In nur zwei Jahren hat sich das Image des «Eurovision Song Contests» komplett gewandelt. Vom drögen Schlagerwettbewerb zum hippen Popwettstreit. Stefan Raab ist stark an dieser Entwicklung beteiligt gewesen, nun überlässt er anderen das Feld.

«Unser Star für Oslo» und der Lena-Hype
Nach der Teilnahme von Max Mutzke legte Raab wieder eine Eurovision-Pause ein. Erst 2010 ging es für ihn weiter. Durch das schlechte Abschneiden in den Vorjahren entschloss man sich in der ARD zu einer Kooperation mit dem Privatsender ProSieben. In Zusammenarbeit mit Stefan Raab stellten die Sender den Vorentscheid «Unser Star für Oslo» auf die Beine. Bei dem bundeweiten Casting bewarben sich mehr als 4.500 Sängerinnen und Sänger. In acht Fernsehshows kämpften dann 20 Kandidaten um den Sieg. Letztendlich stach Lena Meyer-Landrut, die bereits kurz nach Beginn der Live-Shows als Favoritin gegolten hatte, ihre Konkurrenten mit dem Song "Satellite" aus und löste das Ticket für Oslo. Als treibende Kraft und Jurypräsident bei «Unser Star für Oslo» kam Stefan Raab auch in diesem Jahr eine wichtige Rolle zu.

Nach Lenas Sieg förderte Raab sie wo er nur konnte. Oft war die damals 18-jährige Sängerin bei «TV total» zu sehen, ihr Song war durch die Kooperation mit der ARD nahezu omnipräsent in den Radiosendern der Sendeanstalt. Das Ergebnis ist bekannt: Lena Meyer-Landrut gewann im Jahr 2010 den «Eurovision Song Contest» mit 76 Punkten Vorsprung – der vorläufige Höhepunkt in Raabs «ESC»-Karriere. Doch der Sieg kam nicht von ungefähr, im Vorfeld des Finals tourten Raab und Lena fast ununterbrochen durch Oslo und promoteten die Single, vor allem aber auch Lena selbst. Raab setzte die Natürlichkeit von Lena gekonnt in Szene, das ließ die Beliebtheitswerte der 18-Jährigen explodieren. Schon vor ihrem Auftritt hatte sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Künstlern: Fast alle Zuschauer kannten sie bereits. Zu verdanken hatte sie dies Stefan Raab.
Kurze Zweifel an der Titelverteidigung und Raabs Auftritt im «ESC»-Finale

Es war der Tag, den Stefan Raab im "kress"-Interview als "Höhepunkt" seiner «ESC»-Karriere beschrieb. Nicht nur, dass sein Schützling noch einmal antrat und am Ende mit 107 Punkten einen respektablen 10. Platz einfuhr. Raab war neben Anke Engelke und Judith Rakers auch Co-Moderator der Veranstaltung. Der beste dieser Art sei er nicht, unkten Kritiker. Sie warfen dem Entertainer vor, nicht locker genug zu sein und nur vom Teleprompter abzulesen. Doch im Eröffnungs-Act des «ESC» zeigte Raab, welche Qualitäten er hat. Zusammen mit Engelke, Rakers und den heavytones, die auch bei «TV total» für die Musik sorgen, interpretierte er Lenas Siegerlied aus dem Vorjahr um und machte aus "Satellite" eine Rocknummer. Die Medien überschlugen sich im Anschluss mit positiven Kritiken rund um die Show.

Nun will Stefan Raab also nicht mehr. Für viele kam dieser Schritt überraschend, doch Raab weiß wann es Zeit ist zu gehen. Thomas Schreiber bezeichnete den Moderator daraufhin als einen "klugen Mann". Das Format «Unser Star für…» könne nun weiterentwickelt werden. Und tatsächlich wird es spannend zu sehen sein, wie der deutsche Vorentscheid im nächsten Jahr aufgezogen wird – ganz ohne Stefan Raab als Hauptperson. Der Entertainer hat die Eurovision-Geschichte Deutschlands geprägt, er hat den Song Contest wieder zu einem echten Massenspektakel gemacht. Die beiden Übertragungen aus Oslo und Düsseldorf erreichten weit mehr als zehn Millionen Zuschauer – Werte, von dem man in den Jahren zuvor nur noch träumen konnte.
Und dann ist da natürlich das großartige Abschneiden Raabs bei all seinen Teilnahmen beim Wettbewerb – in welcher Form auch immer. Gekrönt durch den Sieg Lenas 2010. Raab hat den Song Contest aber auch aus seiner Lethargie befreit – zumindest aus deutscher Sicht. Denn eins ist der «ESC» nun nicht mehr: Der dröge Schlagerwettbewerb, in dem die Funktionäre in Anzügen die Musikacts beklatschen. Es ist endlich ein hipper Popwettstreit, angekommen bei den jungen Zuschauern und im neuen Jahrtausend.