Christian Wischofsky hat den Auftakt der neuen Syfy-Serie gesehen: Ähnlichkeiten mit «Heroes» sind nicht abzustreiten.
Gewöhnliche Menschen mit außergewöhnlichen Kräften – das war auch schon der Plot der Superheldenserie «Heroes» und konnte in seiner ersten Staffel vor allem durch seine Charakterarbeit und der Verbindung aller Subplots überzeugen. Nun möchte Syfy mit seiner neuen Serie «Alphas» den Erfolg wiederholen und griff dabei auf eine Serie mit dem Titel «Section 8» zurück, die im Sommer 2007 von ABC mit sechs Episoden bestellt worden war. Jedoch machte der US-Autorenstreik die Planungen der Serie zunichte, und die Idee einer Superheldeneinheit als Verbrechungsbekämpfer verstaubte in den Archiven, bevor Syfy sich vor zwei Jahren die Rechte schnappte und eine Pilotfolge bestellte. «Alphas» hat es gleich auf mehreren Fronten schwer, vor allem die Genrefans zu überzeugen: In einer Hinsicht befindet Syfy sich in einer Phase, in der der Sender seine Marke als Science-Fiction-Sender neu definieren will; in anderer Hinsicht startet «Alphas» in einer Zeit, in welcher die treuen Zuschauer durch die jüngsten Absetzungen von «Stargate Universe» und «Caprica» von neuen Stoffen teils abgeschreckt werden.
«Alphas» beschäftigt sich mit einem vierköpfigen Team geführt vom Psychiater und Neurologen Dr. Lee Rosen (David Strathairn), welches mit Hilfe seiner erweiterten Fähigkeiten Verbrechen aufklärt. Der ehemalige FBI-Agent Bill Harken (Malik Yoba) ist der Mann fürs Grobe, seitdem er während Kampf-oder-Flucht-Situationen übermenschliche Kräfte entwickelt und zum minimalistischen Hulk mutiert, bevor ihm schnell die Puste ausgeht; Nina Theroux (Laura Mennell) kann mit ihren Worten die Gedanken ihres Gegenübers manipulieren und nutzt diese Kraft nicht nur zu ihrem eigenen Wohlwollen; Rachel Pirzad (Aniza Ghanizada) ist in der Lage, einen ihrer Sinne zu verschärfen, aber nicht ohne die Funktionalität der anderen Sinne während dieser Zeit zu verlieren; Gary Bell (Ryan Cartwright) ist der autistische Junge mit der Fähigkeit jegliche elektromagnetische Wellen abzufangen, welche sich vor seinen Augen visualisieren. Zusammen macht sich das manchmal neurotische, manchmal von sich gegenseitig genervte Team auf, Verbrechen der übernatürlichen Sorte zu lösen.
Die neue Serie aus dem Hause Syfy ist alles andere als originell in diesen Jahren. Nicht nur das schon erwähnte «Heroes» machte aus diesem Plot eine zumindest in seiner ersten Staffel interessante Serie, selbst im vergangenen TV-Jahr machten «No Ordinary Family» und «The Cape» mit einem ähnlichen Plot auf sich aufmerksam. Nicht zu vergessen die aktuelle Renaissance der Comicverfilmungen im Kino, ganz besonders «X-Men: Erste Entscheidung». «Alphas» hat den Nachteil, eine verwässerte Version von «X-Men» zu sein, welches den leichtherzigen Humor von «No Ordinary Family» kopiert und schlussendlich als moderne, nicht so zukunftsvisionäre Version von «Mutant X» durchgeht. Die Pilotfolge hat demnach alle Klischees zu bieten, welche es schon hundertfach zuvor zu sehen gab, schafft aber trotzdem nicht vollständig langweilig zu wirken – was für «Alphas» in einer Welt der aufsteigenden Comics schnell zum Vorteil wird.
Zu verdanken ist das der Dynamik der Charaktere und der Tatsache, dass «Alphas» viel mehr ein interner Streitfall zwischen seinen Protagonisten sein will, als eine Jagd nach Bösewichten. Bei «No Ordinary Family» konnte sich genau diese Dynamik nicht entfalten, da die Geschichten der Elternteile und der beiden Kinder selten verknüpft wurden; jedoch schafft es «Alphas» nicht gerade wie eine Serie zu wirken, die sich auf eine fortlaufende Geschichte konzentriert. Zwar hat der Pilot in der Hinsicht eine kleinere Hintergrundstory anzubieten, welche die Ursprünge der Menschen mit Superkräfte, auch Alphas genannt, weiter erörtern könnte, doch wirkte dieser Plot in der Premiere nicht nur aufgesetzt, sondern auch vollkommen vergesslich. Da wird in erster Instanz Cameron Hicks (Warren Christie), welcher der Serie als Attentäter vorgestellt wurde, als Gutmensch verkauft, der benutzt wurde, nur um am Ende als neues Mitglied in Rosens Team und damit als Hauptcharakter der Serie da zu stehen. Die Serie wird mit ihrem Neuankömmling und seinen Sichtweiten der Dinge genau die Charakterdynamik verlieren oder komplett verändern, welche den Piloten in den ersten zwei Akten erst von den anderen ähnlichen Formaten unterscheiden konnte. Es sei denn, Cameron ist ein genauso verschrobener Charakter wie seine neuen Kollegen – davon fehlte in der Premiere jedoch jede Spur.
«Alphas» ist keine schlechte Serie und kann problemlos mit den anderen fiktionalen Formaten von Syfy mithalten. Dass die Serie ähnlich wie «Heroes» klingt und wirkt, liegt daran, dass sie während der ersten Staffel von NBCs Superheldenserie entwickelt wurde; dass auch Ähnlichkeiten mit «X-Men» nicht abzusprechen sind, liegt am Autor Zak Penn, der auch für «X-Men: Das letzte Gefecht» geschrieben hat. Dass die Serie letztendlich besser wirkt und aussieht als «No Ordinary Family» oder «Mutant X» liegt daran, dass mehr Wert auf die Charaktere innerhalb der episodenzentrierten Story gelegt wird, statt mit unlogischen Twists und in jedem Akt mit teuer aussehenden Special Effects aufzuwarten. Ob «Alphas» seine positiven Seiten während der ersten Staffel weiter ausbauen kann, wird sich sehen lassen. Allerdings ist es schon jetzt für die Autoren schwierig, einen konsistenten Weg des Geschichtenerzählens zu finden. Eine Mischung aus kriminalistischen Episodenhandlungen, welche die charakterstarken Protagonisten nicht weiterbringt, hat schon «No Ordinary Family» frühzeitig Zuschauer gekostet. Und nachdem «Alphas» nun auf Syfy zu sehen ist, welches zur Zeit nicht gerade mit dunklen fiktionalen Formaten glänzt und stattdessen wie USA Network locker-flockige Unterhaltung bieten will, scheint nur mehr die Vermutung wahr zu werden, dass «Alphas» nichts anderes ist als eine durchschnittliche Krimiserie im Superheldengenre. Und durchschnittliche Krimiserien gibt es im Fernsehen wie Sand am Meer.