TV und so

Die jungen Wilden

von
Joko und Klaas stehen für modernes, junges Fernsehen. Ihre Ideen erinnern an den Stefan Raab der früheren Jahre.

Überraschend war, dass viele Newsportale in der vergangenen Woche über die schwachen Quoten der neuen Show «neoParadise» mit Joko und Klaas geschrieben haben und nicht über den Inhalt derselben. Wie auch? Schließlich hatte sie nur circa 20.000 Zuschauer und einen Marktanteil von gerade einmal 0,1 Prozent. Schwach ist dies wirklich, aber auch der spirituelle Vorgänger «MTV Home» war kein Quotengarant und wurde letztlich ja auch abgesetzt. ZDFneo wusste genau, dass es zunächst einmal nicht auf die Einschaltquote ankommt. Sondern auf den Inhalt. Und dieser beeindruckte ohne Zweifel.

Die Nominierung zum Deutschen Fernsehpreis kann als erste große Würdigung verstanden werden für ein Moderatorenduo, das uns in den kommenden Jahren noch viel TV-Spaß bereiten wird. Die beiden verstehen es, dem angestaubten Fernseh- und Comedygeschäft neue Impulse zu verleihen – so ähnlich, wie es Stefan Raab in seiner früheren Karriere machte, der (wenn wir ehrlich sind) mittlerweile auch nicht mehr mit Ideenreichtum und Innovationen glänzt. Wir erinnern uns: Raab begeisterte mit einem Boxkampf gegen Regina Halmich, erfand zahllose Nonsens-Events und stürmte mit hervorragend vermarkteten Blödel-Songs die Charts. Zuletzt aber kam nicht viel neues vom großen Entertainer.

Frischer Wind im Showgeschäft war also dringend nötig. Joko und Klaas schaffen es, aus all ihren Sendungen wirklich unterhaltsame Bildschirmmomente zu machen. Beispiel «17 Meter» auf ProSieben: Hier ist die offen gezeigte Hassliebe des Duos – was Teil des Marketing-Konzepts von Joko und Klaas ist – Bestandteil der Show, weil jeder von den beiden seine eigenen Kandidaten anfeuern darf und der Sendung damit ihre eigene Note verleiht. Übrigens war eine Doppelmoderation in der internationalen Version von «17 Meter» ursprünglich nicht vorgesehen.

Bei «neoParadise» haben sie es in ihrer Premiere geschafft, das jahrzehntealte Showkonzept des „Cake in the face“ zu dekonstruieren: Wo früher Rudi Carrell seine buchstäbliche Torte ins Gesicht geschmissen bekam, um das Publikum zu amüsieren, begab sich Joko Winterscheidt aufs Eis und ließ sich von einem Profi-Eishockeyspieler umrammen – inklusive anschließendem Krankenhausaufenthalt. Diese Gewaltszene hat «neoParadise» als „TV-Service“ schließlich im typischen Berichterstattungsstil der Sender mehrmals gezeigt: Eine arte-Version inszeniert den Rammer in schwarzweiß und mit Untertiteln, eine Super RTL-Version als Clip bei «Upps! Die Pannenshow» inklusive schlechtem Off-Kommentar und eine ProSieben-Version als Nippel bei «TV total». So sieht gelungene Mediensatire aus!

Das Tolle an dem jungen Moderatorenduo ist, dass man als Zuschauer nicht weiß, was die nächste Sendung bringt. So erklärte Klaas Heufer-Umlauf, dass jede Sendung anders aussehen soll und Woche für Woche in der Redaktion ein neues Konzept für die nächste Show gepitcht wird, wobei die beste Idee es schließlich in die Sendung schafft. Es wäre nicht einmal verwunderlich, wenn Joko und Klaas in der zweiten Sendung die einseitige Berichterstattung der Medien über die schwachen Einschaltquoten von «neoParadise» thematisieren würden. Vielleicht sollte man einfach nur noch einmal über den unsagbar schlechten Titel der Sendung nachdenken.

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