Die Kritiker

«Kommissarin Lucas: Gierig»

von
Story
Karoline Roth, Angestellte einer renommierten Regensburger Privatbank, wird tot aus der Donau geborgen. Erste Ermittlungen von Kommissarin Lucas lassen den Mordfall in einem neuen Licht erscheinen: Kurz vor ihrem Tod hatte Roth für 2 Millionen Euro den bayerischen Behörden eine Daten-Sammlung mit Angaben über deutsche Kunden einer Schweizer Bank zum Kauf angeboten. Die Steuer-CD und Roths Computer sind zunächst unauffindbar.

Als bei der Steuerfahndung erneut eine E-Maileingeht, gerät Christian Wittbach, ein Kollege der Ermordeten, ins Visier der Ermittler. Eindeutiges Beweismaterial belastet Wittbach schwer, und er wird wegen Mordverdachts in Haft genommen. Als Wittbach behauptet, der Steuerfahndung die gesuchte Steuer-CD aushändigen zu können, muss Ellen Lucas feststellen, dass in dieser Angelegenheit die Politik entscheidenden Einfluss auf die Aufklärung des Falles nimmt. Kaum gibt es erste entlastende Beweise, wird Wittbach zur Übergabe der CD freigelassen. Lucas ist fassungslos über Boris' Haltung, der sich dem Steuerfahnder Merdinger nicht eindeutig in den Weg stellt. Lucas bleibt an Wittbach dran und nimmt auch dessen Frau Luise ins Visier, die im Auftrag ihres Mannes Kontakt zu dem Industriellen Schupp aufnimmt. Die Polizei findet heraus, dass der Fundort der Leiche nicht der Tatort gewesen sein kann. Auch Einbruchsspuren im Auto und der Wohnungder Ermordeten führen zu neuen Ermittlungsergebnissen. Wusste der Bankdirektor Neuhaus wirklich nicht, dass die Steuerdaten aus seiner Bank kamen? Und was hat Herr Schupp, einer der größten Kunden der Privatbank, mitdem Fall zu tun? Erst als Kommissarin Lucas die politischen Zusammenhänge durchleuchtet, entdeckt sie das wahre Motiv des Täters.

Darsteller
Ulrike Kriener («Klimawechsel») ist Ellen Lucas
Florian Stetter («Sophie Scholl – Die letzten Tage») ist Leander Blohm
Michael Roll («Henri 4») ist Boris Noethen
Alexander Lutz («Geld.Macht.Liebe») ist Martin Schiff
Tilo Prückner («Die Fälscher») ist Max
Anke Engelke («Eurovision Song Contest 2011») ist Rike
Herbert Knaup («Das Leben der Anderen») ist Klaus Merdinger
Devid Striesow («Die Fälscher») ist Christian Wittbach
Jeanette Hain («Der Vorleser») ist Luise Wittbach
Christian Doermer («Stauffenberg») ist Karl-Heinz Schupp

Kritik
Es ist ein packender Plot mit Tiefgang und einem deutlichen aktuellen Bezug, der uns in der neuen Folge von «Kommissarin Lucas», dem mittlerweile fünfzehnten Fall, präsentiert wird. „Es geht hier um mehr als Mord. Es geht um Steuergerechtigkeit“, sagt Steuerfahnder Klaus Merdinger (von Herbert Knaup nuanciert und treffend gespielt) an einer markanten Stelle des Films. Doch auch das ist noch nicht ausreichend: Es geht um Gier, Vertrauen und die Zerbrechlichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen – und das, ohne die Themen penetrant zu inszenieren.

Das Privatleben der Ermittler wird wieder einmal ausgeklammert, was nach wie vor erfrischend ist. Es geht hier um den Fall und nicht um irgendwelche schlecht geschriebenen Beziehungslappalien, die in den allermeisten anderen deutschen Krimis immer nebenher erzählt werden und die Tragik der Haupthandlung verwässern. In „Gierig“ gibt es lediglich einen Sub-Plot, den um Rikes Fischrestaurant. Dieser ist zwar irrelevant, stört aber nicht maßgeblich und schafft es stellenweise sogar, die relevanten Konflikte aus Ellen Lucas' Privatleben geschickt zu spiegeln. Das gelingt sonst höchst selten.

Die neue Ausgabe zeichnet sich unter anderem durch ein in weiten Teilen geradezu mustergültig geschriebenes Drehbuch mit außerordentlich starken, weil authentischen Dialogen aus. Der Fall ist komplex, wird aber durch die einwandfreie Strukturierung nie undurchschaubar. Dass das Drehbuch von Florian Iwersen, Stefan Holtz und Ralf Huettner (Letzterer zeichnet sich auch für die Regie verantwortlich) an einigen wenigen Stellen etwas zu forciert sentimental ausfällt, lässt sich, ohne ein Auge zudrücken zu müssen, verschmerzen. Schließlich bleibt der Film trotz aller plotgetriebenen Spannung durchgehend auch tiefenpsychologisch interessant und die Schuldigen werden wohltuend ambivalent dargestellt.

Einen großen Verdienst daran haben auch die durchwegs hervorragenden Darsteller: Jedem Einzelnen von ihnen gelingt es, einen großen Teil zur Authentizität des Films beizutragen und einen lang anhaltenden Nachgeschmack beim Zuschauer zu hinterlassen; ob Ulrike Kriener, die ihre Rolle wieder einmal hervorragend spielt; Devid Striesow als der verzweifelte Banker, dessen Aktionen aus dem Ruder zu laufen beginnen; bis hin zu Christian Doermer als der alteingesessene Unternehmer, der sich auf etwas eingelassen hat, das er nicht (mehr) durchschaut. Es sind hervorragende Leistungen, gerade weil sich die Darsteller und das Drehbuch oftmals einer eindeutigen Wertung oder gar Verurteilung ihrer Figuren entziehen. Es ist die alte Frage nach dem „Was rechtfertigt was?“ Einen derart herausragenden Krimi sieht man nicht alle Tage.

Das ZDF strahlt «Kommissarin Lucas: Gierig» am Samstag, den 4. Juni 2011, um 20.15 Uhr aus.

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