Die schmerzhafteste Absetzung 2010: Nach zwei Folgen verschwand der Kritikerliebling aus dem Programm.
FOX` «Lone Star» war im vergangenen Herbst gewissermaßen ein Experiment: eine Dramaserie, welches quasi als Kabelserie konzipiert, aber auf einem männeraffinen Broadcast Network ausgestrahlt wurde, während die Konkurrenz am Montagabend mehr als bedrohlich wirkte. Eine Geschichte, die interessant genug für ein Low-Budget-Independent-Drama auf den Kinoleinwänden ist, aber nach der Geduld der Zuschauer für eine wöchentliche TV-Serie fragt. Ein Experiment, welches erwartungsgemäß scheiterte und nach zwei Episoden wieder beendet wurde. «Lone Star» war neben FXs «Terriers» die wohl schmerzhafteste Serienabsetzung 2010, und manch ein Serienfan trauert der Serie auch heute noch eine Träne nach.
Entwickelt wurde «Lone Star» von Kyle Killen, der in den zurückliegenen Monaten nicht mit Glück gesegnet worden war, nachdem auch sein Film «The Beaver» dank der Eskapaden eines Mel Gibson an den Kinokassen derbst gefloppt ist. Die Serie stellte den Betrüger Robert Allen (James Wolk) ins Zentrum des Geschehens, welcher ein Doppelleben führt, um zusammen mit seinem Vater John (David Keith) das ganz große Geld im texanischen Ölgeschäft abzusahnen – ein Doppelleben, welches eine Beziehung mit zwei Frauen und deren Familien beinhaltete, die nichts voneinander wissen. Und da es sich bei «Lone Star» um eine Serie mit einem kriminellen Hauptcharakter handelte, war es von Nöten gewesen, eben jenen Hauptcharakter so charismatisch wie möglich darzustellen. Killen behalf sich dabei mit einem romantischen Plot und einer seriellen Storyline, welche Bob ermöglicht, auf legale Art und Weise das große Geld zu machen, ohne dass dabei die Beziehungen zu seinen beiden Frauen, welche er über alles liebt, zu zerstören.
Die Premiere der Serie fand am 20. September vor einer Audienz von nur 4,06 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von drei Prozent in der Zielgruppe statt. Gegen die Konkurrenz des ebenfalls gestarteten «The Event» (11,19 Millionen Zuschauer), «Dancing with the Stars» (21,87 Millionen Zuschauer) und des Comedyblocks auf CBS war da gar nichts zu holen, besonders nachdem «Lone Star» schon vor der Premiere als sicherer TV-Flop abgestempelt wurde, obwohl die Kritiker von der Serie durchgehend begeistert waren. Die Bekanntgabe der katastrophalen Einschaltquoten war auch der Start für eine wochenlange Kampagne, um «Lone Star» im FOX-Programm zu retten. Die TV-Blogger berichteten täglich über die Serie und drängten das Publikum in der nächsten Woche einzuschalten und selbst Kyle Killen veröffentlichte auf seinem Blog einen Artikel, in welchem er von dem zukünftigen Wunder sprach, welches «Lone Star» nächste Woche retten würde. Absolut jeder sprach über die Serie zwischen der Pilotfolge und der zweiten Episode und absolute keiner glaubte an das Wunder eines Quotenanstiegs. Die letzten Hoffnungen wurden dann am 28. September zerstört, als die Quoten für die zweite Episode publik gemacht wurden, und diese sogar noch hässlicher aussahen als die Zahlen der Premiere. FOX hatte keine andere Wahl als «Lone Star» abzusetzen und die Produktion, welche sich in der sechsten Episode befand, einzustellen. Das Experiment Kabelqualität auf einem Broadcast Network wurde frühzeitig beendet.
«Lone Star» bekam vor der Premiere eine wundervolle Berichterstattung, landete sogar auf dem Titel der New York Times, überzeugte mit einer durchdachten Geschichte, einem exzellenten Cast, und einer wundervollen Aufmachung. Und wurde doch nach zwei Episoden abgesetzt. Damit ist «Lone Star» eines der schmerzhaften Beispiele, dass das US-Publikum wortwörtlich nach leichtherziger Unterhaltung sucht und keinen Anspruch in einer anspruchsvollen Serie findet. Zusätzlich ist «Lone Star» auch ein Beispiel, warum solche Serienstoffe auf den Networks heutzutage nicht mehr funktionieren. Mit dem Aufstieg der Kabelkanäle und den Erfolgen der High-Profile-Dramen der Premiumsender ist es für die Networks praktisch nicht mehr möglich, ein intelligentes Drama ins Programm zu setzen, welches letztendlich durch ein reality- und comedybetontes Gegenprogramm, welches seit Jahren seine 15 bis 20 Millionen Zuschauer anlockt, buchstäblich bombardiert und zerstört wird. Man könnte behaupten, dass intelligentes und originelles Seriendrama auf den Networks genauso ausgestorben ist wie Science-Fiction und die Sender stattdessen versuchen, alte Stoffe in neuen Serien aufzulegen (oder auch umgekehrt). Dafür sind die Kabelkanäle da und die Networks haben diesen Bereich inzwischen aufgegeben.
«Lone Star» war die erste Absetzung der TV-Season 2010/2011 und wurde durch «Lie to Me» ersetzt. Ein Publikum in Austin während eines Film Festivals im April und Mai diesen Jahres bekam immerhin die einmalige Chance, die nicht ausgestrahlten Episoden der Serie zu sehen. Es besteht noch die Hoffnung, dass die verbliebenen vier Episoden in irgend einer Form zu irgend einer Zeit veröffentlicht werden. Doch mit jedem Monat schwinden die Hoffnungen, und die Serie verwest auf den Hitlisten der besten Serien, die zu früh abgesetzt wurden. Kyle Killen hat den Mut nach seinen beiden Publikumsflops allerdings noch nicht verloren, und liefert mit «Awake» im nächsten Jahr seine zweite TV-Serie. Dieses Mal auf NBC. Und dieses Mal sind die 13 bestellten Episoden schon abgedreht. Aller guten Dinge sind drei für Kyle – hoffentlich.