Die Kritiker

«Der Staatsanwalt» (6x01)

von

Story


Veronika Glatt, die Ehefrau des erfolgreichen Musikunternehmers Franz Glatt, steht in Bernd Reuthers Büro und gesteht sichtlich erschüttert, ihren Mann erschlagen zu haben. Ein Geständnis, das sie auf Anraten ihren Anwalts Karl Aurich allerdings widerruft, als die Leiche ihres Mannes in einem See im Rheingau gefunden wird.

Alles deutet auf einen häuslichen Streit und einen anschließenden Mord aus Eifersucht hin. Veronika Glatt hat kurz vor dem Mord erfahren, dass ihr Mann sie mit zwei Mitarbeiterinnen aus seiner Musikagentur betrügt. Doch diese Information ging auch an die beiden Liebhaberinnen, und eine von ihnen war zur Tatzeit am Haus der Glatts. Und auch Franz Schmaucher, ein früherer Starmusiker, hat ein Mordmotiv, da er kurz zuvor von Glatt entlassen wurde.

Als bekannt wird, dass Veronika Glatt regelmäßig von ihrem Mann geschlagen wurde, rückt der gemeinsame Sohn Boris ins Visier der Ermittler: Ist er seiner Mutter zu Hilfe gekommen und hat den Vater umgebracht? Praktikantin Anna Lopez gibt ihm für die Tatzeit ein Alibi, das sich aber als falsch herausstellt. Bernd Reuther wird den Verdacht nicht los, dass Veronika Glatt mit ihrem Schweigen ihren Sohn schützen will. Schließlich entscheidet sich Bernd aber dafür, Anklage gegen sie zu erheben, um die Wahrheit vor Gericht zu ergründen. Doch dann überrascht Boris das Gericht nicht nur mit einem Geständnis, sondern es stellt sich auch der perfide Grund für Veronikas Schweigen heraus, die selbst einer großen Lüge aufgesessen ist.

Darsteller
Rainer Hunold («Morgen, ihr Luschen!») ist Bernd Reuther
Marcus Mittermeier («Muxmäuschenstill») ist Thomas Reuther
Fiona Coors («4 gegen Z») ist Kerstin Klar
Radost Bokel («Klinik unter Palmen») ist Susanne Selbach
Collien Fernandes-Ulmen («Dr. Molly & Karl») ist Anna Lopez
Eva Padberg («Wickie auf der großen Fahrt») ist Marion Sebring
Jörg Schüttauf («Tatort: Frankfurt») ist Karl Aurich

Kritik


Sonderlich realistisch ging es beim ZDF-«Staatsanwalt» ja noch nie zu – das wirklichkeitsfremde Elend der Drehbücher ist man schon seit dem Start der Reihe gewohnt. Doch die abstrusen Formen, die die erste Folge der neuen Staffel annimmt, sind selbst angesichts der bisherigen Bodenlosigkeiten ein neuer Tiefpunkt.

Denn was dieser Bernd Reuther so alles treibt, hat mit dem beruflichen Alltag der Staatsanwälte in der Bundesrepublik nichts zu tun. In seinen Verhandlungen fällt er der gegnerischen Partei oder dem Richter gerne mal ins Wort, schreit irgendeinen Unsinn dazwischen, besonders gern sein Lieblingswörtchen „Einspruch“, das nur dummerweise in deutschen Gerichtssälen in etwa genauso häufig fällt wie „Teilchenbeschleuniger“ oder „Borsäure“. Das kommt also dabei heraus, wenn Drehbuchautoren zu viel «Law and Order» schauen.

Doch es wird noch putziger: Vor Gericht packt der Herr Staatsanwalt dann schon einmal einen Überraschungszeugen aus (ebenfalls ein äußerst seltener Vorfall im deutschen Justizalltag) und am Schluss klärt sich der Fall dann während der Verhandlung – was in der Realität bedeuten würde, dass die Staatsanwaltschaft äußerst schlampig gearbeitet haben muss. Kurzum: Mit «Der Staatsanwalt» hat es eine Reihe in die öffentlich-rechtliche Prime-Time geschafft, in der es schlimmer und realitätsferner zugeht als bei «Richterin Barbara Salesch». Und das will etwas heißen. Was Andreas Föhr und Thomas Letocha hier für die erste Folge der neuen Saison zusammengeschrieben haben, spottet jeder Beschreibung.

Recht armselig kommt auch die Figurenkonstellation daher, insbesondere die Hauptprotagonisten: Denn die zwei engsten Mitarbeiter dieses Staatsanwaltes sind in Personalunion auch gleich sein Sohn und seine Schwiegertochter. Beide wirken, wenn man ihre Kompetenz beurteilen möchte, intellektuell schwerfällig bis dienstuntauglich. Da ist es also unabdingbar, dass (Schwieger-)Vati Staatsanwalt den beiden unermüdlich die Fälle erklärt, damit die beiden unfähigen Dilettanten nicht schon beim ersten Verhandlungstag geistig völlig aussteigen. Dass sie ihre Beweismittel dann noch erpressen und (er-)nötigen, oder dem verhafteten Angeschuldigten einen Anwalt verweigern, sich kurz gesagt also gerne einmal gänzlich rechtswidrig verhalten, ist natürlich das Sahnehäubchen auf der mangelhaften Figurenorchestrierung.

In der zweiten Folge der sechsten Staffel treten all diese Probleme nicht ganz so massiv zu Tage, was jedoch damit zusammenhängt, dass dort nur ein sehr viel kleinerer Teil der Handlung im Gerichtssaal spielt. Schließlich ist Bernd Reuther genug damit beschäftigt, sich die Briefbomben entschärfen zu lassen und dem geplanten Mordanschlag auf ihn zu entgehen. Doch auch hier wird schnell offenkundig, dass es den Figuren allesamt an der nötigen Tiefe fehlt, um sie glaubwürdig zu machen, und auch vor dem einen oder anderen Plot-Hole ist das Drehbuch (diesmal von Leo P. Ard (d.i. Jürgen Pomorin) und Birgit Grosz) nicht gefeit.

Für die Premierenfolge konnte man zwei bekannte Namen als Episodendarstellerinnen gewinnen: Collien Fernandes-Ulmen und Eva Padberg. Beide sind nicht unbedingt für Kompetenz im Schauspielgewerbe bekannt, machen ihre Sache aber überraschend souverän. Fiona Coors hat da deutlich mehr zu kämpfen, da bei ihr alles klischeehaft und überzeichnet wirkt, während auch Rainer Hunolds Darstellung der Hauptrolle insgesamt wenig überzeugen kann. Somit ist auch die neue Staffel des «Staatsanwalts» ein Fall für die televisionäre Sicherheitsverwahrung.

Die sechste Staffel von «Der Staatsanwalt» beginnt am Freitag, den 14. Oktober 2011, um 20.15 Uhr

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