Rob Vegas

Everybody guck mal!

von
An diesem Wochenende war ich spontan in Düsseldorf. Dieser Umstand hat im ersten Augenblick wenig mit einer Kolumne zum Thema Fernsehen gemein, doch lesen Sie dazu ruhig weiter.

Düsseldorf. Eine schöne Stadt. Sauber, nett, fast ein wenig zu konservativ. Doch genau diese Tatsache lässt sie für mich gemütlich erscheinen. In seiner leichten Abgehobenheit durch Konsum spürt man geradezu die Gelassenheit der Bürger. Überall kann man einen Kaffee trinken, die Frauen machen sich permanent hübsch und sehen dabei doch nicht overdressed aus. Doch beginne ich hier schnell abzuschweifen.

Ich stand mit einem Freund 40 Minuten in einer Schlange mitten in der Stadt. Es war obendrein bitterkalt und ich fragte mich wozu der Irrsinn? Passanten mussten uns für völlig verarmt oder verrückt erachten. Doch wir standen nicht bei der Tafel an, sondern beim besten Nudelsuppen-Restaurant der Metropole am Rhein. "Na Ni Wa" schimpft sich das sehr kleine Restaurant im japanischen Viertel und die Schlange wurde minütlich länger. Die ersten drei Reihen bekamen die Karte und ich suchte mir eine nicht allzu fernköstliche Speise aus. Mit einer Thai-Curry-Suppe samt Hühnchen sollte man gut durch die Nahrungsaufnahme kommen. Allein die Warterei und die Gespräche wären eine Sitcom im Fernsehen wert gewesen. Ich kam mir vor wie in der Folge von Seinfeld mit dem Suppen-Nazi. Es fehlte nur Kramer hinter uns in der Schlange. Können Sie bei YouTube nachschlagen.

Die freundliche Japanerin nahm unsere Bestellung auf. Zweimal Thai-Curry-Suppe. Die ist aber sehr scharf! Sehr scharf! Kommt uns doch gerade recht. Niemals hätten wir zwei Kerle nun eine mildere Wahl getroffen. Doch hätten wir nur auf ihren Rat gehört. Der Küchenchef verzog nie eine Miene. Er kümmerte sich nur ums Essen und dieses Essen war wirklich famos. Die beste Suppe meines Lebens. Nur extrem scharf. Ich fing an Tränen zu verlieren und meine Innerreien tanzten förmlich Tango, doch waren die 9,50 Euro bestens angelegt. Bei meinen Tränen musste er dann doch leicht schmuzeln. Niemals habe ich so gern für so ein Erlebnis in der Stadt angestanden. Man sollte wirklich einen TV-Bericht über Na Ni Wa machen.

Nun kommen wir allerdings wirklich zum Thema Fernsehen. Ich versuche es schon die ganze Zeit beinahe krampfhaft in die Suppe zu geben, doch nun sind wir ohne Umschweife beim Thema. Menschen waren am Rhein auf den Stufen. Viele Menschen. Immer mehr Menschen kamen. Die Neugier zog sie förmlich an und natürlich wollte ich mir dieses Erlebnis nicht entgehen lassen. Ein Starßenkünstler unterhielt hier auf einmal spontan mehr als 300 Menschen. Die Stufen bildeten das Publikum vor seiner Bühne am Rhein. Ähnlich der Waldbühne in Berlin. Nur ohne TV-Kameras. Sein Wahlspruch: "Everybody guck mal!". Schwerter wurden entzündet, Blechtöpfe rotierten auf seinem Kopf und der gute Mann lieferte eine bemerkenswerte Show ab. Sogar Slapstick-Elemente waren eingebaut und am Ende jubelte halb Düsseldorf ihm zu. Er hat natürlich kein Adsense-Konto. Vielmehr nutzte er daher seine einfachen Töpfe und sammelte die Entertainment-Kollekte direkt nach dem letzten Applaus persönlich ein. Da kann man als Künstler auf YouTube glatt vor Neid erstarren. Ein tolles Geschäftsmodell.

Zehn Minuten später sahen wir den Mann und seine Nummer noch einmal in der Stadt. Wieder Menschen. Wieder Beifall. Respekt. Er dürfte davon leben können. Im Pulk der Menschen hörte ich aber immer wieder Kommentare der Zuschauer. Sowas müsste im Fernsehen laufen. Im Gegensatz zu dem sind die im Fernsehen überbezahlt. Warum zeigt das Fernsehen nicht einmal solche Künstler? Der hat doch wirklich was drauf!

Sehr viele dieser Kommentare hörte ich beim Gang durch die Menge. Viele sprachen im Bezug auf ihn über das Fernsehen, regten sich über den Comedypreis und die immer gleichen Nominierungen auf und ich war sehr verwundert. Medienkritik liest man doch bestenfalls hier und bei der Konkurrenz von DWDL. Doch selbst im ganz einfachen Volk der Zuschauer scheint es mehr und mehr Unmut zu geben. Selbst mein Kumpel sprach dann darüber.

Nur funktioniert Fernsehen so nicht mehr. Wo sollte der gute Mann klingeln? Soll er sich ein Ticket nach Köln kaufen? Zum WDR an die Information gehen? Hallo. Ich würde gerne zum Fernsehen. Er bräuchte ein Management. Das hilft auch nicht mehr. Kontakte? Die hat er auf der Straße genug. Ohne die private Nummer von Frank Elstner und Vitamin B aus der Medienapotheke hilft die Masse nicht. Da müsste er schon seinen IQ verbrennen und spontan wie Katzenberger auswandern wollen. Soll er ein Video auf YouTube veröffentlichen? Deswegen wird ihn Raab für ein paar tausend Zuschauer wohl nicht einladen. Ein Dilemma. Für den Künstler und auch für des Medium Fernsehen.

Was ich wahrgenommen habe? Das Publikum wünscht sich mehr dieser Künstler im Fernsehen. Sie kritisieren es. Einfache Unterhaltung die gut gemacht ist. Was ich dazu sagen muss? Es war nie schwerer und wäre doch so nötig. Was bleibt? Der Rat von Peter Lustig. Abschalten. Nach Düsseldorf fahren. Die feurigste Nudelsuppe der Welt verköstigen und später am Rhein auf den Feuermann warten. Ist sogar werbefrei. Die GEZ-Gebühren kennt er nicht. Aber er freut sich über 50 Cent. Pay-TV hat halt doch eine Zukunft.

In diesem Sinne

Everybody guck mal!

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