Die Kritiker

«Rosa Roth: Notwehr»

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Story


Als sich der Polizist Titus Trescher frühmorgens von seiner Frau Susanne verabschiedet, um wie üblich im Berliner Grunewald zu joggen, ahnt er nicht, dass er wenig später seinem Mörder gegenüberstehen wird.

Für Rosa Roth und ihren Kollegen Markus Körber ist der Ermordete kein Unbekannter. Während der vergangenen Mai-Unruhen hatte Titus Trescher, der mit seinem Kollegen Lutz Kaminski auf Streife war, den zur autonomen Szene gehörenden Jugendlichen David Möller in Notwehr erschossen, als er diesen wegen schwerer Sachbeschädigung festnehmen wollte. David hatte in einem Hinterhof angeblich eine Waffe ziehen wollen, als Trescher den tödlichen Schuss auf ihn abfeuerte. Tatsächlich wollte der Junge aber nur sein Handy aus der Tasche holen. Kaminski hatte Treschers Aussage bestätigt, sodass der Staatsanwalt das Verfahren gegen Trescher fallenließ.

Könnte der Mord an Titus Trescher mit Davids Tod zusammenhängen? Vieles spricht dafür, zumal ein "Kommando David Möller" öffentlich Rache für Davids Tod geschworen hatte. Dazu passt ins Bild, dass Kaminski unlängst von Unbekannten krankenhausreif geprügelt worden ist.

Während sich Körber in der alternativen Szene umhört und seine Kontakte spielen lässt, kümmert sich Rosa um Treschers Witwe und sein unmittelbares Umfeld, zu dem neben Kaminski und dessen Freundin Betty Paul auch die Kollegen auf dem Revier gehören.

Aber es gibt noch eine Spur. Von Davids Eltern, die eine Vinothek betreiben, erfahren die beiden Ermittler, dass David eine Schwester hat, die seit dessen Tod untergetaucht ist. Und auch sie hatte Rache geschworen. Ihr Vater fürchtet sogar, dass sie dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt haben könnte. Für Körber erweist sich die Suche nach Miriam als eine schmerzliche Reise in die eigene Vergangenheit, denn auch seine Tochter ist seit längerem spurlos verschwunden.

Als Rosa Davids Schwester zufällig in einem Nobelrestaurant entdeckt, gegen das Miriam mit ihren Kumpanen gerade ein politisch motiviertes Buttersäureattentat in Szene setzt, eskaliert die Situation.
Für Rosa und Körber stellen sich in diesem Fall gleich mehrere Fragen.

War Davids Tod tatsächlich Notwehr oder haben Trescher und sein Kollege Kaminski irgendetwas zu vertuschen versucht? Wie aber ließe sich das beweisen? Stammen der Mörder Treschers und diejenigen, die zuvor Kaminski verprügelt haben, wirklich aus der alternativen Jugendszene? Und wie ist Davids Schwester Miriam in all das verwickelt?

Ganz nebenbei macht Rosa Roth die Erfahrung, dass ein defekter Warmwasserboiler, dessen Reparatur auf sich warten lässt, auch sein Gutes haben kann. Als sie an der Wohnungstür einer befreundeten Nachbarin klingelt, um endlich wieder einmal warm duschen zu können, öffnet ihr der Arzt Dr. Hannes Dietz die Tür. Und der macht auf sie alles andere als einen unsympathischen Eindruck.

Darsteller
Iris Berben («Niemand ist eine Insel») ist Rosa Roth
Thomas Thieme («Das Leben der Anderen») ist Markus Körber
Carmen Maja Antoni («Der Vorleser») ist Karin von Lomanski
Gunter Schoß («Der Landarzt») ist Günther Zorn
Steffen Wink («Barfuss») ist Lutz Kaminski
Julia Dietze («Was nützt die Liebe in Gedanken») ist Miriam Möller
Klaus Peeck («Beate Uhse») ist Robert Möller

Kritik
Mit der neuen Folge „Notwehr“ hat sich die Reihe «Rosa Roth» an ein großes Thema gewagt. Der Film stellt die Frage, was passiert, wenn die Polizei versagt. Er zeigt Bilder von brennenden Autos in Berlin, von Straßenschlachten zwischen der Polizei und linken Gewalttätern, die uns alle gerade aufgrund der aktuellen Ereignisse wieder im Gedächtnis sind. Autorin Nina Grosse eröffnet hier in der Prime-Time des ZDF, fiktional aufbereitet, die Diskussion, wie sich der Staat gegen linke Gewalt zur Wehr setzen kann. Und was zu tun ist, wenn der Staat, oder dessen Angestellte, selbst einmal zum Verbrecher werden.

Hat David Möller bei seiner Konfrontation mit den Polizisten wirklich sein Handy gezogen, das dann irrtümlich für eine Waffe gehalten wurde? Oder hat einer der Beamten überreagiert, und das Handy erst im Nachhinein in die Hand des Toten gelegt, um die Sache zu vertuschen? Grosse und Regisseur Carlo Rola machen klar, dass es Berufsgruppen gibt, bei denen Fehler nicht hingenommen werden dürfen, bei denen sie vollständig inakzeptabel sind. Und dass Polizisten zu diesen Berufsgruppen zählen. Es ist kühn, ein solches Thema zu wagen – weil es nur schwer verdaulich ist, weil es radikal ist, weil es unweigerlich anklagt. Und gerade deswegen ist es ein wichtiges Thema.

Auch Rosa Roth und ihr Kollege Markus Körber versagen schließlich, da sie an einer Stelle ihrer Ermittlungsarbeiten so überfordert sind, dass sie Psychoterror gegen die Hauptverdächtige einsetzen. Dies wird vom Drehbuch nicht kritisiert, und es hilft leider auch nichts, dass die besagte Szene (das zwangsweise herbeigeführte Aufeinandertreffen von Miriam Möller mit ihrem Vater in einem abgeschlossenen Raum) herausragend geschrieben und gespielt ist.

Auch auf den überflüssigen Sub-Plot um die Anbandeleien von Rosa Roth mit ihrem Übergangsnachbar hätte man getrost verzichten können. Er schadet der Dramaturgie zwar nicht in nennenswertem Maße, liefert jedoch auch keinen relevanten Beitrag zum ansonsten hoch interessanten Gesamtkonstrukt.

Äußerst gelungen sind dagegen wieder einmal die schauspielerischen Leistungen; insbesondere von Iris Berben, die die Hauptfigur lebensnah und distanziert, aber trotzdem mit genug Wärme inszeniert, und Thomas Thieme, der eine bemerkenswerte emotionale Bandbreite aufweisen kann und sehr einfühlsam spielt. Von den Nebendarstellern sticht besonders Julia Dietze hervor, der es gelingt, ihre sehr emotionale Figur so zu spielen, dass sie durchgehend glaubhaft bleibt, was alles Andere als ein leichtes Unterfangen ist.

«Rosa Roth – Notwehr» hat sich getraut, kritisch zu sein und ein schweres Thema in die Prime-Time zu bringen, ohne es herunterzuspielen oder familienunterhaltungstauglich zu machen. Das müssen sich Krimis in Deutschland öfter trauen. Viel öfter!

Das ZDF strahlt «Rosa Roth: Notwehr» am Samstag, den 17. September 2011, um 20.15 Uhr aus.

Kurz-URL: qmde.de/52037
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