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«Ringer» startet mit einer Szene, welche das Noir-Genre definiert: Eine junge Frau versteckt sich in ihrem Loft vor einem unbekannten Mann, der vorhat, sie auf der Stelle zu töten. Bevor es jedoch dazu kommt, springt die Episode um neun Tage zurück und stellt uns Bridget (Gellar) vor, die gerade in einer Selbsthilfegruppe ihre Lebensgeschichte erzählt. Als einzige Augenzeugin eines Mafiamordes wird sie vom FBI beschützt und beschattet, doch Bridgets traumatische Vergangenheit bringt sie trotzdem dazu, aus ihrem aktuellen Leben auszubrechen und ein neues zu starten. Sie lässt kurzerhand ihre Aufpasser im Regen stehen und trifft sich mit ihrer Zwillingsschwester Siobhan (ebenfalls Gellar) in den Hamptons. Doch «Ringer» wäre kein Noir-Thriller, wenn er nicht mit Twists um sich werfen würde. Während eines Boottrips begeht Siobhan offenbar Selbstmord, und gibt Bridget somit die Chance, das Leben ihrer Schwester zu übernehmen. Tage später ist Bridget in New York, mit der Überzeugung als Siobhan ein neues Leben zu starten. Wäre da nicht Siobhans Leben, welches noch durcheinandergewirbelter ist als Bridgets armseliges Leben. Sowie die unbekannte Person aus dem Anfang der Episode, welcher versucht Bridget zu töten...
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Normalerweise würden Drehbücher mit einem Logikloch nach dem anderen zurückgestellt werden, doch offenbar war die Grundidee, ein Noir-Drama mit Soap-Elementen fürs Fernsehen zu schaffen, sowie Sarah Michelle Gellar in der Hauptrolle, stark genug, um der Serie eine Chance in diesem Jahr zu geben. Man muss sich als Zuschauer allerdings wirklich fragen, wie die Pilotfolge überhaupt durchs Raster gekommen ist. Nicht nur die fehlende Logik macht dem vollständigen Genuss von «Ringer» zu schaffen, sondern auch die Aufmachung. Die Elemente eines Noir-Dramas wurden völlig überreizt, die Darstellungen der Schauspieler geben nichts her, was man nicht schon dutzende Male gesehen hat (und selbst Gellar ist nicht unbedingt ein Licht im Dunkeln), und die berüchtigte Bootszene kann mit ihren billigen Effekten schon als schlechteste Szene einer Serie in diesem Jahr bezeichnet werden. Wenn man für eine Pilotfolge, die von Natur aus ein höheres Budget hat als die restlichen Folgen der Serie, nicht genügend Geld für eine Szene hergeben kann, fragt man sich zurecht, wo das Budget eigentlich hin verschwunden ist.
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Die Darsteller sind nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Gellar hat seit dem «Buffy»-Finale offenbar Gefallen am stillen Schweigen ihrer Charaktere gefunden und setzt ihr minder steriles Spiel aus Filmen wie «The Grudge» und «Veronika Decides to Die» fort. Im Falle von «Ringer» ist dies aber nicht positiv zu verstehen: Bridget sollte eigentlich ein zugänglicher Charakter sein, deren Entscheidungen für die Zuschauer verständlich sein sollen, doch ging das im Piloten ziemlich in die Hose. Zu verdanken ist dies auch dem Drehbuch, welches mit dem fehlenden Akt von Bridget und ihren Vorbereitungen, in Siobhans Leben einzutreten, unterentwickelt und unvollständig wirkt. Es bedarf an Erklärungsnot im Mittelteil der Episode, welche sicherlich den Großteil der Logiklöcher ausradiert hätte. Hier bleibt nur die Hoffnung, dass die weiteren Episoden auf diese Story genauer eingehen. Der Rest des Cast, vor allem Ioan Gruffudd und Kristoffer Polaha als Bridgets/Siobhans Männer, bleibt dagegen größtenteils blass und benötigt so schnell wie möglich Tiefe. Da der Pilot sich in fast allen Instanzen auf Bridget konzentrierte, blieben wichtige Momente für die anderen Charaktere aus, und Zuschauer müssen warten, um immerhin mit einem Charakter in «Ringer» eine emotionale Verbindung herstellen zu können.
«Ringer» ist nicht unbedingt ein Totalflop, wie es hier den Anschein hat. Obwohl der Großteil der Kritiken gemischt ausfällt, hat die Serie immer noch einen Vorteil gegenüber anderen Neustarts in diesem Jahr: Die Autoren wollen eine Serie im Genre des Noir-Dramas erzählen, und die Produzenten wollen mit «Ringer» anspruchsvolles Programm an den Mann bringen. Dass es in der ersten Folge nicht geklappt hat, kann man ruhig dem „Pilotfluch“ zusprechen, welcher die Autoren zwingt, so viel Exposition wie möglich ins Drehbuch zu stecken (was beileibe der Episode das Genick brechen kann, wie im Sommer «Switched at Birth» bewiesen hat). Dass man eine Verbesserung in den nächsten Episoden erwarten kann, zeigt die Bestellung der Serie und der Faktor, dass sie gerade ausgestrahlt wird. Anderseits hätten auch die Leute von The CW die Serie nicht bestellt, und würde jetzt für solche Diskussionen sorgen. Doch zur Zeit ist «Ringer» mit seinem Plot in sich zusammengefallen – was man vielleicht hätte kommen sehen müssen, als in der ersten Minute Patsy Clines „I Fall to Pieces“ gespielt wurde.
sixx zeigt «Ringer» ab dem 29. November 2012 immer donnerstags um 21.00 Uhr.
Dieser Artikel erschien bei Quotenmeter.de erstmals direkt nach dem US-Start 2011.