Hingeschaut

«Schwer verliebt»: Wie sich ein Sender seinen Ruf ruiniert

von
Britt Hagedorn sucht bei Sat.1 Partner für Übergewichtige – und tut damit weder sich noch ihrem Sender einen Gefallen.

Kuppelshows gehören seit vielen Jahren zu den Kernformaten der privaten Fernsehsender: Bereits in den Anfängen des heutigen Privatfernsehens rangen Liebende in Shows wie «Herzblatt», «Herz ist Trumpf» oder «Nur die Liebe zählt» um die Gunst potentieller Partner. Mit der Jahrtausendwende reichten belanglose Frage-Antwort-Spiele oder romantische Heiratsanträge den Sendern aber nicht mehr aus – eine neue Generation von Kuppelformaten dringt in Sendungen wie «Auswanderer sucht Frau» oder «Schwiegertochter gesucht» immer tiefer in die Intimsphäre argloser Kandidaten ein, teilt sie wahllos entweder in Berufsgruppen («Bauer sucht Frau») oder in Merkmalsklassen («Großstadtliebe») auf und stellt sie schlussendlich vor laufender Kamera mal mehr, mal weniger bloß.

Die Abneigung gegen derartige Vorgehensweisen und Fernsehsendungen ist besonders in der gebildeten Mittelschicht groß, der Drang zum kollektiven Fremdscham aber noch immer größer: Lästerabende im Freundeskreis, gemeinschaftliches Kandidaten-Gebashe auf Internetplattformen oder minutiös nacherzählte Echauffiertheit in renommierten Onlinemedien sind stetige mediale Begleiter von Inka Bause und Co. auf ihren Verkupplungsmissionen. Allen Kuppelshows gemein ist dabei der unausgesprochene Gedanke, gar die unterbewusst grassierende Hoffnung, dass es wohl nicht mehr schlimmer kommen kann – doch Sat.1 hat die allseits bekannte Latte nun noch etwas niedriger angelegt und offenbart mit dem neuen Format «Schwer verliebt» Einblicke in die neuen, tieferen Abgründe des Privatfernsehens.

Bloß übergewichtig müssen die Kandidaten der neuen Sat.1-Show sein, ansonsten sind keine Grenzen gesetzt. Und nachdem bereits alle halbwegs intelligenten Menschen die Machenschaften hinter derartigen Kuppelshows erkannt haben, sammeln sich bei «Schwer verliebt» all diejenigen, die sich in ihrer grenzenlosen Naivität bei ihrer Partnersuche von einem Fernsehsender helfen lassen wollen: Rentner, Idealisten und diejenigen, die es mit 27 Jahren auf der Karriereleiter bloß bis zur Aushilfe gebracht haben – von Sat.1 ironisch als «Regalservicekraft» bezeichnet. Doch die Untertitel sind noch harmlos im Vergleich zu den unterschwellig inszenierten Fremdschammomenten, die durch Musikuntermalung und Schnitt entstehen. Und wirklich hässlich wird es sowieso erst, wenn Erik, Andreas, Sarah und all die anderen in Unterwäsche beim Umziehen gefilmt werden, um dem doppeldeutigen Titel «Schwer verliebt» besonderen Nachdruck zu verleihen.

Doch das, was Sat.1 da veranstaltet, ist nicht mehr einfach nur witzig, es ist in höchstem Grade peinlich. Peinlich nicht nur für die ahnungslosen Kandidaten, die den Spott ihrer Bekannten, Kollegen und Freunde noch früh genug zu spüren bekommen werden, sondern peinlich vor allem für den Sender Sat.1, der ein solches Format produziert und ausstrahlt, und für Britt Hagedorn, die sich als Moderatorin für diesen Schund hat einspannen lassen. Die Liebe und die Sehnsucht nach der Liebe gehören zu den höchsten Gütern, nach denen ein Großteil der Menschheit strebt. Und es ist eine Unverschämtheit, ja geradezu eine Schande, dass nicht nur diese Sehnsucht von Sat.1 in den Dreck gezogen wird, sondern noch schlimmer: Menschen, die offenkundig so naiv und verzweifelt sind, dass sie keinen anderen Ausweg mehr kennen, als sich bei ihrem Lieblingssender für eine vermeintlich ehrliche Partnersuche melden. Dass der Großteil der Casting- und Kennenlernelemente bei der Konkurrenz geklaut sind, ist da nur noch nebensächlich. Sat.1 zumindest hat sich mit «Schwer verliebt» keinen Gefallen getan – und wird das hoffentlich im Rahmen von Zuschauergunst und Quote auch deutlich zu spüren bekommen.

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