Von der mauen Sommerserie zu einem echten Hit: Das Finale der ersten Staffel hatte es in sich.
Zu Beginn gab es die klischeebeladene Horrorserie, die selten originell werden wollte. In Staffelmitte gab es mehrere Hinweise, dass die Autoren große Pläne mit der Serie haben, diese wurden jedoch von den Grenzen der MTV-Standards aufgehalten. Zum Staffelfinale gab die Serie dann alles her, was das Genre zu bieten hatte. «Teen Wolf» war in den vergangenen Wochen eine kleine Überraschung. Als uninteressante, spannungslose und vorhersehbare Sommerserie auf einem Sender gelandet, welcher in den vergangenen Jahren dank «Jersey Shore», «16 and Pregnant» und «Skins» für Skandale und Furore sorgte, entwickelte sich das hauseigene Mysteryformat zu einer starken Serie, welche in den letzten Minuten endlich die Verbindung zwischen ihrer Geschichte und ihrem Genre aufbauen konnte, statt in gezwungenen Ausmaßen in unzähligen Klischees zu ertrinken.
Auf dem Weg zum aufregenden und tatsächlich spannenden Finale gab es jedoch einige Stolpersteine für die Zuschauer. Man wurde zeitweise das Gefühl nicht los, dass die Autoren ihr Geheimnis um den Alpha-Werwolf nicht lösen, und die im Grunde genommen handfeste Mythologie bis zum Staffelfinale schleppen wollten, ohne vorher auch nur eine Antwort zu geben. Besonders das Mysterium um den Alpha-Werwolf musste darunter leiden, nachdem die Frage nach seiner wahren Existenz mit unzähligen Roten Heringen ausgestattet wurde, die ungefähr alle 30 Minuten in den Episoden auftauchten. Das tat dann vor allem der Entwicklung der Nebencharaktere weh, die offenbar aus keinem anderen Grund während der ersten Staffelhälfte ein ausreichendes Maß an Sendezeit bekommen haben. Zusätzlich verzichteten die Autoren auf interessantes Storymaterial, indem sie sich zu sehr mit der Frage beschäftigten, wer denn nun der Alpha ist.
So kommt es, dass der Mittelteil der Staffel nicht durch seine durchdachten Geschichten überzeugen kann, und stattdessen ein Genreklischee nach dem anderen liefert, um die Mythologie bis zum Finale aufzusparen. Nach dem ebenfalls vorhersehbaren, aber immerhin unterhaltenden, Staffelstart kam «Teen Wolf» in eine Phase, welche der Serie schnell hätte das Genick brechen können. Dass es dazu nicht kam, war vor allem der Storyline um Jackson zu verdanken, sowie der Tatsache, dass «Teen Wolf» sich auch stilistisch langsam, aber sicher fand. Man entfernte sich von den Versuchen, den Comedyaspekt der Kumpelbeziehung zwischen Scott und Stiles zu zeigen, und näherte sich langsam der Spannung innerhalb der Storys und dem Horror der Situation. Das half schon ungemein, die Stereotypen nicht mehr als ganz so gravierend anzusehen, und «Teen Wolf» wirkte dadurch in der zweiten Hälfte nicht mehr forciert.
Neben der überraschenden Entwicklung der Story ist auch die Entwicklung des Produktionsstandards der Serie positiv zu betrachten: Schon kurz nach der Staffelhalbzeit verabschiedete «Teen Wolf» sich vom Gefühl, auf den Teeniemystery-Zug aufspringen zu wollen und lieferte einen Twist nach dem anderen, welche «The Vampire Diaries» alt aussehen lassen können; und auch die Effekte verbesserten sich stark. Dass offenbar ein Drittel des Budgets für das „Effektfeuerwerk“ im Staffelfinale verbraucht wurde, lässt zwar nur mehr durchscheinen, dass die Autoren ihre Geschichten durch die Episoden schleppten, doch am Ende bleibt man mit einem positiven Gefühl zurück, dass aus «Teen Wolf» etwas Großartiges werden kann. Nicht zu vergessen die positiven Darstellerleistungen: Sollte Tyler Posey von seinem Liebestrip einmal herunterkommen, könnte er sich in der zweiten Staffel durchaus zum Actionhelden verwandeln; ansonsten sieht der Rest des Cast nicht nur schön aus, sondern hat inzwischen auch genügend Material bekommen, um mit den Charakteren zu erstrahlen.
Am Ende ist «Teen Wolf» eine unterschätzte Serie, die jedoch immer noch viel Luft nach oben hat. Die Zuschauer haben dies bemerkt, und belohnten die Mysteryserie mit sehr guten Einschaltquoten. Im Sommer 2012 wird auf MTV die zweite Staffel folgen. Dann wird sich zeigen, ob aus der Serie die Kabelversion von «The Vampire Diaries» wird. Beide Serien haben nämlich eins gemeinsam: Sie starteten auf der Welle des Teenmystery-Hypes und haben es während ihrer ersten Staffel geschafft, auf eigene Storys zu setzen.
Ein kleines Problem hat «Teen Wolf» jedoch mit seiner Mythologie. Obwohl diese klar und einfach gestrickt ist, hat diese nicht mehr zu bieten, als die klassifizierte Trennung der Werwölfe in Alpha- und Beta-Tiere. Dass am Ende Peter, der Alpha, von Derek, einem Beta, getötet wurde, hilft der Situation nicht unbedingt. Während des Großteils der Staffel waren Derek und Scott damit beschäftigt, den Alpha-Werwolf zu finden, damit Derek seine Rache am Tod seiner Schwester ausüben kann, und Scott eine Möglichkeit hat, wieder zum normalen Teenager zu werden – das war eine der beiden großen Storylines in der Staffel, welche sich nun im nächsten Jahr wiederholen könnte. Denn die Autoren haben bisher nichts anderes als Zwei-Klassen-Werwölfe in ihrer Serie. Für eine Horrorserie mit Mysteryeinschlag definitiv zu wenig. Da stellt man sich zurecht die Frage, mit was die Autoren in der zweiten Staffel ankommen werden.
Auch mit verschenktem Potential hatte die Staffel so ihre Probleme. Beginnend mit den nie gestellten Fragen von Scott und Stiles, wer denn nun das Alphatier ist (während das Drehbuch mit seinen Szenenabfolgen immer wieder suggerierte, dass der Nebencharakter der Woche der Alpha sein könnte), endend mit dem fehlenden Konflikt zwischen Derek und Peter, welcher sich schlagartig mit Peters Tod in Luft auflöste. Immerhin wurde so ein Konflikt zwischen Derek und Scott kreiert, durch den in der zweiten Staffel ein völlig neues Licht auf deren Beziehung scheinen könnte. Aus zwei jungen Männern, die das gleiche Schicksal teilen, werden Erzfeinde, die alles versuchen werden, ihr Ziel zu erreichen. Bei Scott wäre es die Rückkehr zur Normalität. Bei Dereks Intentionen kann man sich allerdings nicht so sicher sein.
Nachdem die Autoren sich in der ersten Staffelhälfte großzügig mit Scott, Stiles und Derek beschäftigten, bekamen Jackson, Lydia und Allisons Familie darauffolgend mehr Zeit spendiert. Das half vor allem dem Mysteryanteil der Serie, nachdem Jackson sowohl vom Alpha-Werwolf als auch von Derek faktisch terrorisiert wurde. Dass Jackson nun zwischen dem Einfluss der Werwölfe und seinem eigenen Verstand hin- und hertanzt, macht es nur interessanter, für welche Seite er sich schlussendlich entscheiden wird. Und dank Scotts Liebe zu Allison, sowie Peters Angriff auf Lydia, welcher Jackson schockte, wäre es storytechnisch nicht verkehrt, wenn ein und ein halber Werwolf gegen einen ganzen Clan von Werwölfen antreten. Das Gleiche trifft auch auf Allisons Vater Chris zu, der nach den Ereignissen um Peters Vernichtung überlegen sollte, auf wessen Seite er wirklich steht. Diese Frage kommt auch deswegen passend daher, da die Serie sich nie auf die Familie der Werwolfjäger konzentriert hat, zu denen Chris gehört und zu denen Allison durch ihre Tante Kate beigetreten ist.
Am Anfang wirkte «Teen Wolf», als seien die Episoden nie vollständig durchdacht worden, doch am Ende führt alles zusammen. Der lang vorbereitete Austausch an der Antagonistenfront findet im Finale zwischen Derek und Chris statt, während Allison das Geheimnis ihres Freundes erfährt und eine Entscheidung gegen ihr Familienschicksal trifft. Was innerhalb der ersten Staffel nicht funktioniert hatte, wirkt Wunder im Staffelfinale: Fronten wurden geschaffen, Geheimnisse sind gelüftet und neue wurden kreiert. Inwiefern die Autoren das nun frische Storypotential nutzen werden, wird sich im nächsten Jahr zeigen.
Eine kleine Anekdote zum Schluss: Es ist schon erstaunlich, dass MTV mit «Teen Wolf» keinerlei Skandale eingefahren hat, besonders nachdem der ehemalige Musiksender unter den wachsamen Augen des Parents Television Council (PTC) ist, welcher bekanntermaßen eine Schmutzkampagne gegen MTVs «Skins» startete. Dass «Teen Wolf» als Familienshow mit dem Rating PG (parental guidance) Folterszenen, sich gegenseitig prügelnde Teenager und eben jene unter Alkoholeinfluss zeigt, ist schon ein Wunder für sich. Dass der PTC dagegen jedoch nichts auszusetzen hat, liegt wohl nur daran, dass die Mitglieder der sogenannten Fernseh-Wachhunde die Serie offenbar nicht sehen oder gänzlich nicht kennen. Da ist es schon lachhaft mit anzusehen, dass der PTC sich lieber mit einer neuen Offensive gegen NBCs kommendes Periodendrama «The Playboy Club» stellt, als sich dem gewaltbetonten «Teen Wolf» zuzuwenden. MTV wird es jedoch nicht kümmern – haben sie halt einen Skandal weniger auf ihrer Liste.