Überraschung: Mit «Awkward.» überzeugt schon die zweite MTV-Serie innerhalb kürzerer Zeit.
Das Leben eines Teenagers kann kompliziert sein. Es geht von einem Schuljahr ins nächste, es muss eine Unterrichtsstunde nach der anderen besucht werden, während die Klassengesellschaften unter den jungen Sportlern, Cheerleadern, Mathegeeks und unscheinbaren Mauerblümchen aufs Äußerste gereizt wird. In US-Fernsehen hat es seit dem Ende von «Freaks and Geeks» keine Serie mehr gegeben, welche im authentischen Maße versuchte, die Angst und den Horror der Highschool-Zeit darzustellen, ohne diese mit Hilfe von übernatürlichen Metaphern zu erklären, wie es «Buffy, the Vampire Slayer» tat. Mit «Awkward.» scheint die Antwort auf die Frage zu kommen, ob es überhaupt noch möglich ist, solch eine Serie für den Fernsehmarkt zu erschaffen. Und obwohl die neue MTV-Comedy nicht unbedingt eine sensationelle Serie ist, gilt sie doch als die angenehmste Überraschung der vergangenen Monate. Dass man das von MTV nach «Teen Wolf» zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen behaupten kann, ist nicht nur überraschend, sondern zeigt auch die Entwicklung von MTV als Sender.
«Awkward.» ist die epische Geschichte der 15-jährigen Jenna Hamilton (Ashley Rickards), die während der letzten Nacht im Sommercamp vom allseits beliebten Matty McKibben (Beau Mirchoff), Jennas persönlicher Crush seit einiger Zeit, in einem Abstellraum entjungfert wird. Während sie gewissermaßen in ihn verknallt ist, hat er kein Interesse, mit ihr auszugehen – Highschool-Klassengesellschaft halt, in der es für einen Helden wie Matty ungesund ist, wenn er mit einem Flop wie Jenna in der Öffentlichkeit Hände hält. Für Jenna ändert sich jedoch ihre Welt, nachdem sie unter verrückten Umständen mit einem Armgips in High-Five-Form und einer Halskrause ausgestattet wird – das Ergebnis nach einem Unfall, welcher von Jennas Familie, vom Schulvorstand und von ihren Mitschülern als Selbstmordversuch abgestempelt wird. Von nun an hat Jenna die Aufmerksamkeit aller, welche sie eigentlich nicht haben wollte – inklusive der Meinungen einer realitätsfremden Schulberaterin und einer fiesen, übergewichtigen Cheerleaderin.
Die Serie von Lauren Iungerich, die zuvor nur durch einen Credit für die Serie «10 Things I Hate About You» aufgefallen ist ist, zeigt mit «Awkward.», dass gleich am Anfang mit der Serienkonkurrenz abgerechnet wird. Schon während der Szene der Entjungferung wird «The Secret Life of the American Teenager» aufs Korn genommen, indem Jenna in Voiceovern erklärt, dass es nicht eine dumme Show über Teenagerschwangerschaften ist, weil eine ungewollte Schwangerschaft unter Teenagern nur für Loser ist. Nein, «Awkward.» geht einen völlig anderen Weg als die oftmals kritisierte und doch beliebte ABC-Family-Teensoap, und beweist sich als anzüglich schwungvolle Serie, die nicht davor zurückschreckt, Sex zwischen Teenagern zu analysieren, Drogen wenigstens anzusprechen, sowie die übliche Hausparty hier und da zu zeigen, inklusive Alkohol und die berüchtigte Bindehautentzündung. «Awkward.» ist eine Show, die dazu bedacht ist, sich mit dem Parents Television Council anzulegen, indem jegliche „bösen“ Eigenschaften der Teenagerjahre auf den Punkt gebracht werden. Dabei wird nicht nur die heutige 2.0-Generation in regelmäßigen Abständen von den Autoren auf die Schippe genommen, sondern auch deren Eltern und Vorgesetzte. Jennas Mom Lacey (Nikki Deloach) ist buchstäblich das schlimmste Beispiel einer Mutter (schwanger als Minderjährige, kein Schulabschluss, das Geld für eine Brustvergrößerung ausgegeben, statt für das Kind zu sorgen), während Jennas andere Bezugspersonen so ziemlich außerhalb des Weltverständnisses liegen – was für den nötigen Humor der Serie sorgt.
Dass die Serie letztendlich so gut funktioniert, liegt an der Sympathie ihres Hauptcharakters. Jennas Leben ist nicht nur, was der Serientitel verspricht, ihre schnippischen Kommentare zeigen auch, dass sie weitaus überlegen ist und in ihrer Sicht als die Person gilt, die von alles und jedem eine Ahnung hat (außer Jungs, Sex, Liebe – halt alles was das Herz begehrt), aber ihre Umwelt trotzdem mit Samthandschuhen anfasst. Immerhin liegt es auch in Jennas Interesse, ihre neugewonnene Popularität nicht zu zerstören und das Beste daraus zu machen. Auch wenn das bedeutet, dass sie bald in einem Liebesdreieck landet und selbst ihre besten Freundinnen Tamara (Jillian Rose Reed) und Ming (Jessica Lu) nicht mit offenen Armen und einem Welpenblick vor ihr stehen, weil Jenna wieder einmal symbolisch gegen eine Wand gefahren ist. Am Ende überzeugt Jenna, weil ihre seelischen Schmerzen und die peinlichen Momente ihres Lebens allzu real sind, und man sich als Zuschauer selbst wünscht, in seiner Schulzeit den Mund geöffnet und allen die Meinung gegeigt zu haben.
«Awkward.» war für MTV zu später Stunde ein voller Erfolg bei den Zuschauern und wartet im nächsten Sommer mit einer zweiten Staffel auf. Dann wird sich zeigen müssen, ob die Comedy auch langfristig ein kurzweiliger Erfolg sein kann, der auch ohne Probleme mit der Zeit nach der Highschool umgehen kann. «Dawson's Creek» ging in Staffel fünf und mit dem Wechsel zum College in eine undankbare Phase, die die Hauptcharaktere weitestgehend trennte und jegliche Interaktion somit zunichte machte. Die Genrevorgänger «Freaks and Geeks» und «My So-Called Life» haben es nicht mal über die erste Staffel hinaus geschafft, um beweisen zu können, dass die Autoren es damals besser gemacht hätten. So bleibt als direkter Vergleich nur die langlebige ABC-Sitcom «Boy Meets World», die es immerhin geschafft hat, ihre Charaktere von der Junior Highschool bis zur Hochzeit einer ihrer zu begleiten. «Awkward.» hat die Chance, eine ähnliche Serie zu werden, so lange MTV nicht anfängt, ihren neuen Erfolg schnell zu verheizen - was in diesem Sommer zum Beispiel «The Hard Times of RJ Berger» nach zwei Staffeln den Kopf kostete.
Ein Plot ging in der Serie völlig unter, obwohl dieser als Startpunkt von Jennas Misere und neu gefundener Popularität gesehen werden kann: ein mysteriöser Brief von einem unbekannten Absender, welcher ihr sagt, dass sie nicht mehr den Schwanz einziehen und den Kopf aus ihrem Hintern herausziehen soll. Ein Brief, der die Konfrontation mit Jenna sucht, ihr jedoch auf langer Hinsicht helfen soll. Es wurde zu Beginn der Serie ein paar Mal die Frage gestellt, wer der Verfasser des Briefes ist und gegen Ende der Staffel gibt es auch einige Verdächtige, aber der Brief an sich wurde als Storyelement faktisch verschwendet. Als dramatisches Druckmittel wurde der Brief mit einer Ausnahme nicht benutzt, obwohl es immer wieder Möglichkeiten gab, dies zu tun. Offenbar haben die Autoren der Serie entschieden, sich auf den Comedyteil zu konzentrieren, während der Dramaaspekt weitestgehend im Hintergrund verweilt.
Was vor allem im späteren Verlauf der Staffel für einige schwache Geschichten sorgte: So war der Streit zwischen Jenna und Tamara nichts weiteres als ein Versuch, die übliche Trennung von zwei besten Freundinnen zu zeigen, ohne wirklich auf den Hintergrund dieser Trennung einzugehen. Da wird als Cliffhanger in einer Episode gesagt, dass Tamara der Verfasser des Briefes ist, und in der darauffolgenden Episode wird sich nicht auf diesen Twist fokussiert. Selbiges gilt für das Liebesdreieck zwischen Jenna, Matty und Jake (Brett Davern). Vor allem Letzterer hat deswegen keinerlei Probleme mit seiner derzeitigen Freundin Lissa (Greer Grammer), obwohl Jake als auch Lissa mehrere Gründe haben, in eine Wehmut zu verfallen und für die auseinanderbrechende Beziehung zu kämpfen. Dass hier vor allem nichts von Lissa kommt, zeigt entweder, dass die Autoren wirklich nicht in der Lage waren, etwas Drama in die Geschichten einzubauen, oder dass sie nicht dazu bereit waren, Lissa als Charakter weiterzuentwickeln. Das Liebesdreieck wurde von niemandem gestört, außer Jennas Unsicherheit in Sachen Romantik – was heutzutage zwar ganz nett in Serienform wirkt, jedoch recht unüberlegt daherkommt.
Immerhin schafft die Serie es, den Zuschauern den nötigen Humor zu liefern. Erfolgreich hierbei sind vor allem die fiese Sadie (Molly Tarlov) die nicht nur dank ihrer reichen Familie und trotz ihres Übergewichtes zur beliebtesten Person in der Highschool zählt (man fragt sich allerdings warum, wenn man sieht, wie Sadie mit ihren Freunden umgeht), sondern auch Jennas Mom, die alles ist, aber nicht Jennas Mom (und trotzdem einen Fauststoß mit ihrem Ehemann zelebriert, da sie eine so wundervolle Tochter wie Jenna aufgezogen haben). Die beiden Persönlichkeiten sind so ziemlich daneben, wenn es um normale Charaktereigenschaften geht, und beide sorgen für die Satire der Serie, welche die Highschool-Zeit in allen möglichen Facetten zeigen soll. Dass die dritte Frau im Bunde, Schulberaterin Valerie (Desi Lydic), eher übertrieben als humorvoll herüberkommt, liegt an der Tatsache, dass Iungerich viel zu sehr darauf pochte, einige der Erwachsenen als Teenager darzustellen. Wenn Valerie in einem Serientitel-üblichen Moment Jenna ein Geburtstagsständchen samt Geburtstagstorte gibt, und dabei die gesamte Schulmeute übersieht, ist es zwar in erster Hinsicht lustig, doch Sekunden danach kann man über diese Übersteigerung nur den Kopf schütteln. Manchmal ist weniger doch mehr. Das gilt nicht nur für «Awkward.», sondern für alle Serien.
«Awkward.» ist dennoch eine Serie, die man im Hinterkopf behalten sollte. MTV ist nicht mehr der Sender, der mit Musikvideos seine Sendestunden verschwendet, sondern sich auf fiktionale Formate konzentriert. «Teen Wolf» zeigte schon im Sommer, dass die Senderbosse durchaus Geschmack haben (auch wenn die Mysteryserie an sich nicht immer glänzte). Auch «Death Valley» zeigt zurzeit, dass MTV bereit ist, Genrestoffe zu zeigen. Da bleibt nur noch die Hoffnung, dass der Sender mit seinem neuen überraschenden Comedyerfolg einen langen Atem beweist und nicht die Hoffnung verliert, weitere fiktionale Formate in Auftrag zu geben, sodass der Siegeszug der Realityformate wenigstens für eine Zeit lang gestoppt werden kann.