Die neue HBO-Dramedy ist ein unausgeglichener Genremix, der genauso gut auf Showtime laufen könnte. Doch dank ihres Hauptcharakters hat die Serie einen nicht abzustreitenden Charme
Showtime hat Erfolg mit seinen halbstündigen Dramedys, während HBO der Spitzenreiter der anspruchsvollen und charakterstarken, facettenreichen Dramen ist. Dass beide Premiumsender gewissermaßen im Duell sind, wenn es um die Akzeptanz fiktionaler Formate geht, ist seit dem Aufstieg von Showtime als ernstzunehmende Konkurrenz im TV-Markt eines der interessantesten Aspekte eines jeden Serienfanatikers. Heute versucht HBO, seinen Vorsprung als besten Sender in den USA auszubauen und hat deshalb am Montag einen zweiten Serientag eingerichtet, welcher die HBO-Kunden dauerhaft mit hauseigener Ware unterhalten soll. Das Experiment Montag hat in den vorherigen Jahren mit «In Treatment» und «Big Love» quotentechnisch zwar nicht funktioniert, doch der reichste Sender der Welt braucht noch nicht die Hoffnung zu verlieren. Mit «Enlightened» startete eine neue Dramedy, die qualitativ nahe an die Showtime-Erfolge herankommt, in Sachen Zuschauerzahlen jedoch einpacken musste. Doch mit der neuen Serie von und mit Laura Dern («Jurassic Park») gibt es da so ein kleines Problem: Sie weiß nicht, ob es eine Comedy oder ein Drama sein will, und versucht stattdessen verkrampft, den lockeren Mittelweg der leicht religiösen Erkenntnis zu gehen.
Büromanagerin Amy Jellicoe (Dern) befindet sich mitten in einem Nervenzusammenbruch, als sie erfährt, dass sie in eine andere, weitaus unattraktivere Abteilung versetzt werden soll – für die träumende Karrierefrau ein wahrer Albtraum. Unter Tränen und mit aggressivem Ton in ihrer Stimme konfrontiert sie ihren Boss (und verheiratete Büroaffäre) Damon (Charles Eston) vor den Augen ihrer Kollegen damit – kurz darauf befindet Amy sich auf einem spirituellen Therapietrip auf Hawaii wieder, auf welchem sie den Sinn des Lebens kennenlernt und dank einer Wasserschildkröte eine Offenbarung durchlebt. Von nun an will Amy mit ihrem Sonnenscheinverhalten und ihrer absoluten Freundlichkeit ihr Leben wieder in den Griff bekommen, sowie ihre Freunde und ihren Job zurückgewinnen. Doch Amy muss erfahren, dass es nicht so einfach ist, ihre Aggressionen zu unterdrücken, wenn die Welt um sie herum sich eigentlich nicht verändert hat.
Laura Dern und Co-Autor Mike White haben offenbar einige Showtime-Halbstünder studiert, bevor sie sich an ihre eigene Serie wagten. Denn wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass «Enlightened» eine Serie auf Showtime wäre, die alle Elemente ihrer anderen Halbstünder in die neue Serie hinüberkopiert: Da wäre die vollständige Konzentration auf die Heldin der Serie, da wäre die Aufmachung und der kreative Ton einer Indie-Filmproduktion, und da wäre die Erkenntnis, dass auch die Showtime-Serien in ihrer ersten Folge nicht so recht wussten, ob sie eine Comedy oder ein halbstündiges Drama sein wollen. Auch mit «Enlightened» kann die Diskussion fortgesetzt werden, ob es nicht sinnvoll wäre, solche Serien als halbstündige Dramen zu klassifizieren, damit die Autoren sich voll und ganz auf ein Genre konzentrieren können. Vielleicht würde es «Enlightened» sogar sehr gut tun, wenn die Autoren schon von Vornherein sich entschieden hätten, ob sie ein Drama oder eine Comedy schreiben wollen. Dann hätte sich auch das Ungleichgewicht der Pilotfolge in Luft aufgelöst.
Das ist gewissermaßen das größte Problem von «Enlightened». Die Serie sollte sich besser schnell finden, bevor sie auch weiterhin zwischen Drama, Comedy und Satire hin- und hertingelt, und dabei selten auf die eigentlichen Qualitäten der Story setzt: Amys Wiederaufbau ihres Lebens, angefangen bei ihrer Mutter, endend mit ihren Freunden, welche nichts mit der „neuen“ Amy anfangen können. Hier befinden sich die interessanten Geschichten, die, wie es sich für halbstündige Dramedys gehört, sowohl komisch als auch dramatisch sein können. Ein anderes Problem wäre Amy als Charakter: Sie ist irgendwo zwischen nervtötend, irritierend, unsäglich und bemitleidenswert angesiedelt, und man weiß als Zuschauer nicht so recht, ob man mit Amy Mitleid haben oder sie mit schiefen Augen anstarren soll. Dass sie jedoch händeringend versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, die Welt um sie herum ihr jedoch keine Chance dazu gibt, ist nach einer Folge allerdings ansprechend genug, um zu hoffen, dass aus Amy eine gute Person wird. Immerhin hat sie Charme und ein Herz, und mit diesen Charakteristiken ist es bedeutend einfacher, ein gewisses Interesse an einem Seriencharakter zu bekunden – egal, ob dieses Interesse in eine positive oder negative Richtung geht.
Aufgrund von Amys Facettenreichtum kann Laura Dern in darstellerischer Hinsicht nicht viel falsch machen. Die Rolle ist ihr buchstäblich auf den Leib geschrieben worden und Dern riskiert es, sowohl die aggressive als auch die hochgradig-übertrieben höfliche Seite ihres Charakters (welcher die passiv-aggressiven Eigenschaften versucht zu verstecken) zu zeigen. Innerhalb von 30 Minuten gelingt es ihr, Amy so darzustellen, dass die Zuschauer entweder mit ihr mitfühlen, oder schon genervt sind. Das schaffen nicht alle TV-Charaktere (mit Ausnahme von gewissen Teenagern in gewissen Familiensituationen) dieser Tage. Dern ist Dreh- und Angelpunkt von «Enlightened», und die Zuschauer sollten schnellstmöglich mit ihr warmwerden, um eine Verbindung zur Serien aufzubauen. Anderseits wird es schwierig, überhaupt irgendetwas an der Serie zu mögen. Dass der Rest des Casts gegen Dern nicht mithalten kann, liegt an deren Minimum an Sendezeit. Nicht einmal Luke Wilson, der Amys kokainschnaufenden Ex-Ehemann Levi verkörpert, kann überzeugen, wenn er denselben Charakter spielt, welchen er schon in seinen fünf Indie-Projekten zuvor porträtierte. Die einzige Veränderung besteht dabei nur in seiner Gesichtsbehaarung. Einzig interessant scheint nur die Darstellung der Mutter/Tochter-Beziehung zwischen Amy und Helen (Diane Ladd) zu sein – allerdings nur, weil die Dynamik hier aus dem realen Leben kommt: Ladd ist Derns Mutter.
Das Ergebnis der 30 Minuten sieht folgendermaßen aus: «Enlightened» ist eine Mischung aus Drama und Comedy, die weder das Drama- noch das Comedygenre beherrscht, allerdings mit einen interessanten Hauptcharakter aufwartet. Ob dieser bei den Zuschauern ankommt, liegt daran, ob Laura Dern als Schauspielerin anziehend genug ist. Am Ende fragt man sich allerdings zurecht, warum das Projekt bei HBO gelandet ist. Auf Showtime hätte es sicherlich größere Chancen, neben «The Big C» und «Nurse Jackie» zu überleben, und das nicht nur, weil HBOs größter Konkurrent besser mit starken Frauen in dramatischen Hauptrollen umgehen kann. Vielleicht sollte HBO im nächsten Jahr mit einer anderen Herangehensweise das Projekt Serienmontag in Angriff nehmen.