Zur Lage der TV-Nation

RTL vs. ProSieben vs. Sat.1

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Die Programm-Präsentationen der vergangenen Woche in der Analyse: Welcher Sender konnte mit Neuerungen überraschen? Wo wurden die Erwartungen nicht erfüllt? Eine Einschätzung…

Dass uns von den Programm-Screenings insbesondere RTL zunächst einmal beeindruckt hat, liegt an zwei Dingen: Erstens hat der Sender im vergangenen Jahr so wenig Neues und Innovatives verkündet, dass die Erwartungen der Branche an die diesjährigen Ankündigungen wohl so niedrig wie nur selten zuvor waren. Es ist RTL also nicht schwer gefallen, die Präsentation des vergangenen Jahres zu toppen. Und zweitens hat der Sender in der abgelaufenen TV-Saison solch sensationelle Quotenentwicklungen vollzogen, dass man allzu viele Neuerungen eigentlich gar nicht erwartet hatte. Neben RTL haben aber auch Sat.1 und ProSieben zahlreiche Formate angekündigt, um die Zuschauer in den kommenden Monaten gut zu unterhalten.

US-Serie


Schon im vergangenen Jahr wurde auf das Problem von RTL in Sachen US-Serie aufmerksam gemacht: Damals wurde keine einzige neue Sendung angekündigt, obwohl «Dr. House» und Co. Marktanteile verloren und «Monk» gegen Ende des Jahres zu Ende ging. Wie schon vorher bekannt, wird «White Collar» als neue Serie noch in diesem Jahr starten. Abgesehen davon hat RTL aber mit «Transporter – Die Serie» überrascht: Die internationale Co-Produktion basiert auf der Kino-Filmreihe, Infos über dieses Projekt waren bisher spärlich. Umso interessanter war daher die Ankündigung, dass RTL sich die Rechte daran gesichert hat.

Sat.1 hingegen kündigte im Fiction-Bereich ausschließlich Filmproduktionen wie die Fortsetzung des Quotenerfolgs «Die Wanderhure» an. Weder neue US-Serien noch deutsche Serien wurden vorgestellt – und das, obwohl Sat.1 mit «Danni Lowinski» und «Der letzte Bulle» die deutsche Serie quasi im Alleingang beim Privatfernsehen wieder salonfähig gemacht hatte. Gerade hier waren also, wie schon im vergangenen Jahr, neue Ankündigungen erwartet worden. Eventuell wartet der Sender aber die noch ausstehenden Neustarts in den USA ab und bedient sich dann der Output-Deals, die Erstzugriffsrechte auf Formate bestimmter Produktionsfirmen sichern.

Ähnlich war auch ProSieben im vergangenen Jahr verfahren, das damals fast keine neue US-Serie angekündigt hatte. Anders ist es diesmal gewesen: Gleich fünf neue Programme hat der Sender für die TV-Saison 2011/12 angekündigt. Darunter befindet sich zunächst einmal «Body of Proof», das schon im August startet und einer der erfolgreichsten Neustarts des vergangenen Jahres in den USA war. Zudem kommt das Steven-Spielberg-Projekt «Terra Nova» nach Deutschland, die aber auch in den USA noch nicht gestartet ist. Abgesehen davon bediente sich ProSieben – überraschend zahlreich – abseits der US-Networks und kaufte die Rechte von Serien bei Kabel- oder Pay-TV-Sendern in den Vereinigten Staaten: Mit «Being Human» (Syfy), «Spartacus: Blood and Sand» (Starz) und «Falling Skies» (TNT), das aktuell schon in Deutschland im Bezahlfernsehen ausgestrahlt wird, stehen drei weitere Serien in den Startlöchern. Interessant ist bei diesen neuen Formaten besonders die Mischung: Zwei Sci-Fi-Projekte, ein historisches Drama, ein Supernatural Drama und ein Medical Drama versprechen Abwechslung an den Serienabenden. Notiz am Rande: Trotz des anhaltenden Erfolgs wurde im Comedy- und Sitcom-Bereich keine neue Serie angekündigt – auf die Chuck-Lorre-Sitcom «Mike & Molly» wartet man also noch vergebens.

Deutsche Fiction


Wie bereits erwähnt fehlte bei Sat.1 die Ankündigung eines neuen heimischen Serienprojekts. Stattdessen beschränkt man sich weiterhin auf die beiden Quotenerfolge am Montagabend, zahlreiche Produktionen innerhalb der Reihe «Der große Sat.1-Film» sowie Events: Ein Nachfolger von «Die Wanderhure» und ein Drama mit Yvonne Catterfeld namens «Am Ende der Hoffnung» wurden vorgestellt. Zwei bereits bekannte Piloten, «Wolff – Zurück im Revier» und «Die Mangold & Lucy Palm» mit Anja Kling, dürften bei Erfolg in Serie gehen.

ProSieben setzt, wie bereits geschrieben, voll auf ausländische Serienware und kündigte weder Film- noch Serienproduktionen aus deutschen Landen an. Im vergangenen Jahr gab es die Ankündigung der Krimi-Comedy «Kreutzer kommt» mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle – immerhin geht es hier mit einem zweiten Film weiter.

In der deutschen Fiction hat RTL die meisten neuen Projekte vorzuweisen: «Die Trixxer», das kurioserweise schon vor einem Jahr vorgestellt wurde, kommt endlich mit einem Pilotfilm auf die Bildschirme. «IK 1 – Touristen in Gefahr» und «World Express» sind ebenfalls Piloten, die bei Quotenerfolg in Serie gehen könnten. Zudem startet mit «Die Draufgänger» eine neue Actionserie mit acht Folgen, nachdem der Pilotfilm akzeptable Quoten erzielt hatte. Außerdem gehen «Countdown» und «Doctor’s Diary» in neue Staffeln, wenn letztere wohl auch frühestens erst ab Sommer 2012. Im Filmbereich kündigte RTL zudem «Bermuda Dreieck Nordsee» mit Hannes Jaenicke an. Gut gerüstet könnte der Sender mit seinen Serien wahrlich sein, wenn der Trend zur deutschen Serie weiter anhält. Problematisch wäre dann nur, dass RTL letztlich der Mut zum Risiko fehlt und viele Projekte erst nur mit Testfilmen auf den Bildschirm gelangen – die ersten Staffeln könnten so erst 2012 starten. Generell aber ist das Engagement von RTL in der deutschen Fiction bemerkenswert.

Show und Comedy


In diesen Genres dürfte sich vorerst wohl jeder Sender als Gewinner sehen – zumindest so lange, bis die ersten Einschaltquoten Aufschluss darüber geben, wer nun das richtige Konzept in Sachen Show verfolgt. RTL gräbt das Kuppelformat «Der Bachelor» wieder aus und gibt Oliver Pocher eine eigene Show im Stile von «Schlag den Raab». Daneben wird Daniel Hartwich mit «H wie Hartwich» wieder eine eigene Show bekommen, die wahrscheinlich im Sandwich von einer der Castingshows «DSDS» oder «Supertalent», die beide in neue Staffeln gehen, ausgestrahlt wird. Daneben zeigt «Deutschlands Casting Helden» gescheiterte Möchtegern-Stars der Talentsuche noch einmal – diese Show dürfte ein ziemlich sicherer Quotenhit werden. Das Engagement von Oliver Pocher ist hingegen riskant, weil nach dem Sat.1-Flop ein Fragezeichen hinter dem wahren Marktwert des Entertainers steht. In Sachen Comedy wird RTL acht Folgen der Sitcom «Sekretärinnen – Überleben von Neun bis Fünf» ausstrahlen.

Sat.1 zeigte sich in Retro-Laune: Neben der bereits bekannten Rückkehr der «Harald Schmidt Show» reaktiviert der Sender das frühere ProSieben-Format «Stars auf Eis» mit Kati Witt. Die Eistanz-Show entwickelte sich in der ersten Staffel zum kleinen Quotenerfolg, war mit Staffel zwei aber ein Flop. Und nach Ulla Kock am Brink und Jürgen von der Lippe reiht sich 2012 auch Linda de Mol in die Riege der 90er-Quotenstars ein, die nun bei Sat.1 eine Heimat finden: Die frühere «Traumhochzeit»-Moderatorin wird mit «The Winner Is…» (AT) eine Castingshow präsentieren. Ein Problem könnte dabei werden, dass der geplante Frühjahrs-Start mit dem Konkurrenten «DSDS» zusammenfällt. Zudem zeigen Sat.1 und ProSieben schon gemeinsam in diesem Jahr das neue Mega-Format «The Voice of Germany», das weltweit Erfolge feiern kann. Die Sendergruppe ist daher so überzeugt, dass die Castingshow auf beiden TV-Stationen zu sehen sein wird – und die Chancen stehen hoch, dass mit diesem Format einer der großen Quotenhits des Jahres noch bevorsteht. Damit aber steigen auch die Chancen, dass de Mols «The Winner Is…» im Zuge des neuerlichen Casting-Überangebots nicht mehr allzu viele Zuschauer erreicht.

Neben einer neuen Familienshow sowie weiteren Folgen von «Die perfekte Minute», Kerners «Allgemeinwissensquiz» und Britts «Mein Mann kann» produziert Sat.1 neue Staffeln von «Pastewka», «Ladykracher» und «Die Dreisten Drei», wobei letzteres erneut mit neuen Darstellern aufwartet. Daneben kündigt der Sender eine eigene Sketch-Comedy für die Parodistin Martina Hill («Switch Reloaded») an und gibt Hugo Egon Balder mit «Comedy Circus» eine neue Show, bei der Kabarettisten und Music-Acts im Cirkus Krone auftreten werden.

Und ProSieben? Hier freut man sich über die tollen Quoten der Samstagabend-Show «17 Meter» und das anscheinend nun gefundene Hit-Duo Joko & Klaas, dem gleich zwei weitere (noch unbekannte) neue Projekte spendiert werden – damit kommen die Entertainer auf mindestens drei Formate bei ProSieben. Neben diesen neuen Sendergesichtern wird auch Steven Gätjen zu einem solchen aufgebaut: Nicht nur übernimmt der neue «Schlag den Raab»-Präsentator die Moderation vom Ableger «Schlag den Star», sondern auch von weiteren Raab-Events wie der «Wok-WM». Highlight dürfte für viele Comedy-Fans aber sicherlich die fünfte «Stromberg»-Staffel sein, die im November startet.

Für Freunde von Shows bieten sich in den kommenden Monaten also zahlreiche Gelegenheiten, den Fernseher einzuschalten. Allerdings wurden mit Pochers Format und der unbenannten Sat.1-Familienshow nur zwei neue klassische Spiel- bzw. Gameshows angekündigt – die oft erwartete Renaissance des Genres lässt also weiter auf sich warten. Im Comedy-Bereich bleiben die Erfolgs-Serien im Programm. Hier bleiben die Sender sehr vorsichtig; die eigenproduzierte Comedy bleibt auch im kommenden Jahr eher eine Randerscheinung.

Reality und Doku


ProSieben kommt weiterhin ohne Realitys in der Primetime aus. Man bekräftigte lediglich, die Marke «Galileo» mit Schwerpunkten und Themenwochen stärken zu wollen. Sat.1, das in den vergangenen Jahren mit Realitys immer wieder Quotenflops hinnehmen musste, will es nun richtig wissen: Mit Andrea Göpel und Julia Leischik kaufte man zwei erfahrene Moderatorinnen vom Reality-Erfolgssender RTL ein. Diese moderieren mit «SOS Garten» und «Julia Leischik sucht: Bitte melde Dich» zwei Formate, die denen bei RTL sehr ähnlich klingen. Zudem präsentieren mit Britt Hagedorn und Barbara Eligmann zwei weitere prominente Sat.1-Gesichter neue Dokus. Insgesamt wurden gleich sieben neue Realitys für die TV-Saison 2010/11 vorgestellt, nachdem es im vergangenen Jahr zwei waren (von denen eines namens «Die Insider» erst gar nicht auf Sendung ging). Das Genre Reality ist damit ein neuer Schwerpunkt im Programm von Sat.1 – umso wichtiger, dass es diesmal keine Quotenflops hagelt.

RTL kündigte keine neue Reality an. Angesichts der zahlreichen Erfolge ist dies auch nicht nötig: Unter anderem werden die Zuschauerhits «Vermisst», «Bauer sucht Frau», «Einsatz in 4 Wänden – Spezial», «Rach, der Restauranttester», «Jugendliebe», Schwiegertochter gesucht», «Helfer mit Herz», «Rachs Restaurantschule» und «Undercover Boss» in neue Staffeln gehen.

Im vergangenen Jahr bot Sat.1 die meisten Neustarts und die spannendsten Ankündigungen. Diesmal fällt das Fazit nicht so eindeutig aus: Alle drei Sender investieren in ihre starken Genres, allen voran ProSieben im US-Bereich und RTL bei Shows sowie Realitys. Sat.1 ist ein Coup damit gelungen, «The Voice of Germany» ebenfalls ausstrahlen zu dürfen. Auch die Rückkehr von Linda de Mol auf die deutschen Bildschirme überrascht, bleibt aber riskant, wenn die Zuschauer dem Casting-Genre überdrüssig werden sollten. RTL bietet aber letztlich die interessantesten Neustarts: Nicht nur, weil man den US-Hit «Der Bachelor» noch einmal nach Deutschland holt und zahlreiche Pilotfilme für mögliche neue deutsche Serien zeigt, sondern auch, weil mit Oliver Pocher ein scheinbar gefallener TV-Star sein Primetime-Comeback feiert.

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