Interessant klingende Idee, uninteressant aussehende Umsetzung, nach zehn Tagen abgesetzt. Und doch ging «Drive» in die TV-Geschichtsbücher ein
Produzent und Autor Tim Minear sollte vielleicht darüber nachdenken, seine Identität zu ändern. Seit dem Ende von «Angel», in der Minear innerhalb von drei Jahren jede erdenkbare Produzentenrolle übernommen hat, welche normalerweise in den Credits am Anfang der Episode aufgelistet werden, hat keine Serie Anklang bei den Zuschauern gefunden – acht Serien, bei denen er hinter der Kamera als Produzent, Autor oder Regisseur beschäftigt war, sahen keine komplette erste Staffel, geschweige denn eine zweite («Dollhouse» ist hier die Ausnahme, obwohl die Serie auf Grund ihrer Quoten keine zweite Staffel verdient gehabt hätte). «Drive», eine Freeway-Actionserie über die Teilnehmer eines illegalen Straßenrennens kreuz und quer durchs ganze Land, gehört ebenfalls in diese Liste. Und alle Beteiligten hätten von Vornherein die frühzeitige Absetzung der Serie voraussehen müssen.
Die Geschichte von «Drive» war von Anfang an keine rosige. Die ursprüngliche Pilotfolge war den FOX-Chefs von ungenügender Qualität, weshalb fast der komplette Cast ausgetauscht und die Beziehungen unter den einzelnen Charakteren umgeschrieben wurde. Hauptdarsteller Ivan Sergei wurde durch Minears Kumpel Nathan Fillion ersetzt, Andres Hudson machte Platz für Kevin Alejandro und Alan Ruck musste für Dylan Baker weichen. Die Serie, welche von FOX immer noch als Midseason-Ersatz im Hintergrund behalten wurde, musste zudem mit einigen Produktionsschwierigkeiten klarkommen. Es war schnell offensichtlich, dass das Produktionsteam nicht mit den bestellten 13 Episoden zurecht kommen wird, weshalb FOX beschloss, die Premierenstaffel aufzusplitten und diese in zwei Teilen auszustrahlen. Die ersten sechs Folgen sollten innerhalb von vier Wochen zwischen April und Mai 2007 ausgestrahlt werden, für die restlichen Folgen gab es zu der Zeit noch keinen Ausstrahlungstermin. Dass der Sender diesen nicht benötigte, zeigte die Absetzung nach vier der sechs produzierten Episoden.
Die Premiere von «Drive» fand am 15. April mit einer Doppelfolge vor einer TV-Audienz von nur 6,04 Millionen Zuschauern statt. Durch die Tatsache, dass eine neue Serie so spät in der aktuellen TV-Saison (fast einen Monat vor dem Ende eben jener) seinen Einstand findet, und aufgrund Tim Minears Beteiligung, waren Vermutungen für eine vorhersehbare Absetzung schnell gefunden: Minear hat selbst bis heute keinen brauchbaren TV-Erfolg abgeliefert (obwohl mit «Terriers» und «The Inside» durchaus Kritikerlieblinge, und mit «Firefly» eine Kultserie vorhanden ist), weshalb sich schon vor vier Jahren viele fragten, warum FOX Minear eine vierte Chance innerhalb von fünf Jahren gab, nachdem die drei vergangenen Versuche alle nach 13 bis 14 Episoden beendet wurden. Lag es am Vertrauen zwischen FOX und Minear? Lag es daran, dass es mit «Drive» eine Serienversion des Komödienklassikers «The Cannonball Run» gab, welche alles zwischen «The Game», Hitchcocks «North by Northwest» und «Magnolia» auf vier Rädern (O-Ton Tim Minear) sein konnte? Anderweitig ist nämlich nicht zu erklären, warum die nur auf einem Taschentuch interessante Idee von FOX mit einer 13-Episoden-Order bestellt wurde. Am Ende ging es in «Drive» nicht mehr darum, wie die Kandidaten in ihren Autos von einem Checkpoint zum nächsten kommen, sondern wie sie durch alle möglichen Ablenkungsmanöver von innen und außen aus dem Rennen gekickt werden, nur damit ihnen zugesehen werden kann, wie sie wieder ins Narrativ zurückkehren oder alle zehn Minuten herausposaunen, dass sie eigentlich kein Interesse mehr am Rennen haben.
«Drive» fand seine Absetzung zehn Tage nach der Premiere, nachdem die vierte Folge nur noch von 4,6 Millionen Zuschauern gesehen wurde. Für FOX-Verhältnisse mehr als schwach, weshalb die Absetzung gerechtfertigt war. Eine Ausstrahlung der zwei fehlenden Episoden war zunächst für den 4. Juli vorgesehen, bevor FOX diese auf den 13. Juli verschob und letztlich ganz gestrichen hat. Am 15. Juli fanden die beiden letzten Folgen online ihre wenigen Interessierten und Fans. Keine Frage, dass der Rest der 13-Episoden-Order nicht produziert wurde, obwohl Minear und sein Autorenteam sechs der sieben verbliebenen Drehbücher schon fertig geschrieben hatten. Für die Zukunft war unter anderen geplant gewesen, einen der Rennkandidaten, Soldat Rob, in den Irak zu schicken, um dort einen weiteren Anhaltspunkt über das illegale Rennen zu erhalten. Die ein oder andere romantische Beziehung unter den Konkurrenten war ebenfalls im Auge der Serienmacher.
Mit einer Lebensdauer von nur zehn Tagen und einer selbst heutzutage für FOX geringen Anzahl von Zuschauern, hätte «Drive» schnell von der Bildfläche aller Erinnerungen verschwinden müssen. Doch trotzdem hat die Serie in einer Instanz Geschichte geschrieben: Sie war die erste, welche durch ein Onlinespecial für einen Emmy Award nominiert wurde. Eine dreiminütige Sequenz, für welche das Effektstudio Zoic Studios 18 Monate Herstellungszeit benötigte, eröffnete «Drive», indem die Charaktere in ihren fahrenden Autos vorgestellt werden, während die Kamera von einem Auto zum nächsten ging – ohne Schnitt. Die Produzenten schickten die als „The Starting Line“ betitelte Szene, von der im TV während der Pilotfolge nur 50 Sekunden gezeigt wurden, zu den Emmy-Richtern für die Kategorie „Outstanding Visual Effect for a Drama Series“. «Drive» wurde jedoch nach vier Episoden abgesetzt, und die Emmy-Regeln besagen, dass eine Serie nur nominiert werden kann, wenn mindestens sechs Episoden im Fernsehen ausgestrahlt wurden.
Effekt-Produzent Raoul Bolognini war jedoch extrem stolz auf seinen dreiminütigen Clip, weshalb er bei FOX und dem Emmy-Komitee nachfragte, ob es nicht einen anderen Weg gäbe, um «Drive» für einen Award zu nominieren. Ein Schlupfloch in den Regeln führte dazu, dass Bolognini mit der Genehmigung des Komitees FOX überredete, den Clip im Internet zu veröffentlichen. So war es möglich gewesen, den Clip als Special in der Kategorie „Special Visual Effects for Miniseries, Movies and Specials“ zu nominieren – das Ergebnis von neuen Emmy-Richtlinien, welche im selben Jahr ihren ersten Einsatz fanden. Und so kam es, dass zum ersten mal in der Emmy-Geschichte ein Programm aus dem Weiten des Internets für einen Award nominiert wurde. Die Effektproduzenten gingen am Abend der Preisverleihung jedoch leer aus – der Preis ging an die TNT-Miniserie «Nightmares & Dreamscapes».