Rob Vegas

Der Tod von Onkel Frank

von
Rob Vegas liebt das Fernsehen. Endlich gibt es wieder einen Grund dafür.

Als Kolumnist ist das Leben nicht immer einfach. Zwischen Scripted-Reality, Skandalen der Woche und C-Promis muss man sich jede Woche ein Thema erfinden. Es ist weitaus leichter für mich einen kleinen Scherz bei Twitter rauszuhauen, eine Sendung zu machen, oder einfach einen Artikel im Blog niederzuschreiben. Denn Fernsehen schaue ich nur bedingt. Meist läuft Phoenix, ein paar hitzige Debatten aus dem Bundestag, eine Doku über Erdmännchen, oder die Suche nach den Wunderwaffen der Nazis. Der Rest interessiert mich schon lange nicht mehr. Elstner kann ich nicht mehr sehen, die Talkshows sind der reinste Virus und deutsche Seifenopern haben bis auf das Traumschiff keine Klasse.

Warum schreibe ich dann hier auf Quotenmeter.de ? Weil ich das Fernsehen liebe. Weil Fernsehen etwas Besonderes ist. Das liest sich sicher oft wie die Predigt von der guten alten Zeit, doch predige ich in diesem Fall gern Moral. Fernsehen ist ziemlich verrückt an sich. Es kann eine bessere, andere, schönere Welt produzieren. Es kann uns aus dem Alltag entfliehen lassen. Genau dafür schreibe ich gern. Meist landen nach diesen Kolumnen Mails in meinem Postfach. Natürlich oft Kritik von Machern oder erzürnten Lesern. Immer wieder melden sich aber auch Leser, welche diese Seite anscheinend regelmäßig besuchen und sich dann schlicht bedanken wollen. Dafür macht man es.

Aber was genau liebe ich am Fernsehen? Und warum gerade heute? Von der Vergangenheit zu schwärmen ist ziemlich einfach. Nur verkennt man leicht die schlechten Seiten der guten, alten Zeit. Auch damals wurde Schrott produziert, viel gelogen und immer erst an die Quote gedacht. Vielleicht ist es auch vermessen sich diesem Thema zu nähern. Immerhin gibt es genügend Kritiker meiner eigenen Inhalte. Ich lese diese Sichtweise einfach nirgends. Dafür nehme ich mir gerne Zeit.

Denken Sie doch bitte an einen wunderschönen TV-Moment. Er wird wohl etwas weiter in der Vergangenheit liegen. Bei Beckmann reden Promis heute im Stundentakt über jeden Schicksalsschlag. Schwangerschaften werden zur Dauerwerbesendung. Das Leid eines Promintenten ist auch immer ein Thema und dient mit genügend aufgesetzter Einfühlsamkeit von Lanz der Quote. Dämmt das Licht, sprecht leiser, führt die Hand nachdenklich ans Kinn und lasst die Tränen raus. Für meinen Teil empfinde ich dieses Gehabe als günstiges Schmierentheater. Es hat mit dem Begriff "echt" nicht wirklich viel zu tun. Es ist bestenfalls Mittel zum Zweck. Dein Leid im Tausch gegen Aufmerksamkeit.

Wenn ich an einen tollen TV-Moment denke, so singt dort Rudi Carrell in seiner letzten Show ein Lied für seine Mutter. Zugegeben ist es perfekt inszeniert und vorbereitet, aber ich empfinde es als "echt". Etwas das nur das Fernsehen schafft und kein YouTube-Clip von letzter Woche. Weil jeder Zuschauer weiß, dass es für die Mutter gedacht ist und nicht für die Quote. Man erhält von Rudi das Geschenk ein wenig an seinem Gefühl gegenüber seiner Mama teilhaben zu dürfen. Gemeinsam ehren Zuschauer und Moderator über dieses verrückte Konstrukt einer Unterhaltungssendung einen Menschen. Das ist ein schöner TV-Moment. Ich zeige Ihnen einfach das besagte Lied.



Und wo ist die Zukunft? Sie hat schon stattgefunden. Man sollte das Fernsehen nicht abschreiben. Jimmy Kimmel hat es in seiner LateNight Show in Amerika bewiesen und zwanzig Minuten über seinen vor kurzem verstorbenen Onkel geredet. Er war Teil der Show, ein wenig verrückt, sehr liebenswert und nebenbei sein echter Onkel. Was Jimmy Kimmel daraus gemacht hat war Fernsehen im besten Sinne. Er hat ihn geehrt mit einem Monolog. Da spricht dieser Moderator seinen besten Monolog ohne lustige Einspieler. Die einfachen Macken eines alten Mannes, Anekdoten aus seinem Leben und zwanzig Minuten muss kein künstlicher Applaus vom Band eingespielt werden. Er selbst ist dabei wahrscheinlich besser als in jeder anderen Sendung zuvor. Kämpft mit seinen Tränen, macht Scherze und erzählt dabei ohne den gespielten Charme von Lanz von Onkel Frank.



Das ist für mich Fernsehen. Etwas Besonderes vor der Kamera erschaffen. Die Einstellung zu dem Medium. Letztens kritisierte Pilawa das Fernsehen und die fehlenden Ideen. Alle tun das. Aber was hat Pilawa bisher erreicht? Eine dumme Talkshow auf einem Privatsender und dank jovialem Charme und einem konservativen Quiz werden die Gewinne höher. Erst wenn die Kritiker es besser machen hat Fernsehen eine Chance. Schmidt will nun mehrmals die Woche auf den Sender? Dann soll uns der Mann wieder begeistern wie einst in den 90ern. Wenn er wie damals eine Palette Ketchup aus reiner Neugier vom Dach der Produktionsfirma hat fallen lassen. Warum? Man wollte wissen wie hoch das rote Zeug zurückspritzt. Als Jean-Paul Belmondo bei Wetten Das..? hängend an einem Helicopter ins Studio geflogen wurde. Als Karl Dall mit Biolek kochte und dabei fast zwei Flaschen Wein in seinem Auflauf versenkte. Das ist Fernsehen. Dann schauen wir gebannt zu. Es ist nicht das Medium. Es ist die Einstellung dazu aus einer Plattform und einem Endgerät etwas Besonderes zu schaffen. Vielleicht ist es längst zu spät und der TrashTV-Zuschauer längst gezüchtet und zufrieden mit der Million am Abend. Vielleicht zeigen Moderatoren wie Jimmy Kimmel aber auch das es anders geht. Die Großväter wären sicher stolz auf sie. Wie Onkel Frank.

Ihr

Rob Vegas

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