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Variabler Goldjunge

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Die Oscar-Regeln haben sich wieder einmal geändert. Ab sofort erfährt man erst in letzter Sekunde, wie viele Filme nominiert werden.

Nur wenige Monate sind seit der letzten Oscar-Verleihung vergangen, da erobert die goldene Statuette, nach der ganz Hollywood giert, schon wieder die Schlagzeilen der Branchenmagazine. Der Anlass dürfte passionierte Oscar-Wettspieler zur Verzweiflung bringen. Denn ab sofort muss man nicht nur tippen, welche Filme für einen Academy Award nominiert werden, sondern auch wie viele!

Am vergangenen Mittwoch wurden nämlich Regeländerungen für den Nominierungsprozess der Kategorie „Bester Film“ bekannt gegeben, nach denen bei den kommenden Oscar-Verleihungen die Hauptkategorie zwischen fünf und zehn Nominierte umfassen kann. Diese Ankündigung sorgte verständlicherweise für Staunen in der Filmwelt, da erst vor zwei Jahren das Nominierungsfeld von fünf auf zehn Filme erweitert wurde (mehr dazu). Daraufhin wurde mit «Oben» und «Toy Story 3» zweimal hintereinander eine Pixar-Produktion als bester Film nominiert, außerdem wurden mit «Winter‘s Bone» oder auch «The Kids Are All Right» verstärkt Indie-Produktionen berücksichtigt. Zudem überraschte 2010 das Drama «Blind Side» mit Sandra Bullock, welches kaum jemand als Oscar-Kandidaten sah. Doch durch das verdoppelte Nominierungsfeld hatten Filme, die vielleicht kaum jemand als beste Produktion des Jahres sah, jedoch sehr häufig den zweiten bis fünften Platz auf dem Nominierungszettel einnahmen, eine größere Chance auf Berücksichtigung.

Dies wird sich durch das neue System auf jeden Fall ändern. Welche Art von Film davon profitiert und welche nicht, das wird sich dagegen noch zeigen müssen. Dennoch wäre es wohl angebracht, das neue Oscar-System zu erläutern:
In den vergangenen zwei Jahren konnten Mitglieder der Academy einen Nominierungsstimmzettel ausfüllen, auf dem sie in absteigender Rangfolge die ihrer Meinung nach zehn besten Filme des Jahres auflisteten. Ab sofort werden auf diesen Stimmzetteln nur noch fünf Produktionen verlangt. Diese Wahlzettel werden dann nach den Erststimmen ausgewertet. Sobald ein Film mehr als 5% der Erststimmen erhalten hat, gilt dies als feste Nominierung für den „Bester Film“-Oscar. Die Zweit- und Drittstimmen auf den Wahlzetteln, deren Erststimme nominiert wurde, werden mit einer geringeren Gewichtung weiter ausgewertet. Des Weiteren werden Filme, die weniger als 1% der Erststimmen erhielten, sozusagen getilgt und die Zweitstimme auf den jeweiligen Nominierungszetteln wird als Erststimme gezählt. Dieses Spiel kann theoretisch bis zur fünften Nennung auf dem Wahlzettel weitergetrieben werden.

Wieso dieses neue, komplexere Verfahren? Laut Bruce Davis, dem scheidenden Executive Director der Academy, garantiert es eine gerechtere Reflexion dessen, was die Mitglieder über das Filmjahr dachten. „Obwohl es Filme gab, die weit reichenden Zuspruch fanden, wurde klar, dass es Jahre gab, in denen es nicht ausreichende Unterstützung für zehn Filme gab. Warum sollten wir uns also verpflichtet fühlen, zehn Filme aufzulisten, wenn die Mitglieder unmissverständlich darauf hindeuteten, dass sie acht Produktionen bevorzugten? So bewahren wir die Ehre einer Bester-Film-Nominierung”, zitiert ihn The Hollywood Reporter.

Branchenblätter und Filmfans mutmaßen bereits, ob diese Änderung zum Beispiel getätigt wurde, um Trickfilme wieder ins Ghetto ihrer eigenen Kategorie zu stecken oder zu Gunsten besserer Einschaltquoten das Indie-freundliche Nominierungssystem gegen ein potentielles Blockbuster-freundliches System auszutauschen. Aber dies sind alles nur wilde Theorien. De facto ist das neue System eine Angleichung des Nominierungsprozesses an das Abstimmungsverfahren für den Gewinner in der Kategorie „Bester Film“. Und dieses ist mit seinen gewichteten Stimmen ein Garant dafür, dass nicht eine knappe Mehrheit ihren Film durchsetzen kann, sondern dass die Produktionen prämiert werden, die insgesamt den größten Zuspruch erhalten. Deutlicher gesprochen: Ein von 49% der Academy verhasster und vom Rest geliebter Film kann den Oscar nicht gewinnen. Ein Film, der jedermanns zweitliebste Produktion des Jahres ist, dagegen schon. Es sorgt für einen generelleren Konsens, und das ist letzten Endes nur fair. Ab sofort sieht es auch bei den Nominierungen so aus.

Und spannender ist es obendrein, wenn man die Oscar-Nominierungen nicht schon zehn Meilen gegen den Wind wittern kann.

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