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ZDF: Und nach der Programmreform?

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Nach den zahlreichen punktuellen Änderungen im Programm des ZDF bleibt zunächst Ernüchterung, denn bessere Quoten bleiben oft aus. Welche Baustellen hat der Mainzer Sender in der kommenden TV-Saison zu schließen?

Das Erste vollzieht seine Programmreform im Herbst, das ZDF setzt seine bereits seit April um. Die größte Veränderung besteht aus der Neuausrichtung der Donnerstags-Primetime, wo das Magazin «ZDF.reporter» zugunsten eines neuen – vorwiegend komödiantisch orientierten – Filmabends eingestellt wurde. Weiterhin verschwand das Info-Format «Abenteuer Wissen» am späten Dienstagabend aus dem Programm, das ursprünglich am Sonntag um 18.30 Uhr eine neue Heimat finden sollte. Dort aber zeigt das ZDF nun die neu geschaffene Marke «Terra Xpress» als Ableger der «Terra X»-Dokumentationen. Am Dienstag um 20.15 Uhr will man die verschiedenen Dokus ebenfalls unter einem Namen bündeln; aktuell experimentiert man mit Reportage-Reihen wie den zuletzt gesendeten über die Loveparade-Katastrophe und das chilenische Minenunglück im vergangenen Jahr. Ohne Erfolg übrigens, da die Marktanteile deutlich im einstelligen Bereich lagen. Nun startet eine fünfteilige Reihe über den „Heiligen Krieg“ – und damit ein historisches wie brisant aktuelles Thema.

Größere positive Auswirkungen sind durch die kleine ZDF-Reform bisher nicht zu spüren. Im Gegenteil kommen die Umstrukturierungen bisher wenig beim Publikum an. Beispiel «Terra Xpress» am Sonntagvorabend: Nicht ein Mal erreichte die im Juni gestartete Reihe zwei Millionen Zuschauer, nicht ein Mal einen zweistelligen Marktanteil. Teilweise lagen die Werte um ein Viertel niedriger als der übliche ZDF-Durchschnitt. Beispiel «ZDFzoom»: Unter diesem Banner bündelt das ZDF seit der Programmreform Dokumentationen am späten Mittwochabend gegen 22.45 Uhr, die sich teils an aktuellen Ereignissen wie dem Amoklauf des norwegischen Mörders Behring Breivik orientieren. Der Quotentrend der seit Mitte Mai ausgestrahlten Reihe zeigt nach unten – auch hier hagelt es fast ausschließlich einstellige Marktanteile, wobei es immerhin beim jüngeren Publikum ordentlich läuft: Mit durchschnittlich 5,7 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen kann das ZDF zunächst zufrieden sein. Weniger aber mit den 8,2 Prozent beim Gesamtpublikum, welche die Reihe bisher durchschnittlich für das ZDF eingefahren hat.

Größte Baustelle der Mainzer ist allerdings das Nachmittagsprogramm, das einst mit erfolgreichen Telenovelas ein Quotengarant im deutschen Fernsehen war. Nachdem aber zuletzt die Zuschauerzahlen der klassischen Telenovela «Lena – Liebe meines Lebens» auf dem Sendeplatz um 16.15 Uhr hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren, zeigte das ZDF ab April dort eine sogenannte „Medical Daily“, die frischen Wind in den Nachmittag bringen sollte. Doch die Abkehr vom klassischen Telenovela-Konzept vergrößerte das Quotenproblem noch: Die ersten 80 gesendeten Episoden von «Herzflimmern» erreichten nur desolate 7,7 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum sowie 3,0 Prozent bei den jüngeren Zuschauern. Damit liegt die Soap mehr als ein Drittel unterhalb des ZDF-Schnitts – beim jungen Publikum sogar mehr als die Hälfte darunter. Aktuell wird das Format mit neuen Figuren und Geschichten umgekrempelt, doch insgeheim wird sich das ZDF schon nach einem anderen Nachmittags-Programm umsehen (müssen). Denn auch die Kochshow «Topfgeldjäger» ab 15.05 Uhr bringt es nur noch selten auf zweistellige Marktanteile.

Einige bisherige Programmänderungen lassen also viel Luft nach oben. Umso herausfordernder werden die kommenden Monate, in denen das ZDF an seinen Baustellen arbeiten muss: Beispielsweise durch die richtige Themenfindung bei den Doku-Reihen am Dienstag- und Mittwochabend, die Neuausrichtung des Nachmittags und die Spielfilm-Auswahl am Donnerstag. Insbesondere wird sich zeigen müssen, wie erfolgreich die Spätabend-Schiene unter der Woche ist – denn genau dort setzt Das Erste mit seiner Talkshow-Reform an. Interessant wird beispielsweise das Duell der Reihe «ZDFzoom» gegen «Anne Will», die künftig parallel mittwochs um 22.45 Uhr senden wird. Besonders gespannt wird man auch auf die Quoten künftiger Hollywood-Filmausstrahlungen oder Eigenproduktionen schauen, die nun einheitlich am Donnerstag gezeigt werden: Nimmt der Zuschauer diesen neuen Film-Sendeplatz nicht an, könnte es angesichts der Einstellung von «ZDF.reporter» späte Kritik geben.

Kürzlich kündigte der designierte ZDF-Intendant Thomas Bellut auch ein sogenanntes „TV Lab“ für das ZDF an. Unter diesem Label zeigt der Sender im kommenden Jahr verschiedene Pilotsendungen für einen Vorabend-Sendeplatz, von denen die Zuschauer über eine Weiterproduktion entscheiden. Für dieses Jahr ist das „TV Lab“-Konzept bereits für den kleinen Digitalsender ZDFneo geplant. Dass es aber auch bei einem der größten deutschen Fernsehsender Anwendung finden wird, ist überraschend und mutig zugleich. Angesichts der – im Vergleich zu anderen Sendern zugegebenermaßen eher geringen – Probleme im Programm des ZDF ein spannendes Signal von Thomas Bellut, der im kommenden Frühjahr die Nachfolge von Markus Schächter als Intendant antritt. Und ein Signal, das richtungsweisend für den künftigen ZDF-Kurs unter Bellut sein könnte: Experimentierfreudig, mutig, risikoreich.

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