Inhalt
Im Jahr 1850 sucht der junge Ishmael im Hafen von Nantucket nach einem Walfangschiff, das gewillt ist, ihn anzuheuern. In einer Hafenspelunke freundet er sich mit dem polynesischen Harpunier Queequeg an. Dieser sichert ihnen mit seiner beeindruckenden Zielsicherheit Platz auf der bald auslaufenden Perquod, welche unter dem Kommando des gleichermaßen geachteten wie gefürchteten Kapitän Ahab steht. Dieser verlor vor einigen Jahren eines seiner Beine an einen prachtvollen weißen Wal, den er Moby Dick taufte. Seither ist der wortgewandte Seefahrer davon besessen, sich an dem riesigen Tier zu rächen.
Bevor die Perquod ausläuft, wird Ishmael im Hafen von einem manisch auftretenden Mann angesprochen, der sich Elijah nennt. Er warnt Ishmael, mit der Perquod in See zu stechen, denn diese sei verflucht. Sie und ihr Kapitän würden ihre nächste Waljagd nicht überleben. Obwohl er sich etwas beunruhigen lässt, fährt Ishmael mit der bunt zusammengewürfelten Mannschaft der Perquod ins Meer hinaus. Nach einer ersten Walsichtung und geglückter Jagd herrscht besteht Ahab darauf, so lange auf See zu bleiben, bis Moby Dick erlegt ist. Die Expedition dehnt sich somit ins Unendliche, und die Gemüter an Deck spielen alsbald verrückt ...
Darsteller
William Hurt («Damages») ist Kapitän Ahab
Ethan Hawke («Before Sunset») ist Starbuck
Charlie Cox («Boardwalk Empire») ist Ishmael
Eddie Marsan («Happy-Go-Lucky») ist Stubb
Raoul Trujillo («True Blood») ist Queequeg
Gillian Anderson («Akte X») ist Elizabeth
Billy Boyd («Der Herr der Ringe»-Trilogie) ist Elijah
Daniyah Ysrayl («Falling Skies») ist Pip
Kritik
Eine von RTL mitfinanzierte Fernseh-Neuverfilmung von «Moby Dick». Der gehässige TV-Konsument erwartet bei da sicherlich nicht grundlos eine platte, reißerische Schundproduktion der Marke «Haialarm auf Mallorca». Wie allein schon die Liste der Beteiligten zeigt, ist diese internationale Koproduktion jedoch von gänzlich anderer Machart. Statt einer knalligen Vergewaltigung der wuchtigen Vorlage erwartet den Zuschauer ein raues, trockenes Seedrama. Zu Gunsten einer Nettospielzeit von rund zwei Stunden musste das Original allerdings einige Federn lassen. Vor allem von Kapitän Ahabs ausschweifenden Monologen ist nur ein Bruchteil übrig geblieben.
Während die Fernsehadaption bei den Monologen spart, nutzte Regisseur Mike Barker seine Erfahrungen mit «Der Seewolf», um erneut eine authentische und raue Seefahrtsatmosphäre zu erzeugen. Dass die 18,4 Millionen Euro teure Fernsehproduktion wochenlang auf hoher See gedreht wurde, macht sich nicht nur bemerkbar, sondern auch bezahlt: Die gräulichen Weiten des Meeres vermitteln eine bedrückende Stimmung sowie eine Opulenz, die mit Studiotricks nicht zu erreichen wäre. Vor dem Hintergrund der eindringlichen Seeaufnahmen enttäuschen die eingestreuten Computereffekte umso mehr: Kann der weiße Riesenwal auf Distanz noch überzeugen, fühlt man sich unwohl an dümmliche Monsterfilme erinnert, sobald das gummiartig animierte Tier näher am Zuschauer vorbeischwimmt. Die Tragik und Poesie der Begegnungen von Moby Dick und Kapitän Ahab, den beiden Erzfeinden, wird von den Effekten sträflich untergraben.
Darstellerisch hält die Besetzungsliste, was sie verspricht: William Hurt gibt einen denkwürdigen, alten Seefahrer, bei dem man sich niemals sicher sein kann, ob der reine Wahn aus ihm spricht, oder er bei all seiner Belesenheit nicht doch weiterhin fest das Steuerrad in der Hand hält. Viel zu leicht kann diese komplexe Figur zu einem melodramatisch-übertrieben Schauspiel verführen, aber Hurt lässt bei jeder Gemütsschwankung Ahabs subtil auch seine anderen Facetten durchscheinen. Dadurch ist es für den Zuschauer verständlich, weshalb ihm seine Crew ins beinahe sichere Verderben folgt, und dennoch ist es unvermeidlich, vor dieser Blendung durch Ahabs manipulierende Worte den Kopf zu schütteln.
Die Figur des Ishmael wird durch die Wahl des Mediums gegenüber der Vorlage eingeschränkt: Die wertenden, teils moralisierenden Erzählerkommentare fallen der Schere zum Opfer. Dessen ungeachtet kann auch Charlie Cox mit einer realistischen, zwischen Zustimmung und Abneigung gegenüber Ahab variierender Darbietung überzeugen. Selbiges gilt für Ethan Hawke, der seiner Figur des Ersten Maats Starbuck bereits mit wenigen, viel sagenden Blicken Leben einhaucht. Der unaufdringlichen Humor mitbringende Raoul Trujillo darf wiederum mit Queequeg die wohl einzige durchweg sympathische Rolle in dieser «Moby Dick»-Adaption ausfüllen.
Obwohl der Fernsehfilm sich auf den Handlungskern des Romans stürzt, statt bemüht jegliches angeschnittene Thema anzupacken und letztlich zu viele thematische Fässer aufzumachen, gerät die Dramaturgie gelegentlich aus dem Takt. Manche Charakterentwicklungen kommen sehr radikal und der Spannungsbogen ist ebenfalls uneben. Beides könnte jedoch auch darin begründet liegen, dass RTL aus den beiden neunzigminütigen Episoden, die in den USA ausgestrahlt wurden, einen zweistündigen Film schnitt und somit in die ursprüngliche Regisseursfassung einschritt. Doch auch in der RTL-Fassung können die tollen Schauspielleistungen, die raue Grundstimmung der opulenten Inszenierung und die anspruchsvollen, und dennoch filmtauglichen Dialoge über die narrativen Schwächen weitestgehend hinwegtäuschen. Für Anhänger der Vorlage, die auf Teile des intellektuellen Überbaus verzichten können, für an der Story Interessierte und für jene, die menschliche Seefahrerdrama reizen, ist «Moby Dick» also klar das Einschalten wert.
RTL strahlt «Moby Dick» am Sonntag, den 27. November 2011, um 20.15 Uhr als Deutschlandpremiere aus.