Sonntagsfragen

«Lena»-Macher: Jetzt auf neue Dailys setzen

von
Quirin Berg und Jan Richard Schuster sind erquickt angesichts der jüngsten «Lena»-Quoten. Sie ziehen eine Bilanz der ersten Staffel, sprechen über Fehler und Reaktionen darauf und über das Thema Marktforschung, das seit «Herzflimmern» aktueller ist denn je.

Herr Berg, wie ist die Gemütslage?
Quirin Berg:
Es freut uns sehr, dass ZDF, ORF und auch SF nun mit «Lena – Liebe meines Lebens» so wunderbare Quoten hatten. Der ORF erreichte um die 20 Prozent, in der Schweiz kam unsere Produktion auf 15 bis 16 Prozent. Die Schweiz-Quoten sind vor allem deshalb interessant, weil die Serie dort bis zuletzt nachmittags um 16.00 Uhr lief – also nicht verlegt wurde. Wir sind hier mit den Quoten genau da gelandet, wo wir immer hin wollten, und haben uns seit Februar deutlich gesteigert. «Lena» hat sich also insgesamt und für alle Beteiligten zu einem absoluten Erfolg entwickelt und es ist natürlich schön, dass wir so starke letzte Monate und ein solches Finale hatten.

Aber gehen wir noch einmal zurück – anfangs waren die Quoten nicht gut. Welchen Fehler hatten Sie gemacht?
Jan Richard Schuster:
Wir müssen zunächst über die Erwartungshaltung sprechen, die herrschte. Das ZDF hat sehr erfolgreich Telenovelas gesendet, trat an uns aber mit dem Wunsch heran, mehr jüngere Zuschauer zu erreichen. Wir nahmen dann eine sehr erfolgreiche argentinische Produktion und haben uns zunächst wirklich sehr eng am Original orientiert. Im südamerikanischen Fernsehen werden Telenovelas härter – auch in sexuellen Dingen – erzählt als es das deutsche Publikum gewohnt ist. Viele Zuschauer waren verwirrt und verblüfft, und die ersten Ergebnisse der Marktforschung zeigten: Es wird zu schnell erzählt, es passiert zu viel in einer Folge, die Tonalität ist zu rau.

Berg: Wir haben sehr viele Themen gleichzeitig erzählt. Das war man nicht gewohnt.

Schuster: Unsere Vermutungen haben sich in dieser Analyse bestätigt und wir haben umgehend mit der Optimierung begonnen. Das Erzähltempo wurde entschleunigt, es wurden mehr emphatische Szenen geschrieben, mehr Romantik und Wohlfühlmomente gezeigt.

Berg: Wir haben das Original anfangs fast 1:1 übernommen. Grundsätzlich muss man neuen Dailys aber Zeit geben – ein paar Monate bis das Format auch auf Macherseite seinen Herzschlag gefunden hat. Im November – also zwei Monate nach dem Start – haben wir die Signale dann deutlich erkannt und mit der Optimierung begonnen. Nur: Bei einer täglichen Serie dauert es einfach seine Zeit, bis solche Dinge dann auch auf dem Schirm zu sehen sind. Wir haben dem ZDF Ende letzten Jahres gesagt, dass wir ab Februar / März mit ansteigenden Quoten rechnen – und so war es dann glücklicherweise auch.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem ZDF in den ersten Wochen?
Berg: Sehr konstruktiv, vom ZDF kam wirklich guter Input. Gerade am Anfang ist ein enger Dialog sehr wichtig, um sich zu finden. Aber es muss dann natürlich auch einer das Ruder in der Hand halten – zu viele Beteiligte, die mitreden, sind nicht gesund. Natürlich erhöht sich so auch das Risiko für die am „Ruder“. Sind die Quoten schlecht, so kommt es leider gerade meist genau andersherum – automatisch reden dann noch mehr Menschen mit. Die Analyse ist wichtig, aber der Dialog mit vielen Beteiligten kostet Zeit und Energie, die man im täglichen Geschäft ohnehin kaum hat und erst recht nicht, wenn der Optimierungsbedarf groß ist. Wir sind froh, dass uns das ZDF vergangenen Herbst das Vertrauen ausgesprochen hat: Auf Basis einer klaren Absprache konnten wir in Ruhe weiterarbeiten: Auf die schon festen 120 Folgen hat das ZDF noch einmal 60 draufgelegt, sodass wir 180 Episoden gemacht haben. Letztlich haben diese Entscheidung und die gute Abstimmung auch zum Erfolg geführt. Natürlich hätten wir uns aber auch darüber gefreut noch 500 oder 3000 Folgen herzustellen.

Ich wollte das sagen: Eine erfolgreiche ZDF-Telenovela ist ein lukratives Geschäft, damit lässt sich viel Geld verdienen…
Berg:
Für uns war das zu Beginn natürlich eine große Investition. Es gab in Deutschland bisher nur vier Firmen, die überhaupt eine Telenovela oder Daily Soap gemacht haben. Wir haben uns nun von null auf hundert als eine Firma positioniert, die erfolgreich ein tägliches Format herstellen kann. Für uns ist das ein wichtiger Schritt, den das ZDF im Übrigen auch honoriert hat. Wir sind damals bewusst ein gewisses Risiko eingegangen und wussten, dass sich diese Investition nur langfristig trägt. Dass das jetzt nicht sofort in einer zweiten Staffel möglich wird, ist natürlich schade. Aber wir sind in einem gutem Dialog mit dem ZDF. Schauen wir mal, wie dort künftig der Nachmittag gestaltet wird. Ich bin davon überzeugt, dass eine fiktionale tägliche Serie dort wichtig und richtig ist. Wir verfolgen jetzt natürlich intensiv jeden Tag Ihre Berichterstattung zu «Herzflimmern» und bei der ARD zu «Verbotene Liebe».

Sie sprachen von Marktforschung und den ersten Ergebnissen im Herbst: Wie sehr hat Ihnen diese geholfen?
Schuster:
Unsere Zuschaueranalyse war sehr richtig und sehr konstruktiv. Das ist allgemein ein Instrument, das uns Machern hilft, zu erkennen, was an Themen und Handlungen beim Publikum ankommt. So funktioniert letztlich auch die Produktion einer Daily – man passt sich immer den Wünschen der Zuschauer an. Wir haben «Lena» entschleunigt, romantischer gemacht – und das hat sich dann auch unmittelbar auf die Quoten ausgewirkt. Nur: Zwischen der Analyse und der Ausstrahlung vergehen einige Monate. Seit März lag «Lena» um 16.15 Uhr dann bei mehr als 13 Prozent. Wir hatten 1,3 bis 1,4 Millionen Zuschauer – davon sind sehr viele mit «Lena» auch auf den Sendeplatz um 10.30 Uhr mitgekommen.

Berg: Bei uns hat die Marktforschung gut funktioniert. Man darf solche Forschungen aber auch nicht überbewerten, sich nicht an Details festhalten. Bei einer Marktforschung gibt es fürs Testpublikum einige Folgen zu sehen – deshalb sollte man daraus nicht unbedingt gleich konkrete Schlüsse ableiten. Aber man bekommt Grundsätzliches aufgezeigt. Dass man langsamer erzählen soll, lässt sich zum Beispiel gut ableiten, weil die Zuschauer uns sagen, dass sie mit den Geschichten nicht mitkommen. Aber bei Details wird es gefährlicher, die sollte man nicht hochrechnen. Da muss man dann schon auf die Vision und die Autoren vertrauen.

Ich wollte auf «Herzflimmern» hinaus: Da hat sich die Marktforschung überschlagen und jetzt schauen fünf Prozent zu. Wie erklären Sie sich so eine Fehlvorhersage?
Berg:
Ich kenne die Situation zu wenig. Man muss aber auch sehen, dass eine solche Marktforschung unter speziellen Bedingungen stattfindet. Normalerweise sitze ich zu Hause und schaue diese Serie am Nachmittag – da kann man sich in so einer Marktanalyse vielleicht nicht so gut hineinversetzen. Ich persönlich muss zum Beispiel sagen, dass «Herzflimmern» wirklich ein großartiges Setting hat. Wirklich perfekt für eine tägliche Serie. Ob es aber fürs Nachmittagsprogramm das Richtige ist, wird sich noch zeigen.

Kommen wir zurück zu «Lena» und ziehen einen Strich unter die Produktion. Wie fällt Ihr Fazit aus? Hit, Mittelmaß oder doch ein Flop?
Berg:
Wir sind absolut glücklich. Es gibt immer Phasen, die wirklich hart sind. Wir hatten teils eine enorme Arbeitsbelastung für unser Team. Wenn dann auch die Quoten noch nicht am Ziel sind, ist die Anspannung natürlich besonders groß. Am Ende blicken wir jetzt aber auf eine tolle Serie, die 180 Folgen lang Spaß machte. Wir haben drei Sender, die mit den Quoten sehr zufrieden sind. 1000 Folgen sind natürlich immer schön, aber wir haben ja noch ein paar Jahre, in denen uns das gelingen kann.

Um 10.30 Uhr explodierten dann die Quoten förmlich. Von zwölf oder 13 Prozent auf teilweise mehr als 21 Prozent. Hatten Sie damit gerechnet?
Schuster:
«Lena» hatte im März ihr Publikum gefunden – die Quoten stiegen und stiegen. 1,3 bis 1,4 Millionen Menschen schauten nachmittags zu. Vormittags waren rund eine Million dabei – es ist toll, dass wir 2/3 der Zuschauer halten konnten.

Berg: Für den Nachmittag hatte ich immer ein bestimmtes Gefühl, für den Vormittag ist mir die Einschätzung sehr viel schwerer gefallen. Die Ergebnisse auf dem Slot übertrafen auf jeden Fall unsere Erwartungen.

Hinzukommen noch die Aufrufzahlen im Internet…

Berg: …die extrem gut waren. Wir haben schon relativ früh doppelt so viele Abrufe in der ZDF-Mediathek als die Vorgängerformate erreicht. Dort ist die sehr junge Zielgruppe, die das ZDF unbedingt haben wollte, zu Hause. Auch in den Social Networks waren wir die gesamte Zeit über wirklich sehr stark. Unabhängig vom Sendeplatz lief auch die ZDF-Seite zur Serie immer extrem stark. Wir sprechen hier von monatlichen Aufrufzahlen im zweistelligen Millionen-Bereich, das ist wirklich sensationell.

Nur das hilft nichts, davon können derzeit auch Christian Popp und sein «Hand aufs Herz» ein Lied singen.
Berg: Richtig, aber aus ZDF-Sicht war «Lena» mit Blick auf die Tradition des Sendeplatzes somit schon besonders erfolgreich. Im Übrigen: Ich finde es klasse, was Christian Popp bzw. Sat.1 derzeit mit «Hand aufs Herz» und «Anna» macht – die Formate entwickeln sich sehr spannend weiter. .

„«Lena» war die einzige Sendung, für die ich tagsüber das Fernsehen eingeschaltet habe.“ „Endlich mal eine entspannende, schöne Serie mit wirklich netten Schauspielern.“ „Ich habe mir schon so viele Nächte zum Tag gemacht, um die Folgen nachzuholen, und schaue jede Vorschau noch dazu an.“ Das sind nur drei Auszüge aus etlichen Lesermails, die wir nach Bekanntwerden des Endes von «Lena» erhalten haben. Alle fragten: Wieso kann es bei jetzt so guten Quoten nicht doch weitergehen?
Berg:
Das hören wir natürlich sehr gerne! Vielen Dank. Wir haben unserem Team und den Schauspielern wirklich viel zu verdanken. Unsere Ausführende Produzentin Gaby Brenner hat viel bewegt. Ich fand unsere Besetzung wirklich herausragend. Ich glaube auch, dass wir die Geschichte von «Lena» jetzt sehr gut zu Ende erzählt haben. Aber wir haben natürlich noch viele Ideen. Dass man so eine Serie neustartet, also nach einer Pause nochmal beginnt, das gab es noch nie und das sehe ich auch hier gerade nicht. Aber in unsere neuen Ideen und Konzepte werden der Spaß und die Wärme von «Lena» natürlich mit einfließen. Ich bin sicher, dass wir wieder ein gutes Format finden werden – ganz konkret kann ich aber jetzt noch nicht werden.

Also steht in den kommenden Monaten nichts an?
Berg: Die täglichen Sendeplätze sind rar. Ich bin sehr gespannt, wie sich der ZDF-Nachmittag entwickelt. Ich drücke «Herzflimmern» wirklich die Daumen. Das ZDF dachte einst ja auch einmal an einen zweiten Slot für Dailys – das ist jetzt aktuell natürlich erstmal vom Tisch. Mit Spannung betrachte ich ja auch, wie sich die längere Sendezeit auf «Verbotene Liebe» auswirkt – ich denke, dass die ARD durchaus offen ist für weitere Formate – aber sie alle haben unglaublich viel Vorlauf. Wiedemann & Berg wird sich aber auch mit anderen Serienthemen beschäftigen, abseits von Telenovelas.

Da kommen wir gleich dazu. Herr Schuster, seit «Anna und die Liebe» hat es keine Daily lange überlebt – «Hand aufs Herz» läuft unterdurchschnittlich und nur noch bis September. Als Programmmacher würde ich jetzt nicht auf eine Daily setzen.
Schuster:
Das ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, um darauf zu setzen. Schauen Sie sich das große Interesse an, das an «Sturm der Liebe» besteht. Entscheidend ist: Der Sender und der Produzent müssen bei einem Format einen sehr langen Atem haben. Das ist die Grundvoraussetzung, um heute eine Telenovela zu starten. «GZSZ» und «Alles was zählt» haben ihre Chance bekommen – diese Serien haben auch etliche Monate gebraucht, bis sie ein großes Stammpublikum gefunden haben. International werden derzeit überall Dailys gestartet – wir sind hier noch lange nicht am Ende.

Welche Projekte haben Sie noch im Köcher? Wie geht es Ihrer RTL-Serie?
Berg: Das werden wir sehen. Das RTL-Projekt «Die Trickser» ist wirklich toll geworden. Im Herbst wird der 90-Minüter laufen, der auch komplett für sich steht. Dann müssen wir sehen, ob RTL weitermachen will. Auch mit Sat.1, dem ZDF und der ARD sind wir im Dialog. Ich bin mir sicher, dass da etwas Gutes rauskommt.

Vielen Dank für das Interview.

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