J. J. Abrams dreht den Film, den sich Fans von Steven Spielberg seit Jahren wünschen.
Mit «Super 8» startet diese Woche das beste, klassische Steven-Spielberg-Abenteuer seit mindestens zehn Jahren in den deutschen Kinos. Allerdings war der Mann hinter solchen Publikumserfolgen wie «E.T.» oder «Jurassic Park» dieses Mal nur als Produzent tätig. Sein Regieerbe überließ er dem Schöpfer von «Alias», «Lost» und «Fringe», der seine modernen Sensibilitäten als Filmemacher wundervoll mit all dem vereinte, was sich Spielberg-Fans seit Jahren wieder von ihrem Idol wünschen.
Das Ergebnis ist ein nostalgischer Ausflug, nicht nur in ein vergangenes Jahrzehnt, sondern auch eine vergangene Ära des Sommerblockbusters.
Im Sommer des Jahres 1979 hat es sich eine Gruppe befreundeter Jungs in den Kopf gesetzt, an einem Amateurfilm-Wettbewerb teilzunehmen. Charles, der Autor und Regisseur des geplanten Zombie-Films, heuert nach der Hälfte der Dreharbeiten auch die von seinem Freund Joe angehimmelte Alice an. Sie soll als weibliche Hauptrolle dafür sorgen, dass in dem Amateurfilm mehr Herz mitschwingt und die Zuschauer deswegen mehr mitgehen. Der heimliche und nächtliche Dreh von Alices erster Szene findet an einem verlassenen Bahnhof statt, wo die Freunde Zeugen eines enormen Zugunglücks werden. Am Tag darauf sichert das Militär die Zugstrecke ab und untersucht das Wrack des entgleisten Güterzugs. Von diesem Moment an geschehen im beschaulichen Heimatstädtchen der filmisch ambitionierten Kinder unerklärliche, tragische Ereignisse.
In der Theorie läuft J. J. Abrams erste Kooperation mit dem Vater des modernen Blockbusters Gefahr, aufgrund seiner Kombination zweier gänzlich unterschiedlicher Geschichten sämtliche Zuschauer zu enttäuschen. Je nach persönlicher Präferenz könnte sich der Kinogänger darüber aufregen, dass ein stimmiger und herzlicher Film über Kinderfreundschaften von dieser dämlichen Monster-Mystery-Action weggefetzt wird. Oder man gehört zu jenen, die sich auf die atmosphärisch dichte Monster-Geschichte freuen, und fühlt sich von der rührseligen Kindergeschichte gestört.
Erfreulicherweise gehört «Super 8» nicht zur langen Liste gescheiteter Genrekreuzungen. Autor, Regisseur und Produzent J. J. Abrams vereint die zwei in «Super 8» brodelnden Filme, die auf eigenen Beinen stehend bereits sehr reizvoll wären, zu einer wundervoll abgestimmten Sommerkinogeschichte. Mal magisch, mal schaurig, mal beeindruckend, mal einfühlsam. Statt von allem etwas, aber nie genug zu bieten oder einen Aspekt seiner Geschichte zu stark zu betonen, kann Abrams seinen erstrebenswerten Spagat zur vollen Zufriedenheit ausführen. Die sowohl warmherzige als auch amüsante Handlung über Kinder, die ihren Sommer nutzen, um einen aufregenden Film zu drehen, verläuft parallel zum mysteriösen, voller packender Spannungsspitzen steckenden Monsterfilm. Anfangs beeinflussen sich diese zwei Herzen, die in der Brust von «Super 8» schlagen, nur indirekt, doch schnell wird klar, dass sie sich zwangsweise irgendwann kreuzen müssen. Wie und mit welchen Folgen, das liegt weniger auf der Hand, und so entsteht bei «Super 8» eine zusätzliche Meta-Spannungsebene.
Eine der wichtigsten Stärken von «Super 8» ist die durchweg überzeugende Riege an Nachwuchsschauspielern. Kinderdarsteller neigen bekanntlich zu quengeligem, eiskaltem oder übertriebenem Schauspiel, doch nicht so in diesem Fall. Die gesamte Kinderschar bringt ihre Rollen sehr echt rüber, die Witze wirken spontan und die Gefühle zeigen sich ungezwungen. Vor allem die zwei Hauptdarsteller, Joel Courtney als der Halbwaise Joe Lamp und Dakota Fannings jüngere Schwester Elle als Joes Schwarm Alice sind wirklich fantastisch. Ungezwungenere und unanstrengendere Kinderdarsteller gab es abseits von «Kick-Ass» lange nicht mehr im Blockbuster-Bereich zu sehen.
Während die Geschichte der Heranwachsenden auf beste Weise an 80er-Jugendfilme wie «E.T» oder «Die Goonies» erinnert, macht sich im Mystery- und Action-Part die Handschrift des Regisseurs deutlich stärker bemerkbar. Das Zugunglück wird in einer Katastrophenszene wahrlich gigantischen Ausmaßes zelebriert, wobei die moderne Megalomanie unter großem Rückgriff auf handgemachte Effekte in die Tat umgesetzt wird. Das Ergebnis ist die wahrscheinlich erstaunlichste Actionsequenz des Kinosommers, da Abrams sich in all dem Chaos die Zeit nimmt, bei besonders eindringlichen Bildern innezuhalten. Die Monsterangriffe sind sehr glanz- und geheimnisvoll inszeniert, Abrams weiß ganz genau, wie wenig er zeigen darf, um die Neugier aufrecht zu erhalten, und wie viel er zeigen muss, um den Zuschauer nicht zu frustrieren. Unterstützt werden die einschneidenden Spannungsmomente durch einen großartigen Score von Michael Giacchino («Oben»), der sich wieder einmal dadurch auszeichnet, dass der Oscar-prämierte Komponist einen markanten, klassischen Filmmusikstil adaptiert und ihn durch eine hohe Klangdynamik zu eigen macht. Durch die vor Nostalgie triefenden Bilder des Kameramanns Larry Fong («Watchmen», «Lost»), die eine angenehm altmodische Qualität an sich haben und dennoch den modernen Erwartungen an eine packende Atmosphäre genügen, ist die filmische Kreuzung aus Spielbergs und Abrams Stil perfekt.
«Super 8» muss zwar dessen schuldig gesprochen werden, sich sehr vieler Klischees zu bedienen, doch er nutzt diese nahezu ausnahmslos überaus effektiv. Somit wird dieser moderne Rückgriff auf eine ruhigere, magischere Blockbuster-Ära zu einer rundum gelungenen Mischung aus kindlichem Coming-of-Age-Abenteuer und spannender Mystery-Action, die für jeden Spielberg- oder Abrams-Liebhaber einen absoluten Kino-Pflichttermin darstellt. Und selbst wenn «Super 8» nicht völlig frei von Kitsch ist, könnte Abrams Nostalgie-Trip aufgrund der gegenüber den filmischen Vorbildern gedrosselten Dosis auch einige Spielberg-Kritiker umstimmen.
Somit lässt sich ein ganz klares Fazit ziehen: «Super 8» ist waschechtes, klassisches Unterhaltungskino, das eine warmherzige Geschichte über eine Gruppe Kinder mit einem packenden, actionreichen Mysteryplot kreuzt. Handwerklich makellos und mit einigen denkwürdigen Szenen ist «Super 8», obwohl er manchmal vielleicht etwas zu stark auf die Spielberg-Vorbilder schielt, ein absoluter Spitzenkandidat auf die Filmkrone des Kinosommers. Und im Gegensatz zu manchen herzlosen Spektakeln dürfte «Super 8» noch lange in Erinnerung bleiben.
«Super 8» ist ab dem 4. August in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen.