Die neue NBC-Serie überzeugt durch einen interessanten Plot, der durch Ideenlosigkeit in Langeweile eingeht
Wenn man mal etwas genauer darüber nachdenkt, sind die US-Networks in diesem Jahr nicht besonders mutig. Stattdessen rennen sie wieder einmal den neuen Trends hinterher, und versuchen alles, diese auch im Fernsehen zu etablieren. Nach dem «Twilight»-Erfolg gab es allerhand Dämonen- und Monsterprojekte, welches im März diesen Jahres mit «Red Riding Hood», einer Rotkäppchen-Adaption, im Kino getoppt wurde. Jetzt stehen nicht nur noch mehr Monsterjäger-Projekte vor der Tür, sondern auch die sensationell gestartete ABC-Fantasyserie «Once Upon a Time», sowie zwei Schneewittchen-Filme im nächsten Jahr. Und bevor alle denken, dass jeder von jedem klaut, haut NBC auch noch seine Variante der Märchenadaptionen auf dem Markt. Mit «Grimm» hat man jedoch die wohl ideenärmste aller Ideen genommen: ein Copdrama in einer übernatürlichen Welt, direkt von den Gebrüdern Grimm „geklaut“. Kann dahinter überhaupt spannende Unterhaltung stecken?
Erinnern Sie sich an die Märchen, welche Ihre Eltern Ihnen vorgelesen haben, bevor es Zeit zum Schlafen war? Diese Märchen waren keine Fiktion, sie waren Warnungen. Warnungen, welche heutzutage Cop Nick Burkhardt (David Giuntoli) auf offener Straße in erschreckenden, kurzen Visionen erhält: Mal verwandelt sich eine Frau für eine kurze Zeit in eine grässliche Hexe und dann wieder zurück, ein anderes Mal gibt sich ein verhafteter Krimineller in den Polizeibüros als Monster zu erkennen. Diese Visionen scheint jedoch nur Nick zu haben – sein Partner Hank Griffin (Russell Hornsby) bekommt von all dem nichts mit. Als Nicks alternde Tante Marie (Kate Burton) zu Besuch kommt, klärt diese ihn auf: Nick gehört zu einer aussterbenden Gruppe, die Grimms genannt wird. Seit Jahrhunderten sind sie die Jäger für übernatürliche Kreaturen, die unter den nichtsahnenden Menschen weilen und für Angst, Terror und Unordnung sorgen. Nicks neues Wissen hilft ihn bei seinem aktuellen Fall, bei dem es aussieht, als würde ein Wolf junge Frauen in einem roten Kapuzenshirt angreifen und töten.
Die Benutzung von Grimm-Geschichten lohnt sich gewissermaßen für eine TV-Serie. Es gibt hunderte von verschiedenen Märchen mit verschiedenen Monstern, die sich im öffentlichen Besitz befinden und bei denen man als Produzent einer TV- oder Filmproduktion keine Lizenzen bezahlen muss. Vielleicht ist das einer der ausschlaggebendsten Gründe, warum in letzter Zeit und in naher Zukunft dermaßen viele Märchenprojekte auf uns losgelassen werden. Doch bevor der Trend offiziell zum Trend erklärt wird, sollten die Autoren vorher sicher sein, einfallsreich und originell zu wirken. Anderweitig kann es nämlich passieren, dass eine Märchenadaption vor lauter Langeweile und Ernsthaftigkeit eingeht. «Grimm» ist so ein Fall.
Visuell ist die Pilotfolge auch trotz ihres geringen Budgets sicherlich ein Hingucker. Monster unter normalen Menschen, Monsterjäger, dunkle Gassen und Straßen, Schreckmomente... All das sind Elemente, welche auch schon «Buffy» und «Supernatural» ausmachten, und war eines der Gründe, warum beide Serien zu einem Kultstatus heranwuchsen. Vergleichen kann man «Grimm» allerdings eher mit der Pilotfolge von «Buffy», und selbst hier zieht die neue NBC-Serie den Kürzeren. Für eine Serie, welche mit den bekannten Märchen spielt, und diese in einem düsteren Copdrama neu definieren will, geht es recht düster zu, ohne wirklich den Zuschauern ein Moment der Auflockerung zu geben. Nach einer Stunde weiß man nicht, ob die Autoren mit «Grimm» auch mal mit Humor an die Sache herangehen wollen, oder ob die Serie eine neue Version der Apokalypse vorbereiten will, welche die fünfte Staffel von «Supernatural» bestimmte. Oder wollen die Autoren nur das Krimigenre etwas auflockern, indem sie ein paar menschenhungrige Wölfe in die Storys reinwerfen? Das führt auch dazu, dass «Grimm» als Möchtegern-«Supernatural» angesehen wird, es jedoch nicht schafft, die Dynamik der Charaktere zu kopieren – etwas, was schon im billig-trashigen Pilot von «Buffy» funktionierte.
Die fehlende Dynamik zwischen den Charakteren macht sich auch in den Gesichtern der Darsteller breit. David Giuntoli könnte gelangweilter nicht aussehen und schafft es in keinem Moment, die so schon fehlplatzierte Ernsthaftigkeit der Story hinüberzubringen, während Russell Hornsby als ahnungsloser Partner unterbeschäftigt ist und eine dumme Frage nach der anderen an Nick stellt – der natürlich händeringend nach glaubhaften Lügen sucht, jedoch keine findet, da auch die Autoren nicht in der Lage waren, den nötigen Humor in die eigentlich humorvollen Szenen zu bringen. Etwas Hoffnung bringt jedoch Silas Weir Mitchell als Eddie Monroe in die Serie – selbst ein Monster aus den Grimm-Märchen, allerdings mit einem guten Herzen und einer strikten Diät. Es bietet sich faktisch an, dass Nick innerhalb der ersten Episoden der Serien einen Quasi-Partner aus der Welt der Übernatürlichen bekommt, damit Nick als neuer Jäger alles über sein neues Berufsumfeld erfährt. Anderweitig hätte es etwas seltsam ausgesehen, wenn Nick ohne die Hilfe eines derer seinen ersten Grimm-Monster (eine Mischung aus Wolf und pädophilen Kidnapper) dingfest macht.
«Grimm» bietet sich für den selten beachteten Freitagabend-Sendeplatz auf NBC an, hat aber einiges an Arbeit vor sich, um allgemein als gute Serie angesehen zu werden. Wenn man die generische Krimikost eines Mordermittlers mit der Märchenwelt der Gebrüder Grimm verbinden will, sollte man schon in der Pilotfolge mit einer außergewöhnlichen Erzählweise und interessanten Charakteren daherkommen. Denn die Pilotfolge ist buchstäblich nur eine der unzähligen Krimiserien mit einem „Twist“ - einem durchaus interessanten Twist, wenn daran denn gearbeitet wird. Nach harter Arbeit sieht die standardisierte und nach dem Muster „Drehbuchschreiben nach Zahlen“ aussehende Premiere jedoch nicht aus. Aber wer weiß, vielleicht wird «Grimm» auf NBC doch noch ein Erfolg (doch wer glaubt das schon heutzutage?), und die Autoren besinnen sich auf die Stärken seiner Vorgänger: Apokalypse und die Welt retten - wie es sich für Monsterjäger des vergangenen Jahrzehnts gehört. Das wäre zwar auch nur von den Kultserien „geklaut“, aber eine Apokalypse bietet sich als bessere Quelle für interessante Geschichten, als langweilige Monster-der-Woche-Episoden, die weder Charakterentwicklung noch Überraschungen zu bieten haben. Quasi das neue «Special Unit 2», nur ohne den kleptomanisch veranlagten Gnom und Prisen von Humor.