Story
Marie Siebrecht denkt ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Nora darüber nach, wieder in ihren Beruf zurückzukehren; Ehemann Holger freut sich schon auf zwei Monate Elternzeit, in denen er ganz für ihre gemeinsame Tochter da sein will. Ihre Tochter? Die Siebrechts stürzen ohne Vorwarnung in eine emotionale Hölle. Vom Jugendamt wird ihnen eröffnet, dass ihr Kind in der Klinik vertauscht wurde.
Sandra, die andere Mutter mit dem vertauschten und eigentlich leiblichen Kind der Siebrechts, ist eine alleinerziehende Studentin. Während Sandra nach außen hin vergleichsweise gelassen damit umzugehen scheint, ist Marie völlig überfordert. Sandras Lebenssituation führt zum Streit mit Holger, weil Marie nicht akzeptieren kann, dass "ihre" Tochter bei einer mittellosen Alleinerziehenden aufwachsen soll. Als dann die Presse auch noch Wind von der Sache bekommt, gibt es kein Zurück mehr: Die Kinder sollen getauscht werden…
Darsteller
Sonsee Neu («Pastewka») als Marie Siebrecht
Anna Maria Mühe («Geliebter Johann Geliebte Anna») als Sandra
Maxim Mehmet («Männerherzen») als Nils
Andreas Lust («Eine ganz heiße Nummer») als Holger Siebert
Judith Döker («Danni Lowinski») als Nikki
Wolfgang Hübsch («Der Winzerkönig») als Dr. Lotzmann
Solveig Müller («Spreewaldfamilie») als Maries Mutter
Kritik
Es sind die starken Qualitätsschwankungen, die einen über diesem Film manchmal schier verzweifeln lassen. Das Drehbuch von Regine Bielefeldt, das nach einer Idee von Christine Hartmann entstand, hat seine großartigen, authentischen Szene mit starken Dialogen, dann aber auch wieder seine Logikfehler und nicht nachvollziehbaren Handlungsschritte.
Zu Beginn verharrt man viel zu lange in einer Exposition, in der immer wieder dieselben Elemente abgeklappert werden, ohne dass der Set-Up auf nennenswerte Weise vorangetrieben würde. Dann erreicht Familie Siebert ein mysteriöser Brief vom Jugendamt, gefolgt von einigen exzellent geschriebenen wie inszenierten Szenen in den Behördenräumen, in denen die schockierten Eltern damit konfrontiert werden, dass es sich bei ihrer Tochter Nora nicht um ihr leibliches Kind handelt. Doch auf dem hohen Niveau, das hier angeschlagen wird, bleibt man leider nicht lange. Denn spätestens beim Aufeinandertreffen der Sieberts mit Sandra, der Mutter ihres leiblichen Kindes, tappt man in die erste Logiklücke. In dieser Szene wird die Möglichkeit einer „doppelten Adoption“ zwar angesprochen, im gesamten Drehbuch allerdings niemals vertieft, und es bleibt durchgehend unklar, warum diese Option von den Charakteren von Anfang an verworfen wird.
Es folgt das übliche Abgrasen des Untersuchungsfeldes. Natürlich kommen die Sieberts und Sandra aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, woraus man einige Konflikte spinnen will, die sich jedoch deswegen größtenteils recht passabel gestalten lassen, da man die soziale Kluft zwischen den gegensätzlichen Familien nicht allzu übertrieben gestaltet hat, sondern mit der Wahl des oberen und unteren Randes der Mittelschicht eine Lösung gefunden hat, die es erlaubt, die Themen konfliktreich und glaubhaft, dabei aber insgesamt verhältnismäßig unsuggestiv zu beleuchten.
Es sind immer wieder starke Dialoge und Szenen dabei, die dem Film unleugbar eine Existenzberechtigung geben – dann jedoch auch immer wieder Passagen, die stark nach einer Anbiederung an die Sendeplatzgepflogenheiten mittwochs im Ersten riechen. Zweifellos wäre aus «Im falschen Leben» ein deutlich besserer Film geworden, wenn man letzteres gänzlich vermieden hätte. Auch wenn durchaus die Bemühung erkennbar ist, so glaubwürdig wie möglich zu erzählen, was (eventuell mit Ausnahme der Mitte des dritten Akts) stets gut gelingt.
Deutlich mehr als das Drehbuch können aber Sonsee Neu und Andreas Lust in ihren Rollen als Holger und Marie Siebert überzeugen, da ein großer Teil der Authentizität des Films durch sie und ihr realistisches Spiel zu Stande kommt. Weniger positiv fällt dagegen Anna Maria Mühe auf, die ihre Figur in ihrer Gesamtheit zwar ebenfalls möglichst vielschichtig anzulegen versucht, in manchen Szenen jedoch zu sehr übertreibt und dann fahrig wirkt. Manchmal kommt man sich «Im falschen Leben» (Regie: Christiane Balthasar) schon vor wie im falschen Film. Zwar wurde prinzipiell recht viel richtig gemacht, die dramaturgischen Fehlkonstruktionen fallen jedoch trotzdem deutlich ins Gewicht.
Das Erste zeigt «Im falschen Leben» am Mittwoch, den 16. November 2011, um 20.15 Uhr.