Neues vom Kritikerliebling: Hält die Serie «The Good Wife» in Staffel drei ihr hohes Niveau?
Während der ersten Staffel war «The Good Wife» ein überraschender Kritikerliebling, der mit starkem Spiel seiner Darsteller und realistischen, wenn auch manchmal klischeehaften, Geschichten überzeugen konnte. Während der zweiten Staffel stieg die Serie in die Topliga der US-Serien auf und wird seitdem als Hoffnung des Networkfernsehens gesehen: Ist es tatsächlich noch möglich, gut gemachtes und geschriebenes Fernsehen auf die Bildschirme zu bringen, ohne die Zuschauer mit Langeweile und Unwichtigkeiten zu nerven? Gibt es mit «The Good Wife» tatsächlich eine Serie, welche ihre Zuschauer fordert, ohne wie «Lost» in unendlichen Mysterien abzuschweifen?
Die vom Ehepaar Robert und Michelle King entwickelte Serie befindet sich inzwischen in ihrer dritten Staffel, und setzt dort an, wo die zweite aufgehört hat: Mit Alicia und Will in einer Quasi-Beziehung; mit PR- und Krisenmanager Eli Gold, der nun firmenintern die Lockhart/Gardner-Krisenherde regelt; mit Peter als Staatsanwalt; sowie den üblichen kleinen Storys, welche die einzelnen Episoden bestimmen. «The Good Wife» hat von seiner Magie im dritten Jahr fast nichts verloren, muss allerdings einen Weg finden, wie zwei grundverschiedene Geschichten in den Episoden zusammengefügt werden können. In den ersten beiden Staffeln bestand das 2-Geschichten-Schema aus den einzelnen rechtlichen Fällen sowie der Entwicklung von Peter vom Opfer eines Skandals zum Gefängnisinsassen zum Staatsanwalt. Da die Wahl mit den finalen Folgen der zweiten Staffel nun vorbei ist, mussten neue Geschichten entwickelt werden. Mit Eli Gold scheint die Lösung gefunden worden zu sein.
Allerdings vertragen sich seine Storys nicht mit denen von Lockhart/Gardner. Statt sich auf ein mögliches PR-Desaster zu fokussieren, welches eine Gerichtsverhandlung mit sich bringen kann, wird auf zufällige Geschichten Wert gelegt, die überhaupt keinen Zusammenhang mit dem eigentlichen Geschehen der Serie haben. Wenn Alicia wieder einmal einen unschuldigen Mörder verteidigt, gibt es am anderen Ende des Flurs ein buchstäbliches Käsedebakel. Als Alicia und Will zum wiederholten Male vor das Militärgericht treten, ist Eli nur damit beschäftigt, wie er die Ernährungspyramide aktualisieren kann. Zwar warten die Autoren nur darauf, Eli als Wahlkampfleiter wieder in Aktion zu bringen, doch wenn sie wirklich vorhaben, die Präsidentschaftswahlen in der fiktionalen Welt der Serie zu begleiten, müssen die Zuschauer wohl noch bis zum Staffelfinale auf eine anständige Story für Eli warten.
Was in der zweiten Staffel nämlich wunderbar funktionierte – Eli und die Wahl zur Staatsanwaltschaft, und wie sich der Wahlkampf auf Alicias Leben auswirkte – ist inzwischen vollständig verschwunden. Eli und Peter haben ihre Ziele erreicht, und Alicias Leben hat offenbar keinen großen Schaden davon genommen. Das macht vor allem Alicias Privatleben ein wenig zu schaffen. Hier wurde die Anspannung zwischen Alicia und Peter durch weiteres, manchmal fragwürdiges, Teenagerverhalten ihrer beiden Kinder ersetzt, sowie durch eine Beziehung mit Will, die im ersten Drittel der Staffel überhaupt nichts mit sich bringt. Dass Eli auch keine Chance bekommt sein Privatleben zu reflektieren, ist ein weiteres Problem. Vermutlich hat «The Good Wife» zu viele Charaktere, um seiner Ex-Frau und Tochter genügend Sendezeit zu spendieren. Ein Umstand, der sich im Verlauf der Staffel jedoch zum Positiven ändern könnte, nachdem Elis Familie eine kleine Hintergrundgeschichte gegeben wurde.
Die Leistungen der Autoren haben sich inzwischen sogar verbessert. «The Good Wife» ist in seinen gerichtlichen Fällen nicht mehr so kompliziert und mit Fachjargon beladen, dass es manchmal wie ein Overkill wirkt. Man hält sich mit dramatischen Twists größtenteils zurück und man fokussiert sich häufiger auf die Geschichte hinter dem Gerichtsfall. Das hat zum Vorteil, dass die Drehbücher endlich mit Thrill und Comedy aufwarten und sogar exzentrische Charaktere einführen können, welche die Story auflockern. Im Gerichtssaal ist es selten möglich, durch die Kreuzverhöre Spannung zu kreieren, wenn diese nur als Teil einer kleinen Story fungieren und nicht als entscheidender Moment, wie zum Beispiel in «Eine Frage der Ehre». Den Autoren gelingt es auch, das Verwischen der Grenze zwischen Gut und Böse fortzusetzen. Das wird besonders ersichtlich, wenn Lockhart/Gardner in der aktuellen Staffel schon eine Handvoll schuldige Klienten verteidigen muss, und die Gesetzeslage demnach undurchsichtig ist. Selbiges gilt für den Urteilsspruch am Ende eines Gerichtsfalls: Diese bleiben unvorhersehbar und eröffnen multiple emotionale Geschichten für die Charaktere. Wenn die Autoren denn mal anfangen würden, die Auswirkungen der Fälle auf die jeweils nächsten Episoden zu übertragen...
Die Darsteller überzeugen ebenfalls, auch wenn man sich von Josh Charles wünschen würde, ab und zu mit einem fröhlichen Gesicht umherzulaufen. So tief ist seine Story bisher nicht gekommen, dass er schon jetzt unter einer symbolischen dunklen Wolke laufen muss. Ansonsten ist zu sagen, dass «The Good Wife» sich am Sonntagabend auf CBS zwischen «The Amazing Race» und «CSI: Miami» den „Umständen entsprechend“ akzeptabel schlägt. Obwohl sich seit Anfang Oktober ein kleiner Abwärtstrend bemerkbar macht, sind die (wenigen) Zielgruppenzuschauer immer noch in der Lage den Appeal der Serie zu finden. «The Good Wife» scheint nicht mehr unbedingt die Serie zu sein, welche das älteste Publikum des kompletten Fernsehprogramms anzieht, stattdessen kämpft die Serie sich wacker durch den Sonntag. Theoretisch existiert kein Grund zur Sorge für eine Verlängerung. In der Praxis kommt es darauf an, wie viele Serienpiloten CBS für das nächste Jahr bestellt.
Die Ermittlungen in Wills Vergangenheit könnten durchaus ein interessanter Stoff für den Großteil der Staffel sein, und vielleicht sogar Elis einzelne Geschichten als B-Story ablösen. Es begann schon damit, dass innerhalb der ersten Folgen drei verschiedene Möglichkeiten gegeben wurden, um die Story in eine konkrete Richtung zu lenken: Es war zu Beginn nicht klar, ob Peter hinter Will und seiner Kanzlei her ist, weil „Anwaltsstar“ Alicia faktisch eine Bedrohung für die Staatsanwaltschaft ist (nachdem sogar gewonnen geglaubte Fälle an Lockhart/Gardner verloren wurden); dann bestand die Möglichkeit, dass Peter sich nur an Will rächen will, nachdem er realisiert, dass Will und Alicia eine Affäre haben; und zum Schluss kam dann der wirkliche Teil der Geschichte ans Tageslicht: richterliche Bestechung über Jahre hinweg, was das Ende von Lockhart/Gardner bedeuten könnte.
Allerdings hat es seine Zeit gedauert, bis Wills Story im Schneckentempo auf die Zuschauer losrollte. «The Good Wife» ist bekannt dafür, dass fortlaufende Storys in der Anfangsphase nicht besonders schnell entwickelt werden. Wenn Eli sich aber (hoffentlich) mitten in der Präsidentschaftswahl befindet – mit dem Demokraten Robert Mulvey gibt es sogar schon einen Charakter, der in die Kandidatenrolle fallen könnte – und Lockhart/Gardner weitere Geschichten gegeben werden, welche die Partnerschaft zwischen Will und Diane erschüttern, könnten die Ermittlungen in Wills Leben einen perfekten C-Plot abgeben, der endlich mal die Karriere eines Charakters in Gefahr bringt, und nicht nur dessen Gefühle und Emotionen.
Einige Handlungsprobleme hat die Staffel dennoch: Das Beziehungsgeflecht zwischen Kalinda, Cary und seiner Partnerin Dana ist nach einer Weile einfach zu viel des Guten. Da tanzen die Autoren auf drei verschiedene Hochzeiten, und sind offenbar noch nicht in der Lage aufzulösen, wer denn nun mit wem rummacht und Spielchen treibt. Als Zuschauer stellt man sich zurecht die Frage, ob Dana wirklich an Cary interessiert ist, oder ob sie ihre Definition von „hochschlafen“ durchlebt. Ähnliches gilt für Kalinda: Es wäre wirklich wünschenswert, wenn die Frage um ihre sexuellen Bedürfnisse langsam mal geklärt wird. Die Autoren übertreiben das Spiel zwischen Kalinda und Cary, und dass Kalinda wahrscheinlich etwas für Dana empfindet, scheint auch recht gestellt – als würden die Autoren sich gezwungen sehen, die lesbischen Erlebnisse der Kalinda Sharma in Staffel drei fortzusetzen. Weniger ist manchmal doch etwas mehr.
Mal abgesehen von logischen Problemen in einigen Geschichten gibt es jedoch nur wenig an «The Good Wife» zu bemängeln. Dass die Autoren sich aber gerne mal kreative Freiheiten nehmen, zeigten soweit zwei Episoden. In einer Folge beschäftigt sich das Finanzministerium nur zu gerne mit einem Terroristenverdacht im Gerichtssaal und stellt dabei Fragen, die normalerweise von Jack Bauer gestellt werden. In einer anderen Episode sorgt die schlampige Arbeit von Polizei und Anklage sorgt, dass der Zeuge eines tödlichen Überfalls kurzerhand als unschuldiger Mörder degradiert wird, obwohl es durch ein wenig «CSI» und genauere Zeugenbefragung möglich gewesen wäre, den angeklagten Zeugen sofort zu entlasten.
Nach neun Episoden realisiert der Serienfan allerdings wieder, dass es sich nur lohnt über «The Good Wife» zu diskutieren, wenn man in der Lage ist, den juristischen Teilen der Geschichte vollständig folgen zu können. Das kann zwar etwas schwierig sein, wenn man von aktuellen Ereignissen aus der Presse keinen Schimmer hat, diese aber (wie erwartet) in den Episoden gewürdigt werden (ein Beispiel ist der „News of the Week“-Skandal in einer Episode, in welcher Alicia sich durch das britische Justizsystem schlagen muss) und demnach die Verbindung zwischen dem Serienuniversum und der realen Welt verpasst. Wer die Zusammenhänge erst einmal versteht und auch mit dem Fachjargon klarkommt, der wird überrascht sein, dass man plötzlich so viel über das amerikanische Justizsystem weiß, obwohl einem das Thema eigentlich egal sein könnte…