, sie haben offenbar auch verstanden, worin sie besteht. Selbst verglichen mit Ausgaben aus den Zeiten von Bastian Pastewka und Markus Maria Profitlich hält sich die neue «Wochenshow» relativ eng an das Schema eines Nachrichtenmagazins, alle Einspieler sind durch Anchorman Ingolf Lück an das grundlegende Konzept geknüpft. Dieser Anker hilft selbst schwächeren Parodien ungemein, weil das Brechen mit der Seriosität immer wieder für ein Mindestmaß an Komik sorgt. Und er sorgt dafür, dass sich die «Wochenshow» aus der Masse abhebt. Den Fehler, sich von diesem Grundpfeiler der Show zu verabschieden, wird Sat.1 sicherlich kein zweites Mal machen.

Um ein anderes Wagnis, das der früheren «Wochenshow» zum Verhängnis wurde, kam man dieses mal nicht herum: der Austausch fast der gesamten Truppe. Der im Gegensatz zu seinen ehemaligen Kollegen im TV recht glücklose Ingolf Lück ist weiterhin das Gesicht der Sendung, der Cast um ihn herum musste neu aufgestellt werden und ließ schon vorab Zweifel aufkommen: Mit Carolin Kebekus, Axel Stein, Matze Knop und Dave Davis sind gleich vier Comedians dabei, die auf sehr spezielle Klischee-Typen gebucht sind und deren Wandlungsfähigkeit und schauspielerisches Talent zumindest teilweise in Frage zu stellen war. Mit Carolin Kebekus erweist sich ein Teammitglied in der ersten Folge auch direkt als Totalausfall. Ihre Rubrik "Stand-Up News" fällt völlig aus dem Rahmen. Es ist einfach ein Stand-Up-Programm, dem man der Sache halber noch das Label "News" aufgedrückt hat. Ihr traut die Produktion offenbar auch gar nichts anderes zu, denn den Rest der Folge fehlt Kebekus fast komplett.

Einen guten Eindruck machen Matthias Matschke und Friederike Kempter, beide ausgebildete Schauspieler, beide «Tatort»-erfahren, beide über «Ladykracher» zur Sketch-Comedy gelangt. Ganz bewusst besetzen die beiden die Hauptrollen in den ersten Einspielern. Man nimmt ihnen das Pärchen mit dem Darth-Vader-Kind aus der Parodie des VW-Spots nicht nur ab, sondern kann sich gar nicht mehr vorstellen, dass das Original mit anderen Darstellern besetzt war. Dadurch funktioniert der Sketch überhaupt erst exzellent.

Der Auftakt der neuen «Wochenshow» zeigt, dass Sat.1 verstanden hat, was die Sendung ausmachte und wohin man wieder kommen will. Es zeugt von einem Verständnis für die Eigendynamik für ein Phänomen wie «Die Wochenshow», dass nicht direkt versucht wird, mit der Brechstange neue Kultfiguren aus dem Boden zu stampfen, um möglichst bald einen neuen Brisko Schneider oder Ottmar Zittlau zu haben, sondern der Fokus auf dem Nährboden liegt, dem sie entstammten. Ein bisschen flotter darf es dann aber bitte doch noch werden. Bei allem Verständnis für den Retro-Gedanken: Überlebt «Die Wochenshow» den Sommer, dann muss eine neue Studiodeko her, flottere Musik, mehr kurze Einspieler im Voice-over-Stil, die schon früher die Werbeblöcke eingerahmt haben. Auch die Comedian-Riege lässt sich sicherlich noch dezimieren. Dann braucht es auch keine Extrawurst mehr für Carolin Kebekus, weil man anderweitig nichts mit ihr anzufangen weiß.

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