Die erste Ausgabe von «Schlag den Raab» mit Steven Gätjen als Moderator lief letzten Samstag. Ist er eine Moderationsamöbe oder Geheimwaffe?
Wo haben sie diesen Gätjen denn nun ausgegraben? Was will der in einer Sendung wie «Schlag den Raab», das von Spontanität und Witz lebt? Das ist doch dieser «Sommermädchen»-Typ, der sich nicht einmal für die Moderation von Gülcans Hochzeit zu schade war. Und dessen einzig halbwegs fesselndes Format, «Fort Boyard», schon fast ein Jahrzehnt zurückliegt. Und der bei der letzten ProSieben-Pre-Show zur Oscar-Verleihung allein durch seine schlechte Vorbereitung (sein Interview mit Sandra Bullock) auffiel. Wie will uns dieser Typ bitte geile Magic Moments ins Wohnzimmer bringen?
Das alles sind „cheap shots“. Doch das war in etwa der Tonus in einer Vielzahl von Foren und Leitartikeln in den Tagen, in denen bekannt wurde, dass Gätjen die Nachfolge von Opdenhövel als Moderator einer von Deutschlands größten Unterhaltungsshows antritt. Was hat ProSieben denn da geritten? Hätten sie ja gleich den Schreyl hinstellen können, den ollen Tarnkappen-Moderator.
Auch wenn bei «Schlag den Raab» die Show der Star ist, oder vielmehr wohl Raab selbst, so fällt dem Moderator der Sendung bei diesem Konzept dennoch eine tragende Rolle zu. Angesichts der beträchtlichen Summen, um die hier gespielt wird, und eines Stefan Raab, der sie mit allen Mitteln verteidigt, können heiße Situationen entstehen. Etwa, wenn Raab wieder einmal nicht richtig zuhört, wenn die Regeln erklärt werden, oder er sich an einer Nudel fast den Finger absäbelt. Dann gilt es, ruhig zu bleiben, gewohnt weiter souverän durch die Sendung zu führen, und doch die einen oder anderen Spitzen rauszuhauen, die man nach den Opdenhövel-Jahren erwartet. Es ist alles andere als eine einfache Aufgabe, die Gätjen hier erwartete. Denn bei «Schlag den Raab» ist es nicht damit getan, einfach ein paar Telefonnummern runterzubeten, MAZen anzusagen und mit Sangeskandidaten über Banalitäten zu schwadronieren. Um neben Raab und dem Kandidaten als Moderator bestehen zu können, braucht es Souveränität, Sinn für ansprechenden (!) Humor, eine sympathische und doch unkonventionelle Art und jede Menge Gelassenheit. Das ist eine schwierige Gratwanderung, denn schnell kann man von nett gemeinter Ironie in Boshaftigkeit abrutschen oder, was vielleicht noch schlimmer ist, zu Tode langweilen. Doch – zur Überraschung von Vielen – meisterte Gätjen seine Aufgabe sehr gut.
Er war schlagfertig, ein bisschen frech, wann immer er es sein konnte, und das stets ohne Bösartigkeit, sondern mit augenzwinkernder Kumpanei. Nie steif, nie überfordert, nie schematisch – und auch bei schwierigen Situationen noch souverän. Selbstverständlich sind Opdenhövels Fußstapfen die eines Big Foot und natürlich ist für Gätjen hier noch deutlich Luft nach oben drin. Doch der Anfang seiner «Schlag den Raab»-Karriere stimmt optimistisch. Angesichts der Leistung seines Vorgängers ist das fast die Spitze der Erwartungen. Ein Marco Schreyl könnte davon nur träumen.
360 Grad geht in die Sommerpause und meldet sich am 1. Juli mit einer neuen Ausgabe zurück. Plus-Abonnenten können sie bereits am 30. Juni um 20.00 Uhr lesen.