Viele Sender versuchten sich in den vergangenen Jahren an Remakes klassischer Serien wie «Knight Rider» oder «Beverly Hills, 90210». Mit «Melrose Place» kommt eine weitere Neuauflage nach Deutschland – aber warum floppen die Remakes überall?
Der gewöhnliche Fernsehzuschauer neigt oft dazu, in Erinnerungen zu schwelgen: Jeder hat seine Lieblingsserie, sein mediales Refugium, bei dem er beim Anschalten selbst Abschalten kann und die Probleme des Alltags abseits der Flimmerkiste vergisst. Sogenannte „Remakes“, also Neuauflagen kultiger TV-Produktionen, bedienen sich dieser Nostalgie und wollen ein früher erfolgreiches Konzept in die moderne TV-Welt hieven. Doch die Gratwanderung, klassische Fans der früheren Serie und neue Zuschauer begeistern zu wollen, ging in den vergangenen Jahren nur allzu oft schief: Seit 2008 entstanden bei den großen US-Networks solche Serienremakes wie «Knight Rider», «Nikita», «90210», «V», «Hawaii Five-0» – und «Melrose Place», das an diesem Montag auch in Deutschland beim Frauensender sixx beginnt.
Dass es dieses Format erst knapp zwei Jahre nach seiner US-Premiere hierzulande startet, und dies bei einem Spartensender, sagt schon viel über den Erfolg der Produktion aus: Die erste Staffel von «Melrose Place», die Wiederbelebung der erfolgreichen 90er-Serie mit dem gleichen Titel, interessierte in den USA nur durchschnittlich 1,27 Millionen Zuschauer und erreichte in der Zielgruppe ein miserables Rating von 0,7. Dies war selbst für den kleinen US-Sender The CW zu wenig, der nach nur einer Staffel den Stecker zog.
Während das Remake somit insgesamt nur auf 18 Episoden kommt, war das Original ungleich erfolgreicher: Die Serie, die sich zum Genre der Seifenoper zählt, startete 1992 als Spin-Off des berühmten «Beverly Hills, 90210» und brachte es auf sieben Staffeln beziehungsweise 226 Folgen. Erst im Jahr 1999 wurde sie eingestellt, nachdem die Reichweiten auf weniger als acht Millionen fielen – zu den besten Zeiten schalteten mehr als 13 Millionen die Geschichten in der Stadt West Hollywood in Kalifornien ein. Handlungsort ist damals wie heute der titelgebende Apartmentkomplex, unter dessen Dächern sich zahlreiche Dramen abspielen. In der Neuauflage beginnt der Pilotfilm gleich mit einem Mord, wenn die Jungen und Schönen, die den Melrose Place bewohnen, ihre Vermieterin tot im Pool treiben sehen.
Heather Locklear, die bei der Originalserie mitverantwortlich für den späteren Quotenerfolg war, schlüpfte auch im Remake in ihre Paraderolle der Karrierefrau Amanda Woodward. Doch trotz dieses Coups floppte die Serie in den USA. Neben «Melrose Place» konnte sich fast kein anderes Format, das in den vergangenen drei Jahren neu aufgelegt wurde, beim US-Publikum etablieren. Daher verwundert es, dass die amerikanischen Fernsehproduzenten nicht nur in der jüngsten Vergangenheit viele alte Serienkonzepte wieder ausgruben, sondern dies in Zukunft auch weiter tun – ungeachtet der zahlreichen Misserfolge. Denn schon in der kommenden TV-Saison starten mit «Charlie’s Angels» und «Dallas» weitere Remakes berühmter Fernsehoriginale.
Schon vor «Melrose Place» belebte The CW im Jahr 2008 den Teenager-Hit «Beverly Hills, 90210» unter dem schlichteren Titel «90210» wieder. Nach einer relativ erfolgreichen ersten Staffel fielen die Einschaltquoten in den vergangenen beiden Seasons; im vergangenen Jahr war «90210» das Format mit den zweitschlechtesten Reichweiten beim Sender The CW, das nicht abgesetzt wurde. Ebenfalls 2008 startete das Remake des 80er-Jahre-Kulthits «Knight Rider» bei NBC, doch auch hier fielen die Zahlen nach einigen erfolgreichen Episoden auf ein inakzeptables Niveau. Ähnlich verhielt es sich mit «Bionic Woman», das es gar nur auch acht Folgen brachte. Die Science-Fiction-Serie «V» war schon in der ersten Staffel kein großer Erfolg, wurde aber wohl aufgrund mangelnder Alternativen für eine zweite Staffel verlängert – diese floppte konsequenterweise, sodass auch dieses Remake schon Geschichte ist.
Eine löbliche Ausnahme der Regel ist «Hawaii Five-0», das nach seiner ersten Staffel als wirklicher Quotenerfolg gelten kann. Denn die Zuschauerzahlen des Vorgängers «CSI: Miami» konnten auf dem schwierigen Sendeplatz am Montagabend annähernd gehalten werden. Auch die Kritiker bescheinigten der Serie ein hohes Unterhaltungspotenzial. «Hawaii Five-0» funktioniert auch deswegen als Remake, weil es als Procedural abgeschlossene Handlungen bietet und als Actionserie relativ einfach der modernen Zeit angepasst werden kann. Ob die Zuschauer «Hawaii Five-0» überhaupt als Remake wahrnehmen (das Original lief schon in den 60ern), ist ohnehin fraglich.
Bei Procedurals, also Serien mit relativ abgeschlossener Handlung in jeder Episode, fällt eine Neuauflage nicht allzu schwer, solange gute Drehbuchautoren und ein starker Cast hinter ihr stehen. Gerade aber bei Serien mit fortlaufenden Handlungen mag es aber sein, dass der Zuschauer die originalen Geschichten noch immer in Erinnerung hat und sie mit den Remakes vergleicht – wo letztere eigentlich immer verlieren müssen: Denn wer würde schon auf die Idee kommen, dass die Neuauflage plötzlich besser ist als seine in Nostalgie verklärte Lieblingsserie? Daher wird es wohl auch «Dallas» furchtbar schwer haben, ein Erfolg zu werden. Denn nach anfänglichem Interesse sehen die meisten Zuschauer ein, dass manche TV-Ereignisse einfach abgeschlossen bleiben müssen und Remakes nie an die Vorlage heranreichen können.
Insofern verfolgen wir bei fast allen Neuauflagen dieselbe Entwicklung: Der Start der Serie ist überproportional erfolgreich und bringt Top-Einschaltquoten, die aber meist auch überproportional rasant nachlassen. Dass die TV-Produzenten trotzdem weiter auf Remakes setzen, dürfte der eigenen Ideenlosigkeit geschuldet sein: Warum ein neues Konzept ausdenken, wenn ein früher erfolgreiches aufgewärmt werden kann? Leider aber wird der zweite Denkschritt nicht gemacht: Denn wenn ein Konzept früher erfolgreich und beim Publikum beliebt war, wird Neues mit Altem verglichen – und fast immer verliert das Neue in dieser Gegenüberstellung.
Trotzdem schafft «Melrose Place» als weiteres Remake den Sprung nach Deutschland. Interessant ist übrigens, dass auch das damalige Original in der ersten Staffel eher schwache Einschaltquoten hatte und erst mit einigen inhaltlichen Änderungen in der zweiten Runde erfolgreich wurde. Anscheinend vertraute der Sender The CW aber nicht auf einen noch einsetzenden Aufschwung seines Remakes – die Schnelllebigkeit der Fernsehbranche, die Beschränkung auf Instant-Erfolge mögen eben auch Erklärungen für den Misserfolg vieler aktueller TV-Formate, nicht nur der Remakes, sein. Denn ohne die frühere Geduld der Fernsehmacher wären viele spätere Quotenhits als Flop abgestempelt worden.
Der heutige größtenteils erfolglose Remake-Boom ist also nicht nur das Ergebnis ideenloser TV-Produzenten, sondern auch ungeduldiger Senderbosse, die den Formaten keine Zeit mehr lassen, sich inhaltlich und wirtschaftlich erfolgreich zu entwickeln. Denn grundsätzlich ist das Bestreben, ein klassisches Konzept modern und mit genügenden Neuerungen aufzubereiten, nicht von vornherein zu verurteilen. Es kann, wie im Falle von «Hawaii Five-0» oder «Battlestar Galactica» vor einigen Jahren, auch manchmal funktionieren.