Der Schwartzkopff TV-Chef wird ab Herbst «The Voice of Germany» machen. Mit uns sprach er über seine Pläne, genau wie über die neue Sat.1-Show «Ich liebe Deutschland» und den Daily Talk, der seine Firma noch bis heute prägt.
Herr Roeder, Ihre Firma wird in der öffentlichen Wahrnehmung stets stark mit den Daily Talks in Verbindung gebracht. Dass Sie seit Jahren auch Primetime-Formate machen, wissen hingegen nur wenige…
Wer über Jahre hinweg in einem bestimmten Genre Marktführer war, wird lange mit einem bestimmten Image in Verbindung gebracht. Das ist Fluch und Segen zugleich. Damals war es toll, weil wir in dieser Monokultur sehr synergetisch arbeiten konnten. Aber wir alle kennen ja die Budgets, die zur Verfügung stehen und wie vorsichtig damit umgegangen wird: Mancher Programmmacher stellt sich dann also schon die Frage: „Können die das?“ In manchen Fällen werden wir also in der Tat noch immer sehr mit Daily Talk in Verbindung gebracht. Ich will das nicht verurteilen: Es wäre wohl anders, wenn wir erfolglos nur einen Talk ein halbes Jahr lang gemacht hätten. Aber wir waren eben überaus erfolgreich mit zeitweise drei täglichen Formaten. Insgesamt haben wir rund 5000 Daily Talks produziert. Auf der anderen Seite machen wir seit zehn Jahren auch Primetime-Shows wie «Ein Herz für Kinder», die Shows mit Marianne und Michael, die Goldene Kamera, wir waren technischer Dienstleister bei «Willkommen bei Carmen Nebel»…
Wollen Sie sich von diesem Image entfernen?
Ich bin nicht traurig darüber, denn ich liebe den täglichen Talk. Aber wir können viel, viel mehr.
Für Sat.1 dürfen Sie die Show «Ich liebe Deutschland» machen. Was erwartet die Zuschauer?
Eine heitere, lustige Panel-Show, die wissensbasiert ist. Es werden Fragen aus Deutschland gestellt, gemischt mit ganz lebensalltäglichen Fragen. Es gibt zwei Team-Kapitäne und je drei weitere Gäste, die 20+, 30+ und 40+ sind. Die beiden Panels treten gegeneinander an – alles in allem eine sehr feine und fröhliche Unterhaltungssendung.
Erinnert mich ein wenig an «Genial Daneben»…
Wir haben zwei Panels. Ich kann aber versprechen: Wir sind sicher, dass das eine sehr lustige Sendung wird. Im Ausland ist diese übrigens überaus erfolgreich.
Ich wollte es gerade sagen: Da gehen die Quoten förmlich durch die Decke. Das ist hierzulande aber wohl nicht zu erwarten?!
Das ist ungefähr so, als sollte ich Wahlergebnisse prognostizieren. Ich wäre zufrieden, wenn Sat.1 sofort beschließen würde, eine zweite Staffel zu bestellen.
Jürgen von der Lippe wird moderieren. Wieso fiel die Wahl auf ihn?
Er war unser Traumkandidat. Er schafft eine einzigartige Verbindung aus Wissen und Humor. Ich erinnere mich noch immer sehr gerne an seine Show «Geld oder Liebe» zurück und an die authentische Nähe, die er ausstrahlt. Von der Lippe ist spielfreudig, witzig, intelligent und eine der größten Unterhaltungsinstanzen, die wir in Deutschland überhaupt haben.
Jürgen von der Lippe ist vor allem live wirklich genial. Wird «Ich liebe Deutschland» live on Tape sein?
Wir werden sicherlich nicht schneiden, wenn spaßige Szenen mit Jürgen von der Lippe entstehen. Grundsätzlich produzieren wir live on Tape, wir behalten es uns aber vor, eine Sendung zu straffen, wenn sie mal Längen hat.
Sie arbeiten hier mit John de Mol und Talpa zusammen. John de Mol sprüht derzeit wieder vor Ideen…
«I love my Country» ist sein Format, er ist auch hierzulande Executive Producer. John de Mol ist einer der erfolgreichsten TV-Macher Europas, wenn nicht gar der ganzen Welt. Er hat eine enorme Erfahrung in unserem Geschäft und ein glückliches Händchen, was neue Formate angeht. Er verfügt über eine unglaubliche Fähigkeit in diesem Gebiet – alles in allem: Ein toller Mann.
Kommt da noch mehr in Sachen Zusammenarbeit Schwartzkopff und John de Mol / Talpa?
Talpa steht schon sehr für große Shows. Aber die Kollegen machen auch andere Sachen, zum Beispiel Factual Entertainment. Da ist nicht alles nur Shiny Floor. Wir werden mit John de Mol «The Voice of Germany» für ProSieben machen…
Darauf kommen wir gleich zu sprechen… gibt es sonst noch weitere Formate in der Pipeline?
Ja, wir denken über weitere Formate nach – wir sprechen auch mit den Sendern. Aber da kann ich jetzt noch nichts dazu sagen.
Was macht eine gute TV-Show im Jahr 2011 aus?
Eine gute Show im Jahr 2011 muss das haben, was auch eine gute Show im Jahr 1971 haben musste. Sie muss die Zuschauer authentisch berühren. Natürlich hat man 1971 das Publikum auf andere Art und Weise berührt. Das Leben hat sich inzwischen geändert, der Look und Feel ist heute anders. Die Inszenierungen und Geschwindigkeiten sind heute andere. Die grundsätzlichen Dinge aber blieben gleich: Erreiche ich mit einer Show die Seele der Zuschauer? Mache ich mit der Sendung Spaß? Nehme ich den Zuschauer an die Hand? Erstaune und überrasche ich?
Erstaunt und überrascht haben die Quoten von «The Voice» in Amerika bei NBC. Was können Sie als Showproduzent von den Amerikanern lernen?
«The Voice» ist in den USA noch einmal anders als in Holland - nicht zuletzt wegen der anderen Erlössituation in den Vereinigten Staaten. NBC macht aber auch eine kürzere Staffel als es in Holland der Fall war. Dennoch: «The Voice» steht für großes Entertainment und die kongeniale Verbindung von Musikern und Entertainern mit grandiosen Stimmen.
Lassen Sie sich in Sachen Studio und Design von den Amerikanern inspirieren?
Schon. Genaues kann ich darüber aber noch nicht sagen, da ich unsere Outlines noch nicht kenne.
Für NBC war «The Voice» der beste Showstart seit 2008. Macht Ihnen das Mut oder muss man die beiden Märkte ganz unabhängig voneinander betrachten?
Das stützt und stärkt uns, aber trotzdem müssen wir hier unsere Arbeit machen. Wir partizipieren sicherlich vom Erfolg der Amerikaner, was aber nicht heißt, dass die Show hierzulande ganz automatisch ein Hit wird. Wir haben ein sehr erfahrenes Team zusammengestellt, das vorher schon für «Popstars» oder «X-Factor» gearbeitet hat. «The Voice of Germany» wird im Casting-Bereich eine neue Etappe eröffnen. Eine Prognose, wie erfolgreich die Show hierzulande wird, möchte ich aber nicht abgeben. Ich prognostiziere schließlich auch keine Lottogewinne – das bringt zudem vielleicht Unglück.
«The Voice of Germany» soll anders werden als «Deutschland sucht den Superstar». Auch «X-Factor» wollte und wurde letztlich anders. Wie anders ist Ihr Format nun?
Anders anders. Gehen Sie auf YouTube und schauen Sie in die „Blind Auditions“ aus den USA hinein – das komplette Format hat einen anderen USP und eine neue Qualität. Wir beginnen mit den „Blind Auditions“, über die auch schon viel geschrieben wurde. Es geht darin nur um die Stimme – die Juroren sehen die Kandidaten nicht. Wir wollen respektvoll mit unseren Kandidaten umgehen. Unsere Jury wird sich nicht über die Talente stellen – dreht sich in den Blind Auditions mehr als ein Juror zum Künstler um, so darf der Künstler entscheiden, in welchem Team er sein möchte. Wir sorgen so dafür, dass die Balance der Verantwortung verteilt wird: Es kommt nicht von oben herab. Unsere Sängerinnen und Sänger haben ein großes Mitspracherecht. Bei «The Voice of Germany» wird kein Talent einen Song singen müssen, den es nicht wirklich singen will. Es ist das klare Ziel von John de Mol, dass aus dieser Sendung ein Musiker hervorgeht, der über Jahre hinweg kommerziell erfolgreich ist.
Eins nach dem anderen: Sie sprechen von respektvollem Umgang, von Mitspracherecht. Sollte das nicht in jeder TV-Show Grundvoraussetzung sein und ist es vielleicht bei manchen Casting-Shows eben nicht so?
Andere gehen damit sicherlich spielerischer um.
Dass der Sieger über Jahre hinweg auch kommerziell erfolgreich sein soll, ist ein ehrgeiziges Ziel. Zuletzt gelang dies Mark Medlock, wobei man darüber sicherlich auch streiten kann…
Das wissen wir und genau daran wird gearbeitet. Das ist eine der Formatvorgaben von John de Mol. «The Voice of Germany» soll ein neuartiges, fesselndes, packendes Programm werden, das Woche für Woche mit der Stimme und dem Charisma der Kandidaten überrascht und dessen Sieger eine große Karriere bevorsteht.
Können Sie mir schon sagen, wer die Coaches sein werden?
Wir sind mit den Musikgrößen in sehr guten Gesprächen. Namen kann ich aktuell aber noch keine nennen.
Sie haben bereits gesagt, dass NBC in den USA eine etwas kürzere Staffel geordert hat. Die zweite Runde wird nun deutlich länger. Wie viele Episoden soll es in Deutschland geben? Ich tippe auf die gewohnte Anzahl round about 16?
Ich habe keine Programmhoheit über ProSieben und kann deshalb dazu nichts sagen.
Herr Roeder, wir kommen am Thema Daily Talk nicht vorbei: Vor einigen Jahren wurde immer wieder über das Comeback des Genres gesprochen; dann kam RTL mit «Natascha Zuraw»: Wurden mit dem Moment der Absetzung dieser Show auch die anderen Ideen begraben?
Das glaube ich nicht. Jeder, der in diesem Bereich über Know-How verfügt, ist eigentlich verpflichtet, eine neue Welle des Daily Talks herbeizuführen. Ich bin mir sicher, dass Daily Talks auch heute eine sehr gute Alternative für die Sender sind. Ein neuer Daily-Talk, so wie damals mit Frau Zuraw, ist immer ein Risiko. Aber ich schätze das sehr, wenn man zu so etwas bereit ist. Ich bin der Überzeugung, dass der Daily Talk zurückkommen wird. Natürlich sind die Sender nach dieser Erfahrung mit solchen Formaten erst einmal vorsichtiger. Deshalb denken wir auch immer in diese Richtung, pilotieren im Moment aber nichts.
Wie müsste ein neuer Daily-Talk Ihrer Meinung nach aussehen?
Lustig. Wir brauchen mehr Unterhaltung.
Lustig? Nun ist Humor nicht gerade das, wofür «Britt», die von Ihnen seit mehr als zehn Jahren erfolgreich produzierte Sendung, bekannt ist…
Natürlich wird bei «Britt» auch mal gelacht. Sonst hätte das Format sicherlich nicht zehn Jahre lang überleben können. Das Format wurde ständig mit neuen Elementen erfrischt und wenn neue dramaturgische Ideen bei «Britt» nicht funktionieren, dann stellen wir sie sehr schnell ein. Was ganz wichtig ist: Unsere Moderatorin Britt Hagedorn ist sehr glaubwürdig. Wir hatten vor einiger Zeit Probleme mit dem Format, weil wir dachten, dass wir keine Themen mehr finden würden. Doch dann kam das Internet mit all seinen Facetten, Missverständnissen und neuen Kommunikationsformen auf. Ganze Beziehungen werden mittlerweile via Facebook oder auch via SMS geführt. Das hat uns eine ganze Palette an neuen Themen geliefert.
Wo liegt Ihrer Meinung nach der Trend in der Daytime?
Der Nachmittag wird sich für verschiedene Programmfarben öffnen. Scripted Reality sehe ich noch über einige Jahre hinweg stabil. Ich glaube auch, dass Game und Quiz in neuem Gewand eine Rolle spielen wird. Und natürlich würde ich sehr gerne weitere Daily-Talks zum Programm beisteuern.
Eine letzte Frage, weil Sie vorhin die hohe Glaubwürdigkeit von Britt angesprochen haben. Gibt es in diesem Bereich talentierten Nachwuchs?
(überlegt). Ja, den gibt es. Sehen Sie: Eine Gesellschaft verändert sich – und somit verändern sich auch die Ansprüche an moderne Helden. Es gibt charismatische junge Talente, die als glaubwürdig gelten und denen ich diese Aufgabe zutraue. An Talenten mangelt es keinesfalls.
Vielen Dank für das Gespräch.