Ein technisch bewaffneter Francis Ford Coppola möchte die Kino-Tour revolutionieren.
Es war lange Zeit eine beliebte Form der Kinoveröffentlichung: Die Roadshow. Vor dem offiziellen Kinostart tourten Hollywoodfilme für ein paar Monate durch die Vereinigten Staaten und wurden richtiggehend zelebriert. Die Sitzplätze mussten reserviert werden, es gab Pausen, Ouvertüren und Programmhefte wie im Theater und das Publikum putzte sich für diese besondere Vorführung auch entsprechend raus. Die Eintrittskarten waren üblicherweise deutlich höher, als bei normalen Kinovorstellungen. Heutzutage schimpft der Kinogänger dagegen schon, wenn er inklusive Logen- und 3D-Zuschlag mehr als 11 Euro zahlen muss. Auch mit den Argumenten, man könne diese tourenden Filme einige Wochen vor den üblichen Kinogängern sehen, und dies obendrein in einer längeren Schnittfassung, lässt sich dem modernen Publikum die Idee einer Roadshow kaum schmackhaft machen. Kommt ja eh bald alles auf DVD oder Blu-ray.
Dennoch liebäugeln einige Filmemacher damit, die Idee einer Kinotour wiederzubeleben. Natürlich in abgewandelter Form, um sich wahlweise dem Publikum , den modernen Sehgewohnheiten oder den zeitgenössischen technischen Möglichkeiten anzupassen. Kevin Smith, beispielsweise der Schöpfer solcher Kultfilme wie «Clerks» und «Dogma», tourte dieses Jahr mit seinem Thriller «Red State» durch mehrere Städte. Auf jede Vorstellung während dieser Tour folgte ein ausgedehnter Q&A-Abend, an dem die Zuschauer den redseligen Regisseur und Autor ausfragen konnten. Die Tour war ein ansehnlicher Erfolg, wohl nicht zuletzt auch aufgrund der großen Fanbase des Regisseurs.
Es ist aber Francis Ford Coppola, der die Möglichkeiten einer Kinotour in wirklich aufregender Weise auslotet. Auf der diesjährigen San Diego Comic Con präsentierte der Regisseur solcher Filmklassiker wie «Der Pate» und «Apocalypse Now» sein neustes Werk, den Horrorfilm «Twixt». Der Film handelt von einem Horrorautoren (Val Kilmer), der von Albträumen getrieben beschließt, den Mordfall eines jungen Mädchens (Elle Fenning) aufzulösen. Dieser standardmäßige Grundplot soll durch einige verschrobene Einfälle, wie einer exzentrischen Goth-Jugendgruppe oder einen den miesen Horrorautoren zur Rede stellenden Edgar Allan Poe, aufgelockert werden.
Der wahre Clou findet sich allerdings in Coppolas Plänen für die Kinotour, die im Vorfeld des regulären Filmstars stattfinden soll. Wie er auf der Comic Con vorführte, möchte Coppola «Twixt» während der Kinotour stets auf die Publikumsreaktionen zuschneiden. Während der Präsentation seiner Idee zeigte er zunächst eine fertige Schnittfassung einiger Filmsequenzen, daraufhin zeigte er die selben Sequenzen noch mal, allerdings aufgrund der positiven Reaktionen auf Val Kilmers Darbietung mit einem größeren Fokus auf seine Figur.
Mit einem iPad bewaffnet, auf dem sich von sämtlichen Szenen des Films unterschiedliche Versionen befinden, möchte Coppola den «Twixt» spontan neu zurechtfügen, wie er es halt für das Publikum des Abends ideal hält. Beliebte Figuren erhielten mehr Leinwandzeit, ein Publikum das die düsteren Aspekt des Films mehr für sich einnimmt, wird vielleicht manche der komödiantischen Sequenzen nicht zu Gesicht bekommen. Zusätzlich soll während der Tour ein Orchester die Filmmusik live einspielen, natürlich abgestimmt auf Coppolas Entscheidungen, welche Sequenzen in welcher Länge und welcher Reihenfolge gespielt werden. Coppola verglich seine Position in diesem Konzept mit der eines Dirigenten, er wollte dem Kino etwas von einer Oper oder einer Theateraufführung zurückgeben, wo jede einzelne Aufführung etwas einmaliges ist.
Coppola machte während seines Auftritts auf der Comic Con deutlich, dass diese inspirierende Idee keine kurzlebige Sache sein sollte, die allein die Kinoauswertung von «Twixt» aufbauscht. Der Regisseur wünscht sich, der obwohl sehr jungen, momentan recht eingefahrenen Kunstform des Kinos wieder Innovation und Wandlungsfähigkeit zurückzugeben. Ein geniales Konzept, mit leider nur einem großen Fehler: Internationale Filmfans sind mal wieder ausgeschlossen. Es sei denn, sie fliegen für die Vorführung eines von Coppola auf einen zugeschnittenen Kinofilms in die USA. Sicher, deutsche Filmemacher könnten diese Idee übernehmen, aber ob sie dann noch den selben Glanz hat..?