Fortsetzungen sind Komfortkino. Darum ist die geringe Originalität von «Hangover 2» auch nur halb so wild...
«Hangover 2» legte vergangenes Wochenende in den USA einen Sensationsstart von über 100 Millionen Dollar hin. Ein Komödienrekord!
Den US-Kritikern ist dies jedoch nicht zu verdanken. Diese bemängeln, «Hangover 2» sei eine derbe, frechere Wiederholung des Überraschungshits von 2009, die mangels Originalität ins Schlechte abgleite.
Gewiss hätte es «Hangover 2» gut getan, die narrative Erfolgsformel von «Hangover» etwas stärker aufzufrischen. «Hangover» wurde solch ein Kritikerliebling, weil er für eine respektlose, dreckige Komödie sehr intelligent strukturiert war. Manche juxten, es sei «Memento» im Kleid einer Säuferkomödie. Und so falsch ist diese Bezeichnung nicht einmal. Die Fortsetzung funktioniert auf der Storyebene nahezu genauso wie ihr Vorgänger, wodurch sie an Charisma und Einfallsreichtum verliert. Dies ist durchaus schade.
Trotzdem wird «Hangover 2» dadurch nicht zu einem schlechten Film. Und vor allem übersehen viele Kritiker eines der wichtigsten Elemente einer Fortsetzung: Den Publikumswunsch nach Familiarität. In «Hangover 2» werden mehrere Kameraaufnahmen aus Teil 1 nachgeahmt, und dass den selben Kumpels die selbe Scheiße an einem viel gefährlicheren Ort widerfährt, das muss so sein. Ja, die Entwicklungen dieses Erfolgsrezepts hätte man auflockern können. Aber wäre «Hangover 2» eine vollkommene Überraschung und würde sich viel stärker vom Vorläufer abheben, dann würde das Publikum ihn nicht so freudig entgegennehmen.
Denn Fortsetzungen sind Komfortkino. Das ist keinesfalls etwas schlechtes. Sie können sich müheselige Exposition sparen, das informationsschwangere Einführen seiner Figuren. Viel schneller können sie zum wesentlichen kommen. In «Hangover 2» ist es der Filmriss, in Superheldenfilmen sind es die dramatischen Actionpassagen. Fortsetzungen bieten dem Kinopublikum Sicherheit: Die Kinogänger wissen im Normalfall bereits, was sie so ungefähr erwartet. Die Figuren, die Gesetze, denen dieses Filmuniversum gehorcht, welche Atmosphäre vom Film zu erwarten ist.
Aus der Familiarität kann ein Film sogar Vorteile entwickeln. Nämlich, wenn mit diesen Erwartungen gespielt wird. «Hangover 2» verfährt darin recht vorsichtig. Wieder ist es Justin Barthas Figur Doug, die noch sehr harmlos davon kommt; der derbere Humor ist eine konsequente Fortführung einiger der größten Lacher in «Hangover». Aber es gibt Fortsetzungen, die viel mehr aus ihren Möglichkeiten gewinnen. Ein Paradebeispiel ist wohl «Toy Story 3»: Der Film bleibt den schon etablierten Figuren treu, schafft anfangs ein wohlbekanntes, komfortables Gefühl. So, als fände der Zuschauer in sein altes Kinderzimmer zurück. Und dann nimmt «Toy Story 3» die altbekannten Elemente und versetzt sie in ungeahnte Extremsituationen. Er wird viel dramatischer, viel nachdenklicher und trauriger als seine Vorgänger. Künstlerisch eine konsequente Weiterentwicklung, ähnlich wie bei der Härte des Humors in «Hangover 2», aber es kommt so viel unerwarteter. Neben narrativen, schon bekannten Elementen, die ein komfortables Sehgefühl auslösen (etwa den neben der Spur stehende Buzz Lightyear), tut «Toy Story 3» neue Horizonte auf.
Man darf dabei nicht übersehen: «Toy Story 2» war stilistisch noch wesentlich näher am Original. Also, wer weiß? Angesichts des riesigen kommerziellen Erfolgs ist «Hangover 3» wohl abgemachte Sache. Vielleicht hauen Regisseur Todd Phillips und Konsorten dann einen unerwarteten Oscar-Kandidaten raus? Nach der frechen Fortsetzung die smarte? Phillips scherzte schon, er wolle zum großen Abschluss etwas vollkommen anderes machen. So lange der Lachfaktor gleich bleibt, wieso nicht? Es wäre eine Herausforderung für die Drehbuchautoren, aus dem engen Konzept der «Hangover»-Filme etwas zu formen, das witzig ist, dem Stil der Reihe treu bleibt und dennoch intelligent und neuartig ist. Aber: Fortsetzungen sind zwar Komfortkino, nur muss dass ja nicht bedeuten, dass es sich auch die Filmverantwortlichen leicht machen müssen. Wir dürfen also auf den dritten Filmriss gespannt sein…