360 Grad

Ein Ende des Unsinns?

von
Die Degeto wird in den nächsten beiden Jahren weniger Aufträge vergeben. Eine Chance für deutsche Produktionsunternehmen?

Für die meisten Fernsehkritiker ist die Degeto der Gipfel des Unsinns im deutschen Fernsehen. Filme, die mit ihrem Namen in Verbindung stehen, haben in der Regel kein gutes Image. Und in den allermeisten Fällen treffen die Vorurteile auch zu.

Die grundlegende Vorgabe nahezu aller Degeto-Produktionen scheint zu sein, dass sie auf keine Weise anecken dürfen. Politisch oder gesellschaftlich relevante, geschweige denn kontroverse Themen werden von dem Produktionsunternehmen bei der Wahl seiner Stoffe mit nur wenigen Ausnahmen ausgeschlossen. Worauf man sich spezialisiert hat, ist das Melodram. Das schlechte Melodram. Die Titel allein sagen schon Vieles: «Liebe im Halteverbot», «Mein Nachbar, sein Dackel und ich» oder «Vollweib sucht Halbtagsmann» sind wohl mitunter die herrlichsten Stilblüten, die die Degeto uns bisher beschert hat.

Die Stoffe, mit denen man sich bei besagtem ARD-Unternehmen beschäftigt, weisen einen ähnlichen Grad an Einfallsreichtum auf. Die Filme handeln gerne von grenzdebilen Frauen, die zwischen zwei Männern stehen. Von auf Sympathie getrimmten Richterinnen, die sich aber einen Dreck um den Rechtsstaat scheren und mit einem Anwalt ins Bett gehen, der an einem ihrer Verfahren beteiligt ist. Von Krankenpflegern, die in der Wildnis eine Krönlein-Bohrung mit dem Akkuschrauber durchführen. Von abgewirtschafteten Molkereibetrieben, die schließlich dadurch gerettet werden, dass man auf die Joghurtbecher die zehn Gebote druckt.

Man mag darüber streiten, ob Filme mit derart idiotischen Handlungssträngen und einer solch verwahrlosten Dramaturgie überhaupt eine Existenzberechtigung haben. Die ARD sieht sie jedenfalls gegeben und verweist auf ihren Programmauftrag, was durchaus kein abwegiges Argument ist. Quotenträchtige Formate sind es ohnehin – wenn auch nicht immer in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen.

Was jedoch häufig kritisiert wird, ist das Ausmaß der „Degetoisierung“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, da der Fokus der Programmgestaltung im Fiction-Bereich unweigerlich auf Filmen und Serien dieser Machart liegt. Qualitativ hochwertige Produktionen findet man vergleichsweise deutlich seltener.

Viele konnten der Nachricht daher kaum Negatives abgewinnen, dass die Degeto in den nächsten beiden Jahren deutlich weniger Produktionsaufträge verteilen wird, da man bereits über ein Programmvorratsvolumen für 2012 und 2013 verfügt. Produzenten müssten mit einer sinkenden Auftragslage von Seiten der Degeto rechnen, hieß es in der Pressemitteilung.

Doch die betroffenen Produktionsunternehmen dürfen das ruhig als Chance sehen. Als Chance, aus dem Teufelskreis der Einheitsdramaturgie und der abgedroschenen Geschichten auszubrechen, und vielleicht ein qualitativ hochwertiges Format anstatt eines Degeto-typischen Schwachsinnsprojektes zu produzieren. Warum nicht gleich aus der Not eine Tugend machen?

Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.

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