Als 2008 «Kung Fu Panda» in die Kinos kam, stach er aus den restlichen Produktionen von Dreamworks Animation heraus. Neben frechen Komödien voller popkultureller Anspielungen wie «Shrek der Dritte» und «Madagascar 2» brachte die beherztere und ausgereifte Geschichte des rundlichen Pandas Po frischen Wind in den Output des Trickstudios. Statt das Kung-Fu-Genre hämisch zu dekonstruieren, wie die «Shrek»-Reihe es mit Märchen getan hat, bot «Kung Fu Panda» ein ehrliches, vom asiatischen Kampffilm inspiriertes Kinoerlebnis für die ganze Familie. Natürlich fehlten weder Slapstick, noch Dialogwitz, aber die Attitüde war insgesamt freundlicher als bei den meisten anderen Dreamworks-Animationsfilmen, auf die emotionale Komponente und Figurenentwicklung wurde mehr Wert gelegt. Deshalb ordneten viele Kritiker «Kung Fu Panda» seinerzeit als den besten computeranimierten Film des Studios ein. Die Animationsbranche sah dies wohl ähnlich und entlohnte den sowohl inhaltlich, wie auch visuell überaus gelungenen Film mit elf Annie Awards, der ruhmreichsten Auszeichnung im westlichen Tricksegment.
Vergangenes Jahr bekam Po mit «Drachenzähmen leicht gemacht» ernste Konkurrenz: Die Kinderbuchadaption erhielt hervorragende Kritiken und wurde sogar als ernstzunehmender Kandidat für eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester Film” gehandelt. Mit zehn Siegen bei den Annie Awards lag «Drachenzähmen leicht gemacht» nur knapp hinter «Kung Fu Panda», an den Kinokassen nahm das Wikingerabenteuer wiederum etwas mehr ein und wurde sogar zum erfolgreichsten Film des Studios abseits der «Shrek»-Saga. Die Messlatte wurde also ganz klar höher gehängt. Um vorzugreifen: «Kung Fu Panda 2» kann diese große Hürden nicht gänzlich nehmen, weiß aber ungebrochen zu unterhalten.
Die Story: Suche den inneren Frieden
Obwohl Po im Laufe der Ereignisse von «Kung Fu Panda» die Prophezeiung erfüllte und zum legendären Drachenkrieger wurde, ist er immer noch der gleiche Panda geblieben. Statt mit seinen Teamkollegen, den furiosen Fünf, zu trainieren, versucht er sich in Fresswettbewerben. Und auch seine Tollpatschigkeit hat der nicht gerade eisenharte oder grazile Kämpfer nicht ablegen können. Sein Meister Shifu konnte sich mittlerweile mit dem andersartigen Wesen seines Schützlings abfinden, trotzdem erachtet er Pos Ausbildung nicht für gänzlich komplett: Das stets hungrige Pummelchen müsse noch seinen inneren Frieden finden, um ein wahrer Meister des Kung Fu werden zu können. Zeit, diese seelische Ausgeglichenheit zu entdecken, hat Po allerdings nicht: Eine fiese Wolfsbande zieht durch China und stielt allerorts sämtliches Metall, um daraus für den garstigen Lord Shen die ultimative Waffe zu bauen. Lord Shen will mittels seiner jegliches Kung Fu besiegenden Geheimwaffe erst die Macht über seine einstige Heimatstadt Gongmen, und daraufhin über ganz China an sich reißen – und auch wenn eine Prophezeiung sein Scheitern vorhersagt, scheint Lord Shen auf dem besten Wege, sein Ziel zu erreichen. Also müssen Po und die furiosen Fünf aufbrechen, um Lord Shen aufzuhalten, das ganze Land und die alterwürdige Kunst des Kung Fu zu retten.
Der Look und Klang: Bilderbuch-Kampfkunst
Wie schon der Vorgänger, besticht auch «Kung Fu Panda 2» mit einem stimmigen Produktionsdesign. Die liebenswürdigen Figurendesigns bieten zusammen mit den malerischen Hintergründen vieles für das verwöhnte Auge, und auch die durchgehend flüssige, ausdrucksstarke Figurenanimation spielt in der ersten Liga. Dass «Kung Fu Panda 2 nicht ganz so detailreich wie «Drachenzähmen leicht gemacht» ist, zeugt nicht etwa von Kostenersparnis, sondern stellt vor allem eine stilistische Entscheidung dar. Dadurch, dass «Kung Fu Panda 2» ästhetisch von asiatischer Malerei inspiriert ist, würden zu detaillierte Schauplätze ihn seines Flairs berauben. Bemerkenswert sind in dieser Hinsicht außerdem die fantasievollen Passagen, in denen die übliche Computeranimation zu Gunsten von Zeichentricksequenzen fallen gelassen wird – sei es im Vor- und Abspann (der sich an chinesisches Schattentheater anlehnt) oder in Pos lebhaften Erinnerungen.
Die fernöstlich-magische Atmosphäre von «Kung Fu Panda 2» wird darüber hinaus durch die hörenswerte Filmmusik unterstützt, die John Powell mit seinem Mentor Hans Zimmer wiedervereint. Der Soundtrack reicht nicht an die meisterliche Klanggewalt von «Drachenzähmen leicht gemacht» (für den Powell eine Oscar-Nominierung erhielt) heran, bietet aber eine facettenreiche Mischung aus typisch asiatischen Arrangements, klassisch anschwellendem Streichorchester und gelegentlich auftauchenden Bläsern im Big-Band-Stil. Während die stilleren und komödiantischeren Parts der Filmmusik vollste Wirkung zeigen, fällt auf, dass die Actionpassagen nicht immer so griffig und dynamisch sind, wie es die jeweiligen Filmsequenzen verlangen.
Yin und Yang: Inhaltliche Stärken und Schwächen
Möchte man ergründen, weshalb «Kung Fu Panda 2» die Erwartungen mancher Zuschauer möglicherweise nicht erfüllen kann, muss man unter die Oberfläche gehen und sich stärker auf die inhaltlichen Komponenten konzentrieren. An und für sich sind die Zutaten für eine das Original weit hinter sich zurücklassende Fortsetzung gegeben. Dadurch, dass der ausgetretene Pfad vom Verlierer zum Helden seines Fachs schon in «Kung Fu Panda» beschritten wurde, konnten die zurückkehrenden Autoren Jonathan Aibel und Glenn Berger aus einem reichhaltigeren Topf an Möglichkeiten schröpfen. Mit dem neuen Antagonisten, dem eleganten und doch unheimlichen Pfauen Lord Shen, ist ihnen auch ein besserer Schurke gelungen, als noch im ersten Teil. Nicht nur, dass der mit Agilität und Grazilität beeindruckende Shen den Animatoren mehr Raum bietet, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen (Shen soll zu den tricktechnisch schwierigsten Figuren des Studios gehören), er hat auch eine spannendere, da komplexere Hintergrundgeschichte.
Mit Lord Shen, der in der einen Minute noch mit einem Genozid Angst und Schrecken verbreitet, in der nächsten schon durch das verplante Zusammenspiel mit seinen Untergebenen herzliche Lacher auslöst, hält auch ein reiferer Tonfall Einzug in «Kung Fu Panda 2». Selbstverständlich spielt der Humor weiterhin eine große Rolle, insbesondere die gesamte Sequenz nach Ankunft Pos und der Furiosen Fünf in Gongmen liefert einen zündenden Gag nach dem nächsten, aber Pos Suche nach innerem Frieden und seinem wahren Ich sowie die Bedrohung durch Lord Shen werden ernster behandelt, als man nach dem etwas kindlicheren Vorgänger vielleicht erwartet hätte. Die «Kung Fu Panda»-Filme nehmen insofern die selbe Route wie Pixars Aushängeschild «Toy Story», welches nach dem ersten Teil seine bunte, humorvolle Welt immer stärker mit Substanz füllte und ernstere Themen behandelte.
Anders als den «Toy Story»-Fortsetzungen oder dem weniger dramatischen «Drachenzähmen leicht gemacht» fehlt «Kung Fu Panda 2» jedoch das sprichwörtliche Gewicht. «Kung Fu Panda 2» nimmt sich zwar größeren, ernsteren Themen an, sie hinterlassen allerdings nicht solch einen emotionalen Eindruck, wie es bei der Geschichte von «Kung Fu Panda» der Fall war. Dies liegt unter anderem daran, dass diese Fortsetzung, obwohl sie inhaltlich neue Wege geht, in ihrer Erzählweise frappierend an den ersten Teil erinnert. Dadurch verliert «Kung Fu Panda 2» vieles von seinem Überraschungspotential. Außerdem wirkt «Kung Fu Panda 2» längst nicht so ausgerundet wie sein Vorgänger. Jennifer Yuh, die nun zur Regisseurin beförderte Storyboarderin von «Kung Fu Panda», macht einen außerordentlich guten Job in den energiereichen Actionsequenzen und schafft es, den tonal facettenreichen Film vor dem Auseinanderfallen zu bewahren. Aber ihr gelingt es nicht, einen Sinn für die epische Bandbreite dieser Geschichte zu stiften, die Spannungskurve über die jeweilige Sequenz hinauszutragen und so den gesamten Film zu einer Einheit zu verschmelzen.
Was «Kung Fu Panda 2» ebenfalls etwas zurückhält, ist die unstete Charakterisierung Pos. Seit dem Ende des ersten Teils müsste er als großer Drachenkrieger etabliert sein, wenngleich als ein sehr gefräßiger mit nur wenig Kampferfahrung. Doch während Po in manchen Szenen seine Kompetenz zeigen darf, mutiert er in anderen Szenen zu Gunsten des Humors wieder zum unfähigen Trottel, der schlicht mehr Glück gefressen hat, als selbst sein großer Magen eigentlich vertragen könnte. Selbstverständlich muss sich die Figur des Po treu bleiben und weiterhin zum Witz des Films beitragen, es wäre aber die Aufgabe der Drehbuchautoren, seine Schusseligkeit stimmig mit seiner in «Kung Fu Panda» erworbenen Expertise unter einen Hut. Die Jo-Jo-Charakterisierung in «Kung Fu Panda 2» raubt dieser Figur ihre Konsistenz, was wiederum auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht, die den Vorgänger noch so sehr auszeichnete. Und dabei ist Po, von Lord Shen abgesehen, weiterhin die rundeste Figur in «Kung Fu Panda 2»: Die stark an den Rand gedrängten Furiosen Fünf bleiben wegen ihrer winzigen Rolle sehr blass. Tigress zwei bemühte, kaum überzeugende emotionalere Momente und Mantis sorgt mit seinen Geschichten über die Frauenwelt für zwei denkwürdige Lacher, ansonsten ist die Truppe nur schmückendes Beiwerk.
Dass sowohl im Original, als auch in der deutschen Synchronisation trotzdem auf Kontinuität geachtet wurde, ist überaus löblich und leider noch immer keine Selbstverständlichkeit. In der US-Fassung sind deshalb neben Jack Black unter anderem Angelina Jolie, Jackie Chan und Seth Rogen, sowie in neuen Gastrollen Victor Garber («Alias») und Jean-Claude van Damme zu hören. Die deutsche Fassung versucht dies mit Namen wie Bettina Zimmermann, Ralf Schmitz, Cosma Shiva Hagen und Gottfried John zu kompensieren. Wirklichen Raum, einen Eindruck zu schinden, hat jedoch wie bereits im ersten Teil nur Hape Kerkeling, der die Titelrolle charmant und in den gefühlvolleren Momenten auch sehr einfühlsam spricht. Der wohl größte Verlust in der Synchronfassung ist der brillante Gary Oldman als Lord Shen, auch wenn Hans-Jürgen Dittberner (Davy Jones in «Pirates of the Caribbean 2 & 3») ebenfalls keinen schlechten Job macht.
Fazit: Vielleicht kann «Kung Fu Panda 2» aufgrund mancher erzählerischer Schwäche nicht sämtliche hoch gesetzten Erwartungen erfüllen, doch die Witze haut der Pandabär genauso gut raus wie bei seinem ersten Kinoauftritt. Hinzu kommen ein gelungenes Produktionsdesign und eine zwischenzeitlich düstere, insgesamt aber sehr unterhaltsame Geschichte, die jung und alt gleichermaßen anspricht. Nicht Dreamworks’ bestes Stück, aber auf ähnlichem Niveau wie der Original-«Kung Fu Panda».
«Kung Fu Panda 2» ist seit dem 16. Juni in vielen deutschen Kinos zu sehen.