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Nach anfänglichen Schwierigkeiten war van Gaal mit zunehmendem sportlichen Erfolg auch in der Münchener Medienlandschaft angekommen; seine provokative und herablassende Art, mit (schlecht informierten) Journalisten umzugehen und Pressekonferenzen zu bestreiten, wurde unter Fans schnell vom negativen zum positiven Markenzeichen. Dass dieser komische Holländer mit seiner Mannschaft gleich im ersten Jahr mit bezauberndem Fußball die Meisterschaft und den Pokal gewann sowie im Champions-League-Finale stand, hätte ihm wohl niemand zugetraut. Dies war immerhin die erfolgreichste Jahresbilanz eines Bayern-Trainers überhaupt. Und selbst außerhalb der bayerischen Hauptstadt konnten die sonst gern in Fußball-Deutschland ungeliebten Münchener ihre Fans finden: Die filigrane, technisch wunderbare, aber doch disziplinierte Art des Fußballspielens machte es möglich. Noch heute geraten nicht nur Bayern-Freunde ins Schwärmen, wenn sie an die Flügelspiele von Robben und Ribery denken.
Am 22. Mai 2010 stand der FC Bayern München wieder im Finale der „Königsklasse“. Neun Jahre nach dem letzten Titelgewinn und acht Jahre nach dem letzten deutschen Finalvertreter Bayer Leverkusen 2002. Dabei war der Weg dorthin äußerst steinig, denn Bayern stand mehrmals kurz vor dem Aus im Wettbewerb. Dies begann schon in der Gruppenphase: Nach den ersten vier Spielen hatten die Münchener nur einen Sieg und vier Punkte auf dem Konto; sie lagen zu diesem Zeitpunkt vier Zähler hinter dem Zweitplatzierten Juventus Turin. Ein Sieg im vorletzten Gruppenspiel sowie der gleichzeitige Erfolg von Girondis Bordeaux über Juventus wahrten die Chance der Bayern auf das Weiterkommen – nun musste ein Sieg im letzten Spiel gegen die Italiener her. Und dieses markierte letztlich wohl den Beginn der furiosen Bayern-Saison als Initialzündung: Mit 4:1 spielten Robben, Müller und Co. Juventus Turin an die Wand und boten großartigen, zuvor unter van Gaal ungekannten Fußball.
Doch auch Viertel- und Halbfinale sollten zur nervenaufreibenden Zitterpartie werden: Gegen den AC Florenz gewannen die Bayern das Hinspiel mit 2:1 durch einen anerkannten Abseitstreffer von Klose kurz vor Spielende, lagen aber im Rückspiel zeitweise mit 0:2 und 1:3 hinten – wie so oft in der Saison machte aber Arjen Robben den Unterschied, der abermals ein Traumtor erzielte und die Bayern durch das 2:3 weiterkommen ließ. Im Viertelfinale gab es dann gegen Manchester United fast dieselbe Konstellation: Auch hier gewann Bayern das Hinspiel durch einen Treffer kurz vor Schluss mit 2:1, musste aber im Rückspiel nach 41 Minuten einen 0:3-Rückstand aufholen. Durch einen Treffer von Olic und schließlich Robben (das unvergessene Volley-Tor) kamen aber auch hier die Münchener weiter und besiegten Olypmpique Lyon im Halbfinale souverän durch zwei Siege.
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Doch es gab einen kleinen Haken, der sich im Finale schließlich als schmerzhaft erweisen sollte: Franck Ribery durfte aufgrund einer (zweifelhaften) Rotsperre nicht auflaufen – die berüchtigte und so erfolgreiche Flügelzange „Robbery“ wurde auseinandergerissen und Robben allein hatte der disziplinierten Abwehr Inter Mailands am 22. Mai letztlich nicht viel entgegenzusetzen. Aus der Tiefe konterten die Italiener wie erwartet und schossen folgerichtig in der 35. Minute das 1:0 durch Diego Milito, der Abwehrchef van Buyten gekonnt umschiffte. In der zweiten Halbzeit hatte der FC Bayern ebenfalls mehr Ballbesitz und kam auch zu gefährlicheren Chancen, aber das nötige Glück und die Disziplin der Inter-Abwehr verhinderten einen Ausgleich. Einer der Konter führte letztlich zum 2:0 ebenfalls durch Milito – Bayern war in der 70. Minute geschlagen. Die Finalniederlage führte auch dazu, dass Italien eine weitere Saison den vierten Champions-League-Platz behalten durfte – Deutschland bekommt diesen nun erst ab der kommenden Spielzeit 2011/12.
Trotz des Ausgangs durfte sich Sat.1 über hervorragende Einschaltquoten freuen, auch wenn diese wohl bei einem Sieg höher ausgefallen wären: 11,07 Millionen Zuschauer sahen die erste Halbzeit, was einem sensationellen Marktanteil von 39,0 Prozent entsprach. In der Zielgruppe wurden sogar 44,5 Prozent gemessen. Die zweite Hälfte verfolgten 12,64 Millionen Zuschauer bei 43,8 Prozent sowie 5,35 Millionen 14- bis 49-Jährige, wo der Marktanteil nun auf 45,8 Prozent anstieg. Wenig ungewöhnlich waren dann die relativ schwachen Zahlen der Nachberichte – bedingt durch die Bayern-Niederlage: Nur 3,36 Millionen blieben dabei; die Vorberichte mit Johannes B. Kerner hatten noch 5,14 Millionen Bundesbürger gesehen.
Dass der Fußball wirklich nur das vielzitierte „Tagesgeschäft“ ist, zeigte sich in der abgelaufenen Fußball-Saison 2010/11: Trotz der unglaublichen Erfolge im Vorjahr wurde Louis van Gaal nach mäßig überzeugenden Leistungen in der Bundesliga und dem Ausscheiden aus allen Pokal-Wettbewerben entlassen. Doch die unvergessliche, atemberaubend spannende Champions-League-Saison 2009/10 kann ihm und seiner Mannschaft niemand nehmen – auch wenn es am Ende zum Titel nicht reichte.