Hingeschaut

Der Schweizer «Tatort»: Eine Katastrophe?

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Viel wurde über ihn geschrieben: Quotenmeter.de hat die erste neue «Tatort»-Folge nach rund zehn Jahren genau angeschaut und sagt: Was war gut, was war schlecht? War die Aufregung im Vorfeld berechtigt?

Nach rund zehn Jahren hat das Schweizer Fernsehen am Sonntagabend wieder eine Folge zum «Tatort» beigesteuert – eigentlich etwas, auf das der öffentlich-rechtliche Sender aus der Eidgenossenschaft stolz sein könnte. Wäre da nur nicht die Schlammschlacht gewesen, die man ohne Hemmungen in der Öffentlichkeit ausgetragen hat.

Ursprünglich war die Ausstrahlung von „Wunschdenken“ schon für den April dieses Jahres geplant – doch der SF war mit dem Film so unzufrieden, dass er sogar die Abnahme verweigerte. Nathalie Wappler, Kulturchefin des Schweizer Fernsehens, machte bereits im Februar ihrem Unmut über die entstandene Folge Luft: „Mit diesem «Tatort» sehen wir schlecht aus“, wurde sie zitiert. Generell sei die Qualität zu schlecht, um eine Ausstrahlung zu rechtfertigen. Auch Regisseur Markus Imboden gab sich wenig enthusiastisch. Er bezeichnete das Ergebnis zwar als „ganz ordentlich“, sprach allerdings bezüglich Darstellerin Sofia Milos, die die Abby Lanning spielt, von einer „Fehlbesetzung“.

Schließlich wurde die Folge massiv überarbeitet, um die vielen Klischees ein wenig zu entschärfen. Ferner wurden zumindest weite Teile der Gesamtausgabe auf Verlangen der ARD neu synchronisiert. Doch diese Überarbeitung gefiel Imboden wohl noch weniger als die ursprüngliche Version: „Ich fühle mich verarscht. Diese Fassung wirkt dilettantisch“, sagte er gegenüber dem schweizerischen Blatt „Blick“.

Schon das Handlungsgerüst an sich scheint diesen Eindruck zu bestätigen: Reto Flückiger (Stefan Gubser) ist gerade dabei, sein Segelboot auf dem Vierwaldstättersee einzuwassern, als sein alter Freund und neuer Chef Ernst Schmidinger (Andrea Zogg) von der Kripo Luzern anruft. Ein Politiker wurde entführt. Da die Luzerner Polizei schon genug mit einer Wasserleiche zu tun hat, muss Flückiger seine geplanten Ferien sausen lassen.

Die Ehefrau des Entführten, Natalie Kreuzer (Stephanie Japp), zeigt der Polizei das Erpresservideo. Das Lösegeld soll noch am gleichen Tag im Bahnhof übergeben werden. Flückiger nutzt die verbleibenden Stunden, um sich vor Ort umzusehen. Er setzt die amerikanische Austauschpolizistin Abby Lanning (Sofia Milos) als Beobachterin für Natalie Kreuzer ein und übernimmt die Leitung des Einsatzkommandos. Punkt 18 Uhr ist alles parat. Aber nichts geschieht. Nach eineinhalb Stunden bricht Flückiger die Aktion ab. Die Ermittler stehen vor dem Nichts.

Die nächsten Tage verstreichen ohne Fortschritte. Während Reto der Möglichkeit nachgeht, dass Kreuzer aus politischen Gründen entführt wurde, kümmert sich Abby wieder um die Wasserleiche. Anton Widmer (Andreas Matti), der Tote, der aus der Reuss geborgen worden ist, saß immer wieder im Gefängnis Wauwilermoos. Erst als Abby und Reto darauf stoßen, dass Kreuzer genau dieses Gefängnis über Jahre geleitet hat, wird klar: Die beiden Fälle hängen zusammen. Aber: Wenn Widmer Kreuzer entführt hat, dann wartet der Politiker jetzt vergeblich auf die Freilassung.

Inhaltlich taumelt man also zwischen wenig innovativ und katastrophal. Und das ist das Hauptproblem dieser Folge – nicht Sofia Milos. Denn dass ihr «CSI: Miami»-Duktus nicht so recht zum sehr behäbigen «Tatort»-Stil passen will, ist nicht ihre Schuld. Ebenso wenig, dass Drehbuchautor Nils-Morten Osburg ihre Figur vollkommen klischeehaft und überzeichnet anlegte und den ersten offensichtlichen Plot-Hole gleich in ihre Prämisse gepackt hat (Warum zur Hölle arbeitet eine amerikanische Polizistin in der Schweiz?).

Dramaturgisch fiel der Stoff ohnehin an allen Ecken und Enden auseinander. So wirkt die Wasserleichen-Eröffnung viel zu forciert platziert, sodass der Zuschauer schnell einen Zusammenhang zwischen diesem ersten Todesfall und der Entführung von Kreuzer vermutet. Zu schnell strickt man eine debile Romanze in das Drehbuch und der komplett idiotische Höhepunkt (eine alberne Schießerei in einem Treppenhaus, ohne Sinn und Verstand zusammengefilmt) ist nicht mehr als ein schlechter Witz. Hinzu kommt noch, dass der Kommissar auch einmal gesetzeswidrig herumschnüffelt und dann Informationen erpresst, wenn er nicht gerade einmal wieder mit seiner amerikanischen Kollegin ins Bett geht. Wenigstens die berüchtigte Kuhglocken-Szene, die wohl so ziemlich allen Machern ein Dorn im Auge war, hat man in der gesendeten Endversion gestrichen.

Wenn das alles ist, was das Schweizer Fernsehen zur «Tatort»-Reihe beisteuern kann, dann wäre es wohl eher eine positive Entwicklung, wenn uns die nächste Folge auch wieder erst in zehn Jahren bevorstehen würde. Doch daraus wird wohl nichts, denn mit den Dreharbeiten für Folge Zwei des Trauerspiels begann man schon am 14. März. Ohne Sofia Milos. Eine der Wenigen, die für das Debakel vom Sonntag eigentlich nichts kann.

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