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Und das durchaus verdientermaßen, denn während die Pilotfolge der Prämisse schnell interessante Züge abgewinnen kann, schafft es die Serie auch im Anschluss binnen weniger Folgen ein dichtes Figuren- und Intrigengeflecht aufzubauen, das schnell die Abkehr von autarken Episodenplots ermöglicht. Dabei basiert «Revenge» lose auf «Der Graf von Monte Christo»: Emily Thorne zieht neu in die Hamptons auf Long Island und lebt sich schnell in die ansässige High Society ein. Doch in Wahrheit verfolgt die hübsche junge Frau einen finsteren Racheplan gegen jene Menschen, die einst ihre Familie zerstörten.
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Alle Fäden der verworrenen Geschichte laufen bei Hauptfigur Emily Thorne zusammen, die von ganz besonderer Faszination ist, weil es Emily VanCamp gelingt, einen undurchschaubaren Charakter zu kreieren. Emily ist eine liebenswerte Frau mit einem unwiderstehlichen Lächeln und eine eiskalte Rächerin zugleich. Das nette Mädchen von nebenan, das über Leichen geht oder solche zumindest billigend in Kauf nimmt. Dass es ausgerechnet bei der Hauptfigur schwer ist, sie Gut oder Böse zuzuordnen ist ungewöhnlich. Und von der ersten Szene des Piloten an spielt «Revenge» mit dieser Ambivalenz.
Der Handlungsbogen von «Revenge» war ursprünglich auf 13 Episoden angelegt, um dorthin zu gelangen, wo die Pilotfolge beginnt, bevor sie einen Sprung zurück in die Vergangenheit macht. Nach der Bestellung einer vollen Staffel soll die Klärung des ersten großen Rätsels nun 15 Episoden in Anspruch nehmen. Trotzdem bleiben die Macher dabei, ihren Racheplot nicht endlos zu strecken und werden noch in dieser Saison etwas neues bieten müssen, woran sich die Serie messen lassen muss. Es wird wohl nicht die letzte Herausforderung für die Autoren sein, denn bei den aktuellen Einschaltquoten steht einer zweiten Staffel nichts im Wege.
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Mord, Familiendinner, Liebesdreiecke, eine Komapatientin mit Amnesie und ganz viele Menschen, die zur richtigen Zeit durch angelehnte Türen lauschen, offene Fenster spähen oder im richtigen Moment eine versteckte Kamera zurückgelassen haben. «Revenge» schreckt nicht davor zurück all diese alten Klischees aufzuwärmen und die finstere Rachegeschichte somit in einen unwirklichen Raum fernab der Wirklichkeit zu stellen. Vielleicht funktioniert gerade deshalb die Serie aus der Perspektive der Rächerin so gut, weil die Grenzen der Realität genauso verschwimmen wie die feine Linie zwischen Gut und Böse.
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Daher sollte man «Revenge» als das nehmen, was es ist: Eine undurchschaubare spannende Soap, die noch alle Spekulationen offen hält auf die Frage "Wer erschoss Daniel Grayson?". Oder war es gar jemand ganz anderes, der bereits in den ersten Minuten der Serie das Zeitliche segnete?